Creditreform Wirtschaftsnews

Schuldenlast erdrückt Investitionsbereitschaft

Ohne Schulden geht es nicht. Die aktuelle Diskussion um die Schuldenbremse, die mit dafür sorgte, dass die alte Regierung keinen Haushalt zustande brachte, zeigt wie schwierig es ist, die richtige Höhe aufgenommener oder anstehender Schulden zu bewerten.

Klar ist: Die Schulden steigen. Bei den Staaten, den Kommunen, den Unternehmen und bei den Bürgern. Mittlerweile bewegen sich die Zahlen zu den Schuldenständen im nicht mehr zu fassenden Billionen-Bereich. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat sich nun der Schulden von Großunternehmen im Deutschen Aktienindex (DAX) angenommen und kommt auf Verbindlichkeiten von rund 270 Mrd. Euro. Dabei sind Versicherungen sowie Banken noch ausgenommen und auch Konzerntöchter wie Porsche gingen nicht in die Analyse ein. Die größte Nettoverschuldung hat die Deutsche Telekom mit 130 Mrd. Euro zu tragen. Es folgt Vonovia mit weitem Abstand und 42 Mrd. Euro sowie schließlich Siemens (37 Mrd. Euro) und Bayer (34 Mrd. Euro). Aber allein die Schuldenhöhe ist nicht entscheidend. Es kommt darauf an, ob diese Schulden zur Finanzierung von Investitionen dienen oder ob sie nur helfen, angesichts geringer Gewinne das Unternehmen über Wasser zu halten. Dies ist bei Unternehmen nicht anders als bei der Schuldenbremse, über deren Modifikation oder ihr Aussetzen diskutiert wird. Dienen die aufgenommen Schulden dazu, den wirtschaftlich nötigen Drive zu geben, Umweltmaßnahmen, die beschleunigte Digitalisierung oder günstigere Energien für die Industrie zur Verfügung zu stellen? Die Rechnung bei Unternehmen ist zunächst nicht schwer: Bringt die Investition mehr Gewinn als sie Fremdgeld kostet? So muss die Telekom in den Ausbau neuer Mobilfunknetze sowie in Glasfaser investieren und auch Vonovia kann sich höhere Schulden aufgrund stetiger Mieteinnahmen durchaus leisten. Aber auch hier sind hohe Investitionen in die Bauten zu erbringen.

Schulden und Eigenkapital

Die Analyse in der Frankfurter Zeitung setzt Eigenkapital und Nettoverschuldung in Beziehung und zeigt dabei auf, dass die Verschuldungsquote, also das Verhältnis von Eigenkapital zur Verschuldung, seit 2017 doch deutlich gestiegen ist. Betrug sie vor sieben Jahren noch knapp 13 Prozent, so lag sie 2024 bei knapp 29 Prozent. Das Eigenkapital ist im Verlauf dieser Zeit um 56 Prozent gestiegen, die Nettoverschuldung um 249 Prozent. Eine Entwicklung, die nicht nur bei den Großunternehmen stattgefunden hat. Auch der Mittelstand – das zeigen Zahlen aus den regelmäßigen Analysen der Creditreform Wirtschaftsforschung – hat beim Eigenkapital zulegen können. Die Zahl der Unternehmen mit einer Eigenkapitalquote über 30 Prozent hat auch in Zeiten der Krise zugelegt. Schulden aufzunehmen ist nur möglich, wenn das Unternehmen auf der anderen Seite bei der Kreditaufnahme auch eine gesunde Eigenkapitalbasis vorweisen kann. Dabei ist beim Bankgespräch natürlich auch das Geschäftsmodell, der Sinn einer zu finanzierenden Investition und schließlich die aktuelle sowie zukünftige Ertragslage ein wichtiges Thema. So kann also auch bei eher geringem Eigenkapital eine hohe Fremdfinanzierung eine Option sein. Setzt man bei den DAX-Unternehmen die Schulden ins Verhältnis zum Gewinn, dann sieht die Rangfolge anders aus als bei der absoluten Schuldenhöhe. Mit 15,8 Punkten führt Vonovia das Feld an. Es folgt mit deutlichem Abstand EON mit 5,7 Punkten, Sartorius mit 5,7 Punkten und schließlich Fresenius mit 4,4 Punkten.

Investitionen von Zinsen stranguliert?

Ist von den Schulden der Unternehmen die Rede, so kommt aktuell natürlich die Situation bei den Zinsen ins Spiel. Nun sind die Finanzierungskosten im Bankgespräch zu diskutieren. Ein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell ermöglicht – wird es nur überzeugend dargestellt – geringere Zinskosten. Dennoch gilt über alle Unternehmen hinweg, dass die Finanzierung teurer geworden ist, weil sich die allgemeine Zinslage, bestimmt durch die Refinanzierungssätze der EZB, verschärft hat. In den Zeiten vor der Zinswende waren die Zinssätze für die Unternehmen lange nur über etwa einem Prozent angesiedelt. Nun liegen sie bei fast 4,7 Prozent und das macht die Schulden teurer. Dies ist sicher auch ein Grund dafür, dass im Mittelstand, wie die regelmäßigen Creditreform Untersuchungen zeigen, die Investitionen deutlich zurückgegangen sind.

Angesichts der Krise in Deutschland und nicht zuletzt steigender Insolvenzen haben die Banken ihre Kreditvergabe restriktiver gehalten. Die Bundesbank hat deutsche Banken im vierten Quartal 2024 befragt: In der ganzen Breite des Kreditgeschäfts – von den Unternehmen bis zu den Konsumenten – wurden strengere Vergaberichtlinien eingerichtet. „Die Banken begründeten die Straffungen primär damit, dass ihre Risikotoleranz gesunken und das Kreditrisiko gestiegen ist“, so die Bundesbank im Rahmen ihres Bank Lending Survey. Dabei gehen die befragten Finanzinstitute von weiteren Verschärfungen bei der Kreditvergabe aus. Ein Basel-III-Reformpaket muss umgesetzt werden, was zu einem Anstieg der risikogewichteten Aktiva beitragen wird. Geradezu als Spiegel der aktuellen schwierigen Lage bestimmter Branchen zeigen die gestiegenen Anforderungen für die Kreditnehmer aus dem energieintensiven Verarbeitenden Gewerbe, dem Baugewerbe und dem Immobiliensektor. „Die Höhe der Quote notleidender Kredite und anderer Indikatoren der Kreditqualität hatte in den vergangenen sechs Monaten restriktive Auswirkungen auf die Angebotspolitik für Unternehmen sowie Konsumenten und sonstige Kredite an Privathaushalte.“

Die Zeiten, als etwa auf dem US-amerikanischen Markt das Prinzip Hoffnung und Zuversicht herrschte, etwa bei der Finanzierung von Startups, sind im Zeichen hoher Zinsen und vieler Insolvenzen in Deutschland vorbei. Dabei ist der deutsche Finanzierungsmarkt deutlich zurückhaltender als der amerikanische. Das zeigt nicht zuletzt die höhere Präferenz von Aktien jenseits des Atlantiks – die Gläubiger sind bereit, mit Eigenkapital einzusteigen.

Quellen: Bundesbank (BLS), Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS)