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Mehr Gründer? Bessere Gründer!
Die Zahl der Gründungen neuer Unternehmen ist in Deutschland rückläufig. Klarheit besteht darüber, dass ein Mangel an neuen Betrieben negative Auswirkungen auf eine Volkswirtschaft hat: Die Innovationskraft sinkt und die Erneuerung der Unternehmenslandschaft gerät ins Stocken – mit all ihren negativen Folgen für den Arbeitsmarkt und die Produktivität. Weniger klar sind die Gründe für das schwache Gründungsgeschehen. Kommt es vielleicht zu einem Mentalitätswandel? Sind die (bürokratischen) Hürden zu hoch?
Eine große Rolle für das Gründungsgeschehen spielt der Arbeitsmarkt. Bei hoher Beschäftigung spielt die Option, sich selbstständig zu machen, keine große Rolle. Auf der anderen Seite führt eine große Zahl von Arbeitslosen zu mehr Selbstständigkeit, ist doch hier noch eine (letzte) Möglichkeit zum Gelderwerb gegeben. Bekannt ist dieses Phänomen als „Selbstständigkeit aus Not“ gegenüber einer Selbstständigkeit aus unternehmerischem Antrieb. Sei es die Aussicht auf einen höheren Verdienst, die Umsetzung einer Idee oder einfach die Freiheit der Selbstständigkeit gegenüber einem Arbeitsleben in Anstellung.
Lieber selbstständig als arbeitslos
In Deutschland werden jedes Jahr bis zu einem Viertel aller neuen Unternehmen von Arbeitslosen gegründet. Das ZEW hat nun den Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Selbstständigkeit genauer betrachtet. Ergebnis: Arbeitslose, die sich selbstständig machen, sind im Schnitt weniger erfolgreich, wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg Arbeitslosengeld bezogen haben. Und: Ein längerer Anspruch auf Arbeitslosengeld führt bei vielen Betroffenen dazu, dass sie länger arbeitslos bleiben. Dies hat wiederum negative Auswirkungen auf den Erfolg der Gründungen aus der Arbeitslosigkeit. Es sind vor allem zwei Ursachen, die dafür sorgen, dass lange Arbeitslosigkeit zum Misserfolg als Unternehmer führt. Zum einen führt die Ferne zur Berufstätigkeit zu einem Verlust an Kenntnissen und Fertigkeiten, zum anderen könnte die Bonität leiden. Kaum eine Gründung ist mit eigenen Finanzmitteln zu stemmen, Kredite sind nötig, die aber für einen Langzeitarbeitslosen schwieriger zu bekommen sind. Die Autoren der ZEW-Studie sprechen sogar von einer „Stigmatisierung“ bei den Verhandlungen zur Fremdfinanzierung. Hinzu kommt wohl ein weiterer Aspekt: Die lange Arbeitslosigkeit nagt am Selbstwert und an der Motivation, zwei Persönlichkeitszüge, die für ein erfolgreiches Unternehmerleben unabdingbar sind. Co-Autor Martin Murrmann sieht aber auch einen Vorteil der Auszeit vom Berufsleben: „Andererseits ermöglicht eine längere Bezugsdauer auch eine bessere Vorbereitung. Potenzielle Gründerinnen und Gründer können in dieser Zeit Fortbildungen besuchen und eine Markteintrittsstrategie erarbeiten.“
Höhe und Dauer des Bezugs von Arbeitslosengeld 1 hängen von den Einzahlungen und den Versicherungsjahren ab. Dabei