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Immer noch wird gegründet - aber nicht überall
Gründungen und Löschungen von Unternehmen gehören zur Marktwirtschaft. Hohe Gründungszahlen zeugen von der Innovationskraft einer Volkswirtschaft, das Ausscheiden von Betrieben schafft Platz für neue, marktgerechte Unternehmen.
Aktuell stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf das Gründungsgeschehen in Deutschland hat. Das ZEW hat auf der Basis der Creditreform Datenbank eine Auswertung vorgenommen, die Aufschluss darüber geben kann, ob es im Zeichen von Lockdown und Krise weniger Gründungsinitiativen gegeben hat und auf der anderen Seite mehr Unternehmen als vorher vom Markt verschwunden sind.
Gründungen so schwach wie eh und je
Zunächst einmal zeigt sich, dass das Gründungsgeschehen wenig von der Pandemie betroffen scheint. Gegenüber 2019 ist die Anzahl der Neugründungen um 0,3 Prozent gesunken. Damit bleibt es beim langfristigen Trend von gut 160.000 Gründungen wirtschaftsaktiver Unternehmen im Jahr. Eine Entwicklung, die 2012 eingesetzt hat und sich seitdem nur mit geringen Ausschlägen in den einzelnen Jahren auch in der Krise im letzten Jahr fortgesetzt hat.
Ein scharfer Blick auf den Verlauf des Gründungsgeschehens in den einzelnen Monaten des Jahres 2020 zeigt allerdings, dass sich Zahl der neuen Unternehmen im Zusammenhang mit der Pandemie doch deutlich unterschiedlich darstellt. Kurzfristige Schwankungen sind festzustellen: So wurden im Frühjahr, als der harte Lockdown mit umfassenden Schließungen durchgesetzt wurde, deutlich weniger Unternehmen gegründet. Dagegen waren im Sommer, Herbst und Winter höhere Zahlen an neuen Unternehmen zu registrieren. Dieser Einbruch bei den Gründungszahlen hängt sicher mit den Restriktionen zusammen, die die Ämter und ihre personelle Besetzung betrafen. Schließlich hat man die Planungen für ein neues Unternehmen auf die Folgemonate verschoben und dann überdurchschnittlich viele neue Betriebseinheiten geschaffen.
Ein differenzierter Blick ist nötig, wenn es um die Entwicklung des Gründungsgeschehens im Hinblick auf die unterschiedlichen Branchen geht. Dabei ist es besonders aufschlussreich, diese Zahlen mit denen der Jahre 2008/2009 zu vergleichen. Auch dies waren Krisenjahre und auch damals waren in der Finanzkrise Gründungen sowie Löschungen von Unternehmen betroffen.
Branchen: Gewinner und Verlierer
Auf der Hand liegt wohl, dass bei den konsumorientierten Dienstleistern die stärksten Rückgänge zu verzeichnen sind. Diese Branche war am stärksten von Schließungen betroffen. Gegenüber 2019 wurden 5,8 Prozent weniger Betriebe gegründet. Branchen wie das Gastgewerbe, Friseure, Kinos und freiberufliche sowie kreative Tätigkeiten waren verboten oder stark eingeschränkt. So verzeichnete das Gastgewerbe einen Rückgang von 25 Prozent und es gab hier nur noch 11.000 Neugründungen 2020 gegenüber 15.000 im Jahre 2019. Dienstleistungen wie etwa Kosmetiksalons oder Solarien erfuhren einen markanten Rückgang beim Gründungsgeschehen von knapp 8 Prozent.
Weniger klar ist der Rückgang bei den Gründungen im Bausektor. Er betrug 2020 mehr als 13 Prozent. An dieser Stelle ist dann ein Blick auf die Krise 2009 angebracht. Damals war es im Bau zu einer Verstärkung der Gründungstätigkeit gekommen. Dabei handelte es sich in vielen Fällen um Notgründungen, die von Personen vorgenommen wurden, die in der Krise ihre Arbeit verloren hatten und nun in der Selbstständigkeit ihr Heil suchten. Bei den Dienstleistern mit einem konsumorientierten Angebot war es 2009 gegenüber 2008 zu einem deutlichen Anstieg um knapp 6 Prozent gekommen. Dabei ist festzuhalten, dass eine Gründung weniger kapitalintensiv und ein Ausscheiden entsprechend weniger kritisch ist. Tatsächlich erfolgte in den Jahren nach der Krise mit ihren hohen Gründungszahlen einer Welle von Löschungen. Aufgrund des Baubooms sind die Beschäftigungsmöglichkeiten aktuell in dieser Branche nach wie vor günstig – Selbstständigkeit ist deshalb keine Option.
Der Politik und Öffentlichkeit liegen im Zusammenhang mit dem Gründungsgeschehen besonders die zukunftsorientierten Branchen am Herzen. Wie steht es in Deutschland um neue Betriebe im forschungs- und technologieintensiven Bereich? Hier sind teilweise gegenläufige Entwicklungen festzustellen. So zeigten sich der Fahrzeugbau und der Maschinenbau entweder wenig verändert gegenüber der langfristigen Entwicklung der Vorjahre oder es kam, etwa im Fahrzeugbau, sogar zu leichten Rückgängen. Hintergrund dafür ist wohl die unsichere Entwicklung der letzten Jahre, die geprägt ist von der Umstellung auf neue technologische Anforderungen wie etwa den Elektromotor oder den Umweltschutz. Ganz anders ist die Situation im Bereich Pharmazie/Chemie, aber auch bei den Herstellern von Informations- und Kommunikationsgeräten. Auch IKT-Dienstleister konnten bei den Gründungen zulegen. Dabei ist festzuhalten, dass sich in diesen hochspezialisierten Bereichen die Gründungszahlen eher im kleinen drei- bis vierstelligen Bereich befinden.
Die Gründe für diese Entwicklungen lassen sich hier aus einem historischen Vergleich mit der Situation von 2008 und 2009 ablesen. Damals profitierte die Automobilindustrie und die ihnen angeschlossenen Zulieferer etwa von der Abwrackprämie. Heute, im Zeichen der Krankheitsbekämpfung, gewinnt der Bereich Pharmazie/Chemie an Bedeutung und motiviert mit seinen Erfolgsgeschichten manchen Neugründer. Im IT-Bereich spielt für die Selbstständigkeit sicher eine Rolle, dass mit dem Homeoffice neue Anforderungen gestellt werden, die für manchen Neugründer einen lukrativen Markt bedeuten.
Gespaltene Entwicklung im Einzelhandel
Exemplarisch deutlich wird der Einfluss der Corona-Krise 2020 beim Gründungsgeschehen im Einzelhandel. So nahmen im Internet-basierten Handel die Gründungen um 7 Prozent zu. Bei Produktgruppen, die weniger online zu verkaufen sind, wie Einrichtungsbedarf, Textilien oder Heimwerker-Utensilien, waren die Gründungszahlen dagegen rückläufig.
Unter dem Strich zeigen sich die Gründungszahlen insgesamt wenig beeindruckt vom Krisengeschehen rund um die Pandemie. Ein Blick allerdings auf die Branche und der Vergleich zur Krise der Jahre 2008 und 2009 macht aber doch deutlich, welchen Einfluss Corona auf das Gründungsgeschehen 2020 hatte.