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Eine Frage der Kultur
Gehen Mitarbeiter gern zur Arbeit oder warten sie nur auf eine Gelegenheit, in ein anderes Unternehmen zu wechseln? Mitarbeiterbefragungen liefern nicht nur Antworten auf Fragen wie diese. Sinnvoll genutzt, verbessern sie die Firmenkultur.
Der Kinder- und Jugendbuchverlag Carlsen verstärkt sein Online-Geschäft. Die Molkerei Ehrmann expandiert als Familienunternehmen in die USA, nach Brasilien und Russland. Der Ladenbauer bk Group stand 2006 nach zu schnellem Wachstum vor der Insolvenz.
Veränderungen wie diese können Mitarbeiter schnell überfordern – und im Zweifel dazu führen, dass Engagement und Bindung ans Unternehmen sinken.
Das kann teuer werden. Das Beratungsunternehmen Gallup hat herausgefunden: Innere Kündigungen verursachen einen volkswirtschaftlichen Schaden von bis zu 103 Milliarden Euro pro Jahr. Nur 15 Prozent der Arbeitnehmer fühlten sich in hohem Maße an ihr Unternehmen gebunden, sagt Marco Nink, Gallup-Studienleiter, und „gehen ihrer Arbeit mit Hand, Herz und Verstand nach“.
Beinahe genauso viele (14 Prozent) besitzen keine emotionale Bindung zum Unternehmen und haben bereits innerlich gekündigt. Der Rest macht Dienst nach Vorschrift.
Alarmierende Zahlen in Zeiten des Fachkräftemangels. Deshalb ist es wichtig, zu erfahren, was Mitarbeiter denken und fühlen. Gerade dann, wenn große Veränderungen anstehen, sollten Führungskräfte wissen, wie ihre Leute zur Firma stehen und was sie verändern möchten. Da hilft nur eins: fragen.
Die bk Group im mittelfränkischen Endsee startete mit Mitarbeiterbefragungen, als dem Unternehmen die Pleite drohte. Gründer und Vorstand Gerold Wolfarth ist dabei geblieben: „Wir befragen unsere 200 Mitarbeiter jetzt alle zwei Jahre online“, sagt er.
Gefragt wird danach, was sich in drei, sechs und zwölf Monaten verändern soll. Die Ergebnisse stellt die bk Group ungeschönt online: „Ohne Transparenz torpediert man das Instrument Mitarbeiterbefragung“, betont Wolfarth.
Das Unternehmen verändern
Die Mitarbeiterbefragungen bewegen vieles bei der bk Group: Fahrradständer, mehr Duschen, sieben Ladestationen für Elektroautos, aber auch Gespräche mit Vorgesetzten, weil sich acht Mitarbeiter nicht anerkannt fühlten, beweisen, dass Antworten der Beschäftigten Verbesserungen bringen.
Mittlerweile haben sie gelernt, dass sich Dinge ändern lassen. Wohl auch deshalb beteiligten sich im November vergangenen Jahres 180 Mitarbeiter.
Den Fragebogen hat der bk-Group-Chef selbst gestrickt. Das passt zu dem Unternehmer, der gerade im Piper-Buch „Gewinn ist nur ein Nebenprodukt“ seine Erfolgs- und Lebensphilosophie in die Öffentlichkeit trägt.
Weniger offensive Firmeninhaber können auf Softwareprodukte, auf Marktforscher oder Diagnostikberater zurückgreifen. Onlinebefragungen bieten Dienstleister wie Surveymonkey ab 32 US-Dollar pro Benutzer monatlich oder Lamapoll ab 50 Euro im Monat, bei bis zu 500 Teilnehmern. Werden solche Standardbefragungen individualisiert, gehen die Preise schnell in die Tausende pro Jahr.
Wird ein begleitender Berater beauftragt, müssen Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern rund 10.000 Euro für Befragung plus Auswertung kalkulieren. „Man kann den Preis aber senken, indem man ausschließlich online und mit Webinaren arbeitet“, relativiert Psychologe Gerhard Bruns.
Branchenvergleiche ziehen
Wer Diagnostiker wie Bruns mit seinem Münchner geva-Institut oder Stefan Miklic von ISPA Consult beauftragt, erhält neben der Fragebogenentwicklung vor allem anonymisierte Daten fürs Benchmarking: Sind die Mitarbeiter unzufriedener als im Branchenschnitt oder in gleich großen Firmen?
Diese Fragen sind besonders in Zeiten des Fachkräftemangels wichtig. Denn ob sich ein Angestellter rauskaufen lässt, hat zwar mit dem Gehalt, aber auch mit Identifikation, Loyalität und Wertschätzung zu tun. „Da lohnt es sich, mit der Lupe ins Unternehmen zu schauen“, meint Betriebswirt Miklic – und hat dies seit 2009 bei den 300 Mitarbeitern von Carlsen schon mehrfach getan.
Überstunden und Vorgesetztenwechsel spielen in den Antworten eine Rolle. In den Mitarbeiterbefragungen traten auch Wünsche nach Schallschutzmaßnahmen im Großraumbüro und höhenverstellbaren Schreibtischen zutage, denen das Unternehmen nachkam. „Wir können mit den Antworten die Stimmungslage objektivieren und konkreter auf Wünsche reagieren“, sagt Carlsen-Geschäftsführer Joachim Kaufmann.
Genau das wollte auch Ehrmann im Allgäu, als die Molkerei-Gruppe 2017 das geva-Institut beauftragte. Der Fragebogen wurde ins Englische und Russische übertragen, um zu eruieren, ob der firmenprägende Familiensinn und die Werte Offenheit und Fairness auch in den ausländischen Standorten ankommen. Die eigentliche Arbeit beginnt nach der Befragung.
„Die Umfrage war noch das Leichteste“, erinnert sich Ronald Barnsteiner. „Die Nacharbeit ist spannend.“ Entsprechend umfangreich gestaltet sich die To-Do-Liste des Leiters HR Management bei Ehrmann: Talentmanagement und der Umgang mit Auszubildenden sollen modernisiert, das Aufgreifen von Ideen verbessert, das Kommunikationstempo zwischen den Abteilungen erhöht werden. Damit Familiensinn auch an den neuen Standorten ein fester Bestandteil der Firmenkultur wird.
Mitarbeiter befragen – so geht’s
- Fragen Sie alle Mitarbeiter, damit sich niemand zurückgesetzt fühlt.
- Kündigen Sie vor der Befragung an, wie Sie mit den Ergebnissen umgehen werden.
- Sorgen Sie für Vertraulichkeit. Setzen Sie sich mit den negativen und positiven Ergebnissen auseinander.
- Präsentieren Sie offen, was die Mitarbeiter geantwortet haben. Kalkulieren Sie bei der Präsentation Zeit zur Diskussion ein.
- Setzen Sie Verbesserungsvorschläge zeitnah um.
- Beziehen Sie Mitarbeiter, Betriebsrat und Führungskräfte bei der Umsetzung ein.
Text: Ruth Lemmer
Quelle: geva-Institut