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Die nächste Stufe

Konservativ und trotzdem grün: Für seine konsequente Umweltstrategie erhielt der bayerische Senf- und Feinkostfabrikant Develey bereits den Deutschen Nachhaltigkeitspreis. Nun steckt Geschäftsführer Michael Durach das nächste Ziel: eine grüne Null – ohne CO2-Kompensation.

Herr Durach, Develey war im vergangenen Winter in den Schlagzeilen, weil der Flughafen München Ihr Gurkenwasser gegen Glatteis eingesetzt hat. Wie kam es dazu?  

Einer unserer Mitarbeiter aus der Verfahrenstechnik hatte den Geistesblitz: Statt Berge von Salz für den Winterdienst zu horten, könnten regionale Unternehmen und Gemeinden die Sole abholen, die als Abwasser bei uns anfällt. Wie bei einer Tankstelle.180 Tonnen Streusalz und 1,5 Millionen Liter Wasser werden so jährlich gespart.  

Wie kreiert man eine Firmenkultur, in der Leute auf solche Ideen kommen? 

Wir haben versucht, eine Nachhaltigkeitskultur zu entwickeln, die nicht nur auf dem Papier steht. Eine Maßnahme war, alle Wertstoffströme im Unternehmen zu analysieren. Dabei haben wir realisiert, wie viel salzhaltiges Abwasser bei der Gurkenvergärung anfällt – und nach Wegen gesucht, es wiederzuverwenden. 

Develey hat das Thema Nachhaltigkeit früh entdeckt, seit 2008 bauen Sie Ihr Unternehmen um. Was hat Sie dazu bewogen? 

Meine Kinder haben Fragen gestellt, und ich fand, dass sich die Gesellschaft zu wenige Gedanken über den Klimawandel macht. Meine Angst war auch, dass – wenn die Situation kritischer wird – CO2-Steuern erhoben werden und uns dann zur Unzeit treffen. Also habe ich gesagt, lass uns lieber vor der Welle sein.  

Und das ging wie? 

Ich habe drei Ziele gesetzt: CO2-Neutralität, kein Palmöl und kein Deponiemüll. Heute, wo sich Unternehmen 20 oder mehr Nachhaltigkeitsziele setzen, mag das simpel klingen. Aber damals war es Neuland und wir wollten eine Botschaft senden, die alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verstehen. 

Sie haben sich Unterstützung vom Zentrum für Nachhaltige Unternehmensführung (ZNU) der Universität Witten/Herdecke geholt. 

Wir haben Roadshows veranstaltet, jede Abteilung und jeden Standort involviert: Macht mit! Das war anfangs nicht einfach. Die Buchhaltung fragte, was haben wir damit zu tun? Dabei hatte sie sieben Kaffeemaschinen in Betrieb. Ich sagte, wisst ihr eigentlich, wie viel Strom ihr verbraucht?

Sie haben auch einen fahrstuhlfreien Freitag eingeführt und Leitungswasser statt Flaschenwasser. Dabei bringt das wenig im Vergleich zu dem, was sich in der Produktion sparen lässt.  

Ja, aber es funktioniert doch nicht, wenn nur ein Bereich in der Verantwortung steht. Ich wollte Bewusstsein dafür schaffen, dass Nachhaltigkeit ein Mosaik ist. Die meisten Mitarbeiter fanden es toll, dass sie neue Dinge ausprobieren konnten, und ich sagte, jawohl, dafür geben wir Geld. Obwohl sich innovative nachhaltige Konzepte lange nicht rentieren.  

Sie konnten die Kosten nicht auf die Preise umlegen? 

Nein. Die Wahrheit ist: Der Verbraucher findet es zwar toll, zahlt aber keinen Cent mehr – und der Handel auch nicht. Es gibt andere Vorteile, zum Beispiel in der Promotion. Es ist schon so, dass du die Marke anders auflädst. Die größten Vorteile haben wir aber beim Employer Branding. Menschen bewerben sich bei uns, weil sie schätzen, dass wir an die Zukunft denken. Sie haben Ihre CO2-Emissionen halbiert und kompensieren den Rest. Palmöl ist seit 2016 komplett ersetzt. Mehr als 200 Tonnen Verpackung wurden bei Markenprodukten in Deutschland eingespart.  

