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Investitionsbereitschaft: „Die Pferde saufen wieder“
Die Bruttoinvestitionen in Deutschland hatten sich im Zeichen der Corona-Krise negativ verändert. Ein deutliches, zweistelliges Minus bestimmte die Quartale bis zu den ersten drei Monaten des laufenden Jahres. Im zweiten Vierteljahr 2021 wiesen die Bruttoanlageinvestitionen gegenüber dem Vorjahreszeitraum wieder ein deutliches Plus von 17,3 Prozent aus.
Die Investitionsfreudigkeit ist ein wichtiger Anhaltspunkt bei der Beurteilung der gesamten volkswirtschaftlichen Entwicklung. Ein Stimmungsindikator gibt immer nur eine Gefühlslage wieder, zum Schwur kommt es erst, wenn der Unternehmer sich fragt, ob es sich lohnt, Geld in die Hand zu nehmen, um seine Anlagen zu erweitern oder neue Produktionsformen zu installieren. Die Creditreform Wirtschaftsforschung hat gefragt, wie der Mittelstand aktuell im Herbst zu den Investitionen steht. Antworten im Hinblick auf Optimismus oder Pessimismus bei der Erwartungshaltung werden hinfällig, wenn es tatsächlich darum geht, zu investieren.
Konjunktur schafft Investitionen
Die Historie der Investitionsbereitschaft über die letzten zehn Jahre ist ein Spiegel der wirtschaftlichen Entwicklung. Im Zuge der Nachwirkungen der Finanzkrise waren nur gut 47 Prozent der Befragten kleinen und mittleren Betriebe 2012 zu Investitionen bereit. Dann geht die Investitionsbereitschaft bis zu einem Höhepunkt 2018 zusammen mit der guten Konjunktur: Ein Höchstwert von 53,1 Prozent wurde 2018 erreicht. Im Vorjahr traf die Krise auch die Investitionen – nur noch 45,5 Prozent der Befragten gaben sich investitionsbereit. Aktuell ist dieser Wert wieder auf 51,6 Prozent gestiegen.
Besonders positiv bleibt dabei festzuhalten, dass es vor allem Erweiterungsinvestitionen sind, die jetzt auf der Agenda der Betriebe stehen. Zum ersten Mal seit 2014 hat sich das Verhältnis von Ersatz- zu Erweiterungsinvestitionen zugunsten letzterer verändert. So gaben 57,2 Prozent der Befragten an, neue Kapazitäten schaffen zu wollen während 56 Prozent davon sprachen, eher in den Ersatz und die Reparatur bereits eingesetzter Betriebsmittel zu investieren. Im Vorjahr waren es 61,6 Prozent und bei den Erweiterungsinvestitionen 55,3 Prozent.
Weil die Position des Mittelstandes zu den Investitionen so wichtig ist für die weitere Entwicklung der Konjunktur, wurden die Fragen differenzierter. Auf die Frage, welche Investition man für besonders wichtig erachte, wurde an erster Stelle die Digitalisierung genannt. Mit 61,7 Prozent der Nennungen lag dieser Bereich weit vorn. Sachinvestitionen in Anlagen, Gebäude oder Maschinen etwa lagen mit 54 Prozent erst an zweiter Stelle. Es waren vor allem Dienstleister und der Einzelhandel, die bei der Digitalisierung den Schwerpunkt ihrer Investitionen sehen. Anzumerken ist weiter, dass nur knapp 10 Prozent der Unternehmen im Bereich Forschung und Entwicklung investieren wollen. Positiv dazu äußerte sich vor allem der Dienstleistungsbereich. Dabei ist allerdings festzuhalten, dass Mittelständler sich Gelder für gezielte Innovationen weniger leisten können. Im Gegensatz zu Großunternehmen steht der mittelständische Betrieb in seinem Überlebenskampf vor täglichen Herausforderungen, die einen Einsatz für Zukunftshorizonte, die durch wissenschaftlich fundierte Innovationen zu schaffen wären, weniger naheliegend machen.
Die Mitarbeiter machen den Unterschied
Zu den positiven Aussagen zur Digitalisierung passt es, dass 60 Prozent der Befragten in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter im Hinblick auf Digitales investieren wollen. Führend sind bei den positiven Antworten zur Weiterbildung die Branchen „Verarbeitendes Gewerbe“ und „Dienstleistung“. Mittelständische Betriebe sind geprägt von einem engeren persönlichen Arbeitsverhältnis zwischen Führung und den gesamten Mitarbeitern auf den weiteren Ebenen. Kleinere Betriebe haben so in den Mitarbeitern tatsächlich ihr wichtigstes Kapital.
Nicht nur die Konjunktur spielt eine große Rolle, wenn es um die Frage geht, ob es sich lohnt, zu investieren. Es sind auch die wirtschaftspolitisch bestimmten Rahmenbedingungen, die darüber entscheiden, ob der Unternehmer glaubt, dass sich Investitionen zum aktuellen Zeitpunkt lohnen. Was wünschen sich Deutschlands Mittelständer von der Politik, damit Investitionen auf die Tagesordnung gesetzt werden? Ganz überwiegend ist es der Abbau von bürokratischen Hürden, der auf der Wunschliste der Betriebe steht. Es ist bekannt, wie schwierig es in Deutschland ist, etwa Genehmigungen für Erweiterungen des Betriebsgeländes zu bekommen, wie schwierig die Auseinandersetzung mit Vorgaben zum Umweltschutz und schließlich auch bei der Einstellung sowie Schaffung von Arbeitsbedingungen für neue Mitarbeiter ist. So sprachen sich 86,9 Prozent dafür aus, dass Bürokratie weiter abgebaut wird. Rund die Hälfte der Befragten (50,1 Prozent) wünscht eine Optimierung der Förderprogramme. Gerade in der Corona-Krise war viel davon die Rede, dass die zur Verfügung gestellten Gelder nur schwierig zu erhalten seien. Ganz schlicht: Die Fördermaßnahmen kamen bei den notleidenden Betrieben nicht an. In diesem Zusammenhang sprachen knapp 30 Prozent der Mittelständler davon, dass stärker Beratungsstellen für Förderprogramme einzurichten seien.
Ihr Budget für die Investitionen bringen 21 Prozent der Befragten auf ein höheres Niveau als im Vorjahr. Die meisten Betriebe (69,7 Prozent) wollen oder können ihre Finanzmittel für Investitionen nicht verändern. Weitere 8,1 Prozent sehen sich zu einer Reduzierung ihrer Investitionen bewegt. Es ist davon auszugehen, dass die Investitionen, die infolge der Corona-Krise unterblieben sind, nun nachgeholt werden. Mehr als ein Drittel der mittelständischen Unternehmen hat davon gesprochen, dass Investitionen aufgrund des Lockdowns ausgeblieben waren oder zurückgestellt wurden. Dies war vor allem im Verarbeitenden Gewerbe der Fall.
Das Investitionsverhalten des Mittelstandes insgesamt, besonders aber seine Affinität zum Thema Erweiterung und zur Digitalisierung, zeigen, dass die Investitionskrise wohl überstanden ist. Es ist also kein bloßes Lippenbekenntnis, wenn die Erwartungen als positiv bewertet werden und tatsächlich investiert wird.
Quellen: Creditreform, BMWi und Destatis