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Das Lieferkettengesetz kommt
Es wird wohl schon bald Wirklichkeit werden: Die Eckpunkte des Lieferkettengesetzes liegen auf dem Tisch. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und das Ministerium für Arbeit und Soziales haben es erarbeitet.
Aus der Wirtschaft werden nun Bedenken laut. Die Unternehmen befürchten ein (weiteres) Bürokratiemonster, eine Klagewelle und insgesamt eine Behinderung ihrer weltweiten wirtschaftlichen Aktivitäten. Aber der Druck, ein solches Gesetz zu erlassen, ist groß. Nach den USA und China ist Deutschland das drittgrößte Importland der Welt. Gerade die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, wie stark die internationale Vernetzung ist. Dazu bedarf es nicht einmal des Weges nach Übersee – Staus von Lastwagen und die Probleme von Pendlern an den Nachbargrenzen haben gezeigt, dass auch in Europa nicht über die Grenzen hinweg zu denken ist.
Neuauflage Compliance?
Ähnlich den Compliance-Regelungen wird bei den Lieferketten der Gesetzgeber aus ethischen Gründen tätig. Vorgaben für eine solche gesetzliche Regelung kommen von den Vereinten Nationen und der WTO, aber auch aus dem letzten Koalitionsvertrag. Die aktuelle Vorlage will aufzeigen, welche Pflichten Unternehmen konkret zum Schutz der Menschenrechte innerhalb ihrer Lieferketten haben. Über ihre Anstrengungen, diesen Pflichten nachzukommen, ist Bericht zu erstatten. Und schließlich können betroffene Arbeiter aus dem Ausland Schadensersatzansprüche in Deutschland geltend machen.
Wie wichtig ein solches Gesetz hierzulande ist, wird deutlich, betrachtet man die Dimensionen globaler Liefer- und Wertschöpfungsketten. Sie machen rund 80 Prozent des Welthandels aus: 320.000 deutsche Unternehmen exportierten 2018 Waren im Wert von 1,3 Billionen Euro. Sogar 775.000 deutsche Unternehmen importierten und kamen damit auf einen Umsatz von 1,1 Billionen Euro. Zunächst hoffte die Regierung auf ein freiwilliges Engagement der Unternehmen. Im Zuge eines nationalen Aktionsplans wurde gefragt, was die Unternehmen für einen fairen Handel getan haben. Das Ergebnis 2019 war ernüchternd. Trotz wiederholter Aufforderungen hatten nur 400 von über 3.000 angefragten Unternehmen geantwortet. Und nicht einmal jedes Fünfte hatte die Anforderungen erfüllt. Das hatte sich auch bei einer zweiten Unternehmensbefragung 2020 nur wenig geändert – nur rund 20 Prozent der angeschriebenen Betriebe hatten überhaupt geantwortet. Auf ein freiwilliges Engagement der Unternehmen zu setzen, schien also nicht der richtige Weg. In Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden hat man in Europa bereits gesetzliche Regelungen beschlossen. Gerade angesichts der Probleme, welche die Corona-Pandemie weltweit für den Import und Export sowie die Lieferketten bereits schafft, gilt es aber, sich mit den Fragen und Zweifeln aus der Wirtschaft auseinanderzusetzen. Hier befürchten viele einen erhöhten Aufwand und vor allem höhere Kosten. Tatsächlich verlangt der Gesetzgeber ein systematisches Risikomanagement und eine elektronische Berichterstattung an eine Bundesbehörde. Diese wird die Angaben stichprobenartig oder im Verdachtsfall auch auf Plausibilität hin überprüfen. Allerdings sollen bestehende Vorgaben etwa im Zusammenhang mit den Compliance-Vorschriften berücksichtigt werden. Die EU spricht von Kosten für Großunternehmen von 0,009 Prozent des Umsatzes. Apropos Großunternehmen: Kleine und mittelständische Betriebe sind von der Regelung ausgeschlossen, nur Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten sind betroffen.
Keine Nachteile für deutsche Unternehmen
Auch die Angst, dass deutsche Unternehmen gegenüber ausländischen benachteiligt werden, ist nach Angabe des Ministeriums wenig berechtigt, will man doch an parallelen Verordnungen auf EU-Ebene und schließlich auch international bei den Vereinten Nationen arbeiten. Angst vor harten strafrechtlichen Maßnahmen sind wohl auch unberechtigt – ein Verstoß gegen die Berichtspflichten etwa führt zu den üblichen Bußgeldern.
Ethische Gebote und die internationale Abstimmung machen in Deutschland eine gesetzgeberische Initiative notwendig. Bleibt zu hoffen, dass die Vorgaben, etwa im Hinblick auf die Berichterstattung oder auf die zeitlichen Terminierungen, mit Augenmaß vonstattengehen. Auch ein Rückzug von der internationalen Bühne wird man wohl zu verhindern wissen, denn das neue Gesetz wird den Grundsatz „Befähigung vor Rückzug“ explizit nennen, damit die Unternehmen sich gerade in Entwicklungsländern weiter um eine Zusammenarbeit bemühen. Dennoch bleibt bei den Verbänden ein Unbehagen – zu schnell wird das Gesetz wohl umgesetzt.
Quelle: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit