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Der Krieg wird zum Treiber der Insolvenzen
Das Insolvenzgeschehen im Jahr 2021 war geprägt von einem Paradoxon: Trotz der anhaltenden Krise durch die Corona-Pandemie war es zu einem deutlichen Rückgang bei den Unternehmensinsolvenzen gekommen.
Die Gründe für die rückläufigen Zahlen sind bekannt. Neben den vielfältigen Zahlungen und Krediten, die an die Unternehmen ausgeschüttet wurden, waren es gesetzliche Sonderregelungen, etwa die Aussetzung der Antragspflicht, die in schwieriger Zeit die Unternehmenslandschaft stabil gehalten hatten.
Wie ausgeprägt der Rückgang sich darstellt, wird deutlich, betrachtet man die Zahl der Regelinsolvenzen bezogen auf die Gesamtunternehmen. Im Vorkrisenjahr 2019 waren bei 10.000 Unternehmen 57 Insolvenzen zu zählen, 2020 waren es 52 und schließlich im letzten Jahr nur noch 46 Unternehmen. Sehr viel aussagekräftiger als diese Gesamtzahl ist ein Blick auf die betroffenen Wirtschaftsbereiche. An der Spitze relativer Insolvenzbetroffenheit stehen das Transportgewerbe, Verkehr und Lagerei mit 110 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen, der Bausektor, traditionell stark von Unternehmenszusammenbrüchen geprägt, war demgegenüber nur mit 68 Betrieben bei den Regelinsolvenzen vertreten. Am stabilsten erwies sich in der Krise der Sektor der Energieversorgung, bei dem es, trotz mancher spektakulärer Fälle, nur zu acht Pleiten pro 10.000 Unternehmen kam. Angesichts der aktuellen Krise, die manchen Energie-Anbieter in Schwierigkeiten bringen wird, weil trotz markant höherer Einkaufspreise doch für den Verbraucher günstige Verträge zu bedienen sind. Da wird manchem nur noch der Weg zum Insolvenzgericht bleiben.
Erste Anstiege?
Die jüngsten, im März veröffentlichten Zahlen zu den Regelinsolvenzen im Februar 2022 zeigen gegenüber dem Vormonat einen leichten Anstieg von gut 4 Prozent. Allerdings waren im Januar die Pleiten von Unternehmen um mehr als 17 Prozent gegenüber dem Dezember zurückgegangen – eine Zahl, die allerdings auch mit gewissen saisonalen Einflüssen zu tun hat, weil es zum Jahresende vor dem Ultimo oft noch zu Insolvenzanträgen kommt. Creditreform hatte bereits im Dezember für das Gesamtjahr 2021 einen zweistelligen Rückgang der Unternehmensinsolvenzen gemeldet, der nun auch offiziell bestätigt wurde. Dieser Rückgang setzt die Historie fort, war doch der letzte Anstieg 2009 als Folge der Finanzkrise hinzunehmen gewesen. Noch eine wichtige Entwicklung nennt das Statistische Bundesamt für die Insolvenzentwicklung des Vorjahres im Zusammenhang mit den offenen Forderungen. Dabei schreibt das Amt, dass „der Anstieg der Forderungen trotz rückläufiger Zahl der Unternehmensinsolvenzen darauf zurückzuführen ist, dass 2021 mehr wirtschaftlich bedeutende Unternehmen Insolvenz beantragt haben als 2020“.
Größere Unternehmen betroffen
Zur aktuellen Entwicklung – hin zu größeren von Insolvenz betroffenen Unternehmen – hat die Falkensteg GmbH, die das Geschehen um die größeren Pleiten quartalweise beleuchtet, nun Zahlen vorgelegt. Im letzten Vierteljahr 2021 hatten laut Finance Insolvenzreport 19 Großunternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Mio. Euro einen Insolvenzantrag gestellt – immerhin ein Plus gegenüber dem Vorquartal von fast 20 Prozent. Auch bei den Großunternehmen lohnt ein Blick auf die betroffenen Branchen. An der Spitze stehen die Automobilzulieferer, die fast die Hälfte des Gesamtgeschehens im letzten Vierteljahr ausmachten. Weitere Pleiten registrierten die Kunststoffteile-Hersteller mit drei Fällen sowie die Unternehmen aus der Nahrungsmittelerzeugung mit zwei weiteren Insolvenzanträgen.
Ein besonderes Augenmerk der Berater liegt auf der Sanierung der insolventen Unternehmen. Von den 69 großen Unternehmen, die 2022 einen Antrag stellten, war bei 21 Unternehmen ein Neustart gelungen. So wurde jedes fünfte Unternehmen durch eine übertragende Sanierung gerettet, bei sieben weiteren Firmen konnte mit den Gläubigern eine Einigung über einen Insolvenzplan im Zuge des entsprechenden Verfahrens gefunden werden. Dabei ist das Ende der Fahnenstange im Hinblick auf eine Sanierung noch nicht erreicht. Bei 15 Betrieben, die mangels Masse aufzulösen sind, sind auf der anderen Seite jedoch noch 33 Verfahren (also rund die Hälfte aller Insolvenzanträge) offen und bieten insofern noch Chancen auf eine Rettung.
Ausgehen wird den Sanierungsberatern im laufenden Jahr die Arbeit nicht. Falkensteg merkte an, dass sich zum Jahresende im Zeichen einer wiederanspringenden Konjunktur die Umsatzsituation wieder gebessert habe. Doch die aktuelle Kostenexplosion wird es für viele schwierig machen, ihre Liquidität zu erhalten und bei laufenden Verträgen, die wohl kaum nachzuverhandeln sind, noch zahlungsfähig zu bleiben.
Auf die Branche kommt es an
Der Kreditversicherer Coface hat nun im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine eine Analyse vorgelegt, welche Branchen im Zuge der Sanktionen und weiterer Ausfälle von Lieferungen besonders betroffen sind. Zunächst einmal, und das ist in Deutschland bereits ja deutlich zu spüren, geht es um Ausfälle im Bereich der Energieversorgung. Russland ist drittgrößter Erdölproduzent und steht an zweiter Stelle, wenn es um Erdgas geht. Auch bei Stahl, Nickel und Aluminium gehört das Land zu den weltweit größten Produzenten. Die Ukraine selbst ist im Zusammenhang mit Mais, Weizen oder Sonnenblumen ein wichtiges Erzeugerland. Hinzu kommt Belarus, das ebenfalls von Sanktionen betroffen ist und einer der wichtigsten Lieferanten von Inhaltsstoffen für Düngemittel ist. Russland und die Ukraine gehören mit zusammen drei Viertel der weltweiten Exporte beim Sonnenblumen- und Distelöl zu den wichtigsten Lieferanten – mit entsprechenden Folgen für die Preissituation etwa bei Speiseöl, aber auch bei Nahrungsmitteln für Tiere und damit beim Fleisch. Coface erwähnt im Zusammenhang mit den Düngemitteln auch China. Das Land hatte bereits ein Exportverbot bis Juni 2022 erteilt, weil es darum ging, die einheimische Lebensmittelversorgung zu sichern.
Probleme kommen auf die für die deutsche Wirtschaft so wichtige Automobilbranche zu, wird es doch durch die Lieferengpässe bei Metallen oder Halbleitern weitere Verwerfungen bei der Produktion geben. Das betrifft nicht nur Russland, sondern auch wieder die Ukraine selbst, die nach Auskunft des Versicherers mit ihren Kabelbäumen viele westeuropäische Automobilhersteller beliefern. Insgesamt werden sich die Schwierigkeiten nicht nur in der Kette von Rohstoffen für Düngemittel bis zu den entsprechenden Lebensmitteln, sondern auch in anderen Lieferketten bemerkbar machen. So treffen die Kraftstoffpreise die Fluggesellschaften, die nach Schätzungen ein Drittel ihrer Kosten im Bereich des Treibstoffs verzeichnen. Selbst der Schienenverkehr in Europa wird in Schwierigkeiten geraten, weil das Embargo vorsieht, dass nicht mehr mit der russischen Eisenbahn zusammengearbeitet werden darf. Damit kommt es zu einem „Zweitrundeneffekt, führt doch der Transit von Waren von Asien und Europa durch Russland.
Sollte der Krieg weiter anhalten, werden sich die Probleme um die weltweit im Zeichen der Globalisierung verknüpfte Wirtschaft noch massiv verstärken. Letztlich wird der Krieg in Osteuropa wohl für das Aus manches einheimischen Unternehmens sorgen – stärker noch als dies durch die Corona-Krise ausgeprägt war.
Quelle: Destatis, Falkenberg GmbH, Coface