Ihre Kälteanlage arbeitet mit Wärmerückgewinnung und die neue Abwasseranlage mit integrierter Biogaserzeugung … 

Wir sind eine der wenigen Marken, die „klimaneutral“ aufs Produkt schreiben können, ohne verklagt zu werden.  

Keine Greenwashing-Vorwürfe? 

Nein, aber die Kompensation mit Klimazertifikaten löst bei mir zunehmend Unbehagen aus. Es haben einfach zu viele Konzerne diese Idee missbraucht und ihre CO2-Bilanz damit frisiert. Inzwischen hat die Kompensation ein so schlechtes Image, dass wir sie nicht fortsetzen werden. Ich stecke das Geld lieber in Investitionen, die der Umwelt wirklich helfen.  

Heißt was? 

Wir wollen auf eine grüne Null kommen. Ohne Kompensation.  

Wie wollen Sie das schaffen? 

Durch ein Maßnahmenbündel, zu dem die Elektrifizierung des Fuhrparks, Dampferzeugung auf Strombasis und der Einsatz natürlicher Kältemittel gehört – wir beschäftigen uns zum Beispiel mit dem Konzept von Eisspeichern. Das Wichtigste ist aber unsere Grünstrom-Initiative. Wir richten einen sogenannten Bilanzkreislauf ein, in den wir unseren eigenerzeugten Strom einspeisen und dem auch befreundete Unternehmen beitreten können. Im ersten Schritt haben wir alle geeigneten Dächer mit Photovoltaik bestückt und außerdem eine eigene Firma zur Grünstromproduktion gegründet, die Sustainable Exergy. Sie errichtet derzeit in Mecklenburg-Vorpommern eine Anlage, die dreimal so viel Solarstrom erzeugen wird, wie wir bisher auf allen Dächern herstellen. Wir werden auch in Windkraft investieren. Ziel ist, an unseren deutschen Standorten bis Ende 2033 klimaneutral zu wirtschaften – echt klimaneutral. 

Klingt ambitioniert. 

Die Großen machen es sich leicht, setzen Ziele wie 2040 oder 2050, dann ist der CEO längst wieder weg. In einem Familienunternehmen ist es anders. Ich möchte nicht, dass mir meine Kinder eines Tages Vorwürfe machen.  

Die neue Strategie bedeutet aber, dass Sie Ihre Produkte vorerst nicht mehr klimaneutral nennen dürfen. 

Die meisten Chargen mit dem Aufdruck dürften längst ausgelaufen sein. 

Keine Angst vor negativen Folgen? 

Nein, denn das Label ist nicht der Kern unseres Marketings. Wir verwenden es erst seit drei Jahren und auch nicht bei allen Produkten. Es muss doch immer ehrlich sein.  

Zum Schluss noch einmal zurück zum Anfang. Die Gurkensole – was passiert im Sommer mit ihr? 

Die Saisonalität kommt uns zupass: Die Vergärung der Gurken beginnt nach der Ernte, die meisten Fässer werden im Winterhalbjahr geleert. Die Sole steht also genau zur richtigen Zeit bereit.  

Zur Person:

Michael Durach ist seit 1999 Geschäftsführer der Develey Gruppe aus Unterhaching. Gemeinsam mit seinem Bruder Stefan Durach führt er das Familienunternehmen. Neben Develey gehören in Deutschland auch die Marken Löwensenf, Bautz’ner, Mautner Markhof, Koch’s und Specht Gurken zur Unternehmensgruppe. Damit ist Develey einer der größten deutschen Hersteller von Saucen und Feinkostprodukten. Im Jahr 2020 wurden Durach und sein Unternehmen für ihre Nachhaltikeitsanstrengungen mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet.  


Quelle: Magazin "Creditreform"
Interview: Christine Mattauch
Bildnachweis: Quirin Leppert / Develey



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