Superhirn für Supercomputer

Bernhard Frohwitter ist in der Tech-Szene der Mann der Stunde. Der Ingenieur und Anwalt ist Gründer und CEO von Partec. Sein Unternehmen baut und entwickelt Supercomputer, die für Forschung und KI immer wichtiger werden – und läuft dabei sogar Branchenriesen wie Hewlett Packard den Rang ab.

Wenn Bernhard Frohwitter ins Erzählen kommt, spürt man die Begeisterung des 79-jährigen Diplom-Ingenieurs und Rechtsanwalts für die fantastischen Möglichkeiten eines anbrechenden Zeitalters. Einem, in dem neue Supercomputer nicht nur Wissenschaftlern, sondern auch Unternehmern große Durchbrüche ermöglichen. Sei es bei der Verbesserung von Werkstoffen, bei Energieerzeugung und -management, Klimaschutz, Gesundheit oder Künstlicher Intelligenz. „Wir werden Dinge berechnen und Materialien entwickeln können, von denen man bisher nicht einmal geträumt hat“, verspricht Frohwitter.

Mit „wir“ meint Frohwitter einerseits ganz allgemein die Menschen und andererseits speziell sein Unternehmen Partec. Er ist Mehrheitsaktionär und Vorstandsvorsitzender des Spezialisten für die Entwicklung und Herstellung von modularen Super- und Quantencomputern sowie begleitender Systemsoftware. Seit 2004 führt er das Unternehmen, dessen Wert aktuell eigenen Angaben zufolge überwiegend aus der überlegenen, weltweit führenden Technologie für das Design und die Konstruktion von Supercomputern besteht sowie dem Besitz von rund 150 Patenten und Patentfamilien. „Ich habe immer an die Überlegenheit unserer Technologie geglaubt“, sagt Frohwitter.

Pionierarbeit mit Prozessoren

Tatsächlich kann er die jetzt unter Beweis stellen: bei JUPITER, dem ersten europäischen Exascale-Supercomputer. Exascale bedeutet, dass der Rechner eine Leistung von mehr als einem Exaflop haben wird. Ein Exaflop wiederum steht für eine Trillion – das ist eine 1 mit 18 Nullen – Rechenoperationen pro Sekunde. In den USA gibt es bereits solche Rechner, doch aus Sicht von Frohwitter wird JUPITER die erste Maschine, die wirklich den Namen Exaflop-Supercomputer verdient.

Wozu diese Rechenpower notwendig ist, erklärt sich Eingeweihten aus dem Namen. JUPITER steht für Joint Undertaking Pioneer for Innovative and Transformative Exascale Research. Sein Pendant in den USA, der Frontier-Supercomputer, an dem Hewlett Packard Enterprise mitgebaut hat, soll HP zufolge etwa „grundlegende physikalische Gesetze simulieren, wie zum Beispiel Wechselwirkungen zwischen Atomen, um unser Wissen über das Universum und alles darin zu erweitern“. Maschinen wie JUPITER und Frontier verfügen über die erforderliche Leistung, um die Herkunft chemischer Elemente zu klären, instabile Materialien zu kontrollieren, Naturgesetze zu überprüfen und die Teilchenphysik zu untersuchen. Aus Sicht von Frohwitter stellen sie ihre ungeheure Rechenleistungen aber auch mehr und mehr für die Erzeugung von Basismodellen der Künstlichen Intelligenz zur Verfügung. „Auch solche Foundation Models müssen mit unvorstellbaren Datenmengen umgehen können“, sagt er.

Spezialist für modulare Architekturen

Schon bald steht so ein „Superhirn“ also auch in Deutschland. Frohwitter rechnet damit, dass JUPITER im November „ans Netz gehen wird“. Betrieben wird er vom Forschungszentrum Jülich. Die Kosten für Anschaffung und Betrieb über sechs Jahre betragen 500 Millionen Euro; finanziert von der EU sowie vom Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen. Untergebracht wird die riesige Maschine in einem Hightech-Zuhause, das aus rund 50 Containermodulen besteht und eine Fläche von etwa einem halben Fußballplatz umfasst.

Dass Partec solche Projekte umsetzen kann, haben Frohwitter und sein Team schon unter Beweis gestellt. „Unsere Entwicklungen und Erfindungen werden in der ganzen Welt beim Bau von Supercomputern benutzt“, sagt der Ingenieur. Weitere Anwendungsfälle sind zum Beispiel der Supercomputer JUWELS, ebenfalls am Forschungszentrum Jülich, und das Projekt Mare Nostrum 5 in Barcelona.

Partecs Spezialität sind sogenannte modulare Architekturen. Die Patente dafür hat das Unternehmen seit der Ausgründung aus der Universität Karlsruhe vor 25 Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Aber die Grundidee ist laut Frohwitter unverändert: Um einen Supercomputer zu schaffen, fasst Partec eine Vielzahl parallel arbeitender Prozessormodule zu sogenannten Clustern zusammen. Einzelne Cluster wiederum können aus unterschiedlichen Prozessoren bestehen, etwa Mikro- und Grafikprozessoren, sodass der gesamte Großrechner modular aufgebaut ist. Eine spezielle Partec-Software wiederum entscheidet bei einer Rechnung oder Simulation in Sekundenbruchteilen, welcher Cluster zu welchem Zeitpunkt angesteuert wird. Während des Rechenvorgangs werden so bestimmte Gruppen von Prozessoren je nach Auslastung und Bedarf zugeordnet, sodass immer die optimale Rechenkapazität bereitsteht. „Die modulare Bauweise ist Partec-Technologie“, betont Frohwitter. JUPITER etwa wird aus zwei großen Hauptmodulen bestehen: einem hochskalierbaren Booster-Modul für rechenintensive Probleme, das durch Grafikprozessoren unterstützt wird. Und einem Cluster-Modul, das sich universell für alle möglichen Aufgabenarten einsetzen lässt, speziell für komplexe, datenintensive Rechenoperationen. Beide Module könnten getrennt oder zusammen wissenschaftliche Probleme lösen, je nach Bedarf. Der Begriff der Architektur passt aber nicht nur zur Zusammensetzung von Chips und Prozessoren. Auch die Rolle von Partec bei Projekten wie JUPITER lässt sich damit gut beschreiben. Frohwitter vergleicht sie mit der eines Generalunternehmers – natürlich mit einem passenden Superlativ. Beim Bau des Burj Khalifa in Dubai habe der Architekt und Generalunternehmer bis zur Eröffnung die Verantwortung für das Projekt gehabt. Dennoch seien am Design des mit 828 Metern höchsten Bauwerks der Welt rund zwei Dutzend weitere Architekturbüros beteiligt gewesen. Die ausgewählten Materialien für den Bau wie Stahl und Glas hätten dann Industrieunternehmen geliefert. Ähnlich macht Partec es bei JUPITER, etwa mit Partnerunternehmen wie Eviden, Nvidia und SiPearl. Nach der Einweihung des Superrechners wird Partec außerdem die Software ParaStation Modulo für den Betrieb bereitstellen. „Insofern sind wir Generalunternehmer und Wartungsfirma in einem“, sagt Frohwitter.

Rasantes Wachstum in Aussicht

Das Geschäft lohnt sich. Vor allem JUPITER wird dafür sorgen, dass Partec seinen Umsatz Analysten zufolge von 36,1 Millionen Euro im Jahr 2022 auf voraussichtlich 270 Millionen Ende 2024 und 318 Millionen im Jahr 2025 steigern kann. Insofern war der Zeitpunkt für den Börsengang gut gewählt. Seit Juli 2023 ist Partec an der Börse gelistet und erhielt für diesen Schritt Ende November sogar den IPO (Initial Public Offering) Award der Deutschen Börse in der Kategorie „Smallcap“. Und JUPITER ist nicht der einzige Grund, weshalb sich Frohwitter um die Zukunft von Partec keine Sorgen macht.

Er ist überzeugt davon, dass die Nachfrage nach Rechenpower weiter steigen wird. Nicht nur in der Forschung, sondern auch von Unternehmen. Vor allem das Training von Künstlicher Intelligenz, mit der sich Texte, Bilder, Videos, Musikstücke und Computercodes erstellen sowie Daten analysieren und strukturieren lassen, könne Unternehmen erhebliche Mehrwerte bringen. Partec verweist in diesem Zusammenhang auf eine Studie der Beratungsgesellschaft McKinsey. Demnach verändere generative KI auch die Produktforschung und -entwicklung. Mit ihrer Hilfe könnten Entwickler zum Beispiel Ideenfindung und Produktentwürfe verbessern, virtuelle Simulationen beschleunigen oder die Materialkosten im Produktdesign senken. Möglich sei eine Produktivitätssteigerung von zehn bis 15 Prozent der Forschungs- und Entwicklungskosten.

Bisher decken deutsche und europäische Konzerne ihren Rechenbedarf zum Großteil über die Clouds der US-amerikanischen Tech-Giganten Amazon, Microsoft und Alphabet. In Zukunft möchte Frohwitter diesen Service anbieten. Interessierte könnten etwa Rechenkapazitäten an Exascale-Computern mieten, so wie es in der Forschung bereits üblich ist. Doch das ist sehr teuer und die Möglichkeiten sind begrenzt.

Superrechner im Kleinformat

Interessanter für Industrieunternehmen könnte deshalb eine weitere Initiative von Partec sein, mit der das Hightech-Unternehmen nun ins Rennen um KI-Rechenkapazitäten einsteigt. „Wir planen mit 15 bis 20 KI-Rechnern pro Jahr“, erklärt Frohwitter. Darunter versteht er im Vergleich zu Superrechnern deutlich kleinere Hochleistungscomputer, die speziell für das Training von proprietären KI-Modellen eingesetzt werden können. Diese könnten auch Sicherheitsstandards für geschäftskritische Vorgänge beinhalten. Wie das Equity-Research-Unternehmen Montega im Februar berichtete, will Partec für diese KI-Rechner eine Leasingfinanzierung ermöglichen. Das Produktangebot soll drei Varianten umfassen, die in einer Preisstaffelung von 7 bis 40 Millionen Euro angeboten werden. Das Konzept will Frohwitter auf der Supercomputer-Messe in Hamburg vom 12. bis 16. Mai vorstellen. Analysten erwarten, dass Partec anfangs fünf Geräte pro Jahr verkaufen oder vermieten kann. Voraussetzung ist allerdings, dass die Münchner genug Mitarbeiter finden, um das neue Geschäftsfeld hochziehen zu können.

Bisher ist das Frohwitter immer gelungen. Er ist ausgezeichnet vernetzt in der Szene. Die Führungsriege von Partec kommt unter anderem aus Top-Positionen bei IBM und Hewlett Packard. Laut Frohwitter besteht die Anziehungskraft auch darin, „dass wir im Bau von modularen Supercomputern weltweit Technologieführer sind“. Und vielleicht, dass er es tatsächlich schafft, Visionen Wirklichkeit werden zu lassen.

Wegbereiter für Quantencomputer

Auch von der Verwirklichung seines ultimativen Traums, den das Logo von Partec darstellen soll, ist er nicht mehr weit entfernt. Es zeigt einen Supercomputer mit vielen modular integrierten Quantenrechnern. Während herkömmliche Rechner binäre Codes immer nacheinander abarbeiten – Spannung liegt an = 1, Spannung liegt nicht an = 0 – verwenden Quantensysteme binäre Codes gleichzeitig. Durch die Gleichzeitigkeit können Probleme noch schneller analysiert und gelöst werden. Die Herausforderung bisher ist, so ein System stabil zum Laufen zu bringen. Die modulare Bauweise von Partec könnte eine Lösung sein. Frohwitter sieht „klassische“ Supercomputer und Quantenrechner als integrierte Partner. Dadurch würde auch weniger Hardware benötigt und eine höhere Energieeffizienz erreicht, was in Kosteneinsparungen resultiere. Gemeinsam mit Nvidia und dem Forschungszentrum Jülich hat Partec bereits eine Kooperation für den Bau und die Entwicklung von Quantencomputern. Ist sie erfolgreich, könnte die Quanteninformatik die Kapazitäten von JUPITER noch einmal weit übertreffen. Aus Sicht von Frohwitter ist der entscheidende Vorteil von Quanten-Computing, dass „ganz neue Dinge gerechnet werden können, dass neue Algorithmen zu neuen Möglichkeiten und neuen Werkstoffen führen.“ So würden Träume wahr.

Historie von Partec

  • 1995

    ParaStation Projekt an der Universität Karlsruhe

  • 1999

    Ausgründung als Partec Cluster Competence Center

  • 2005

    Beginn der Kooperation mit dem Forschungszentrum Jülich

  • 2009

    Erster heterogener Supercomputer JUROPA 2

  • 2010

    Erste Cluster/Booster-Systemarchitektur

  • 2017

    Erster Supercomputer mit modularer Systemarchitektur (JURECA)

  • 2020

    Booster-Modul für JUWELS mit dynamischer Modularer Systemarchitektur (dMSA)

  • 2021

    MeluXina und Leonardo als Supercomputer mit dMSA

  • 2023

    Generalunternehmerschaft für JUPITER und Mare Nostrum 5 in Barcelona

  • 2023

    Listing im Scale-Segment der Deutschen Börse


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Terliesner
Bildnachweis: 1: Partec | 2: Sascha Kreklau/ Forschungszentrum Jülich