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Insolvenzen in Europa rückläufig

Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa hat sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen 2020 verringert. Trotz der Pandemie, die in den Ländern der Union und darüber hinaus zu Schließungen und beinahe zum Erliegen der wirtschaftlichen Tätigkeit geführt hatte, kam es zu einem Rückgang der Insolvenzen.

Die Gründe für diese Entwicklung sind schnell genannt: Die Pflicht zur Insolvenzanzeige wurde aufgehoben und es kam zu einer Vielzahl von Unterstützungsmaßnahmen für die notleidenden Unternehmen, die Liquidität sicherten und Arbeitsplätze zu erhalten suchten. Die Aktionen waren vielfach national geprägt, wurden aber auch auf europäischer Ebene verabschiedet. Dabei spielt die Politik des „billigen Geldes“ der EZB eine wichtige Rolle: Sie half einerseits, fiskalische Opfer zu vermeiden, auf der anderen Seite aber trieb sie die Verschuldung der Staaten weiter in die Höhe.

Gute Konjunktur vor dem Einbruch

Im Rahmen der seit nunmehr über 30 Jahren durchgeführten Analyse zur europäischen Insolvenzsituation durch die Creditreform Wirtschaftsforschung werden 15 westeuropäische EU-Staaten plus Norwegen und die Schweiz zusammengefasst. Diese 17 Länder verzeichneten insgesamt 119.000 Insolvenzen im Jahr 2020. Damit kam es gegenüber dem Vorkrisenniveau 2019 zu einem deutlichen Rückgang: Vor zwei Jahren waren noch fast 163.000 Unternehmensinsolvenzen zu zählen – ein Minus von 26,9 Prozent. Dabei war es schon in den Vorjahren zu Rückgängen gekommen, was der guten europäischen Konjunktur zu verdanken war, die die zweite Hälfte der Dekade bestimmte.

Bei den markant unterschiedlichen Zahlen, die die einzelnen Länder im Hinblick auf die Pleiten ihrer Unternehmen angaben, ist auf die national unterschiedliche ökonomische und juristische Situation zu verweisen. Zum einen ist der Besatz an Unternehmen in den Ländern, korrespondierend mit ihrer Größe und ihrer wirtschaftlichen Entwicklung, höchst unterschiedlich. Hinzu aber kommen die verschiedenen Rechtssysteme, mit denen Insolvenzen in den einzelnen Ländern geregelt sind. So spielt in einigen südeuropäischen Ländern ein Insolvenzverfahren nur eine geringe Rolle, wenn es um den Austritt eines Unternehmens geht. In einigen Fällen kommt es nicht einmal zu einer Löschung – der Betrieb bleibt als „Unternehmensruine“ erhalten. So machen alleine die Länder Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien mit jeweils fünfstelligen Insolvenzzahlen mehr als die Hälfte des gesamten westeuropäischen Geschehens aus.

The Big Four

Frankreich hatte 2020 mehr als 31.000 Unternehmensinsolvenzen hinzunehmen (im Vorjahr waren es allerdings noch mehr als 51.000 Fälle), in Deutschland zählte man 2020 rund 16.000 Insolvenzen, in Großbritannien 13.000 und in Italien schließlich gut 10.000 Unternehmenszusammenbrüche. Bezeichnend für die aktuelle Situation ist, dass die aktuellen Zahlen noch unter dem Niveau der letzten großen Krise 2008 liegen. In Deutschland, Frankreich und in den Benelux-Staaten konnte seit der Finanzkrise bei den Insolvenzen ein Rückgang beobachtet werden, der weiter anhält.

Bilanzen – die Kennziffern stimmten

Auf Basis der Auswertung der Bilanzen von knapp 3,2 Millionen Unternehmen in Westeuropa im Jahr 2019 lassen sich Rückschlüsse auf die finanzielle Situation und damit die Stabilität der Betriebe vor dem Ausbruch der Pandemie ziehen. Aufgrund der nachlaufenden Publikationspflicht liegen keine Vergleichsdaten für die Krise selbst (Jahr 2020) vor, dennoch lassen sich aufgrund der Kennziffern aus der Rechnungslegung Erkenntnisse gewinnen, wie solide die Betriebe in die schwere Zeit der Corona-Krise gegangen sind.

Tatsächlich zeigen die Zahlen von 2019, dass die Betriebe gestärkt in die Anforderungen des Lockdowns gestartet sind. So waren 17,4 Prozent der Unternehmen mit einer komfortablen Gewinnmarge von mehr als 25 Prozent bezogen auf den Umsatz ausgestattet. 2012 waren es nur 14 Prozent. Und immerhin weitere 17,2 Prozent erreichten noch eine Gewinnmarge zwischen zehn und 25 Prozent. Hinzuzufügen ist allerdings, dass 21,9 Prozent der Unternehmen rote Zahlen schrieben und nur eine negative Gewinnsituation aufwiesen. Aber auch hier ist der Anteil gesunken – gegenüber 2012 um 6 Prozentpunkte. Einen Hinweis auf die Situation in der Krise geben auch die unterschiedlichen Zahlen der Branchen: So schrieb 2019 im Handel fast jedes vierte Unternehmen rote Zahlen (23,4 Prozent). Angesichts der starken Betroffenheit dieses Wirtschaftsbereichs in der Krise stimmen diese Hinweise für das Überleben der Betriebe doch sehr nachdenklich.

Warten auf aktuelle Zahlen

Eine weitere wichtige Bilanzkennziffer stellen die Eigenkapitalquoten dar. Erfreulich ist, dass im Jahr vor der Krise die Eigenkapitalquoten der westeuropäischen Unternehmen noch einmal zulegen konnten. Eine starke Eigenkapitalbasis mit einer Quote von mehr als 50 Prozent wiesen 2019 46,5 Prozent der Betriebe auf – gegenüber dem Vorjahr noch einmal ein Zugang von einem Prozentpunkt. Entsprechend zeigen sich Abnahmen bei den Bilanzen, die 2019 nur eine dürftige Eigenkapitalquote von unter 10 Prozent aufwiesen. Vor allem über den längerfristigen Zeitraum bis zurück ins Jahr 2012 konnte hier ein Rückgang von 3,1 Prozentpunkten geschaffen werden. Allerdings waren 2019 immer noch knapp 22 Prozent aller Betriebe mit einer so dürftigen Eigenkapitalausstattung unterwegs.

Ein Stabilitätsanker lässt sich vor der Krise bei den Forderungslaufzeiten erkennen: Lieferanten konnten ihre Rechnungen schneller einbringen und die Gesamtforderungslaufzeit hat sich von 52,2 (2018) auf 50,8 Tage (2019) verringert. Während es in Deutschland gut 28 Tage waren bis zum Zahlungseingang, warteten die Lieferanten in Italien fast 90 Tage auf ihr Geld.

Die Bilanzzahlen vor der Krise mögen optimistisch stimmen, die Insolvenzzahlen im Krisenjahr 2020 rückläufig sein, dennoch werden die Maßnahmen des Lockdowns und die rückläufige Wirtschaftsentwicklung im nächsten Jahr – zusammen mit dem Auslaufen der Hilfsmaßnahmen – wohl in ganz Westeuropa für einen Wiederanstieg der Insolvenzen bei den Unternehmen sorgen.



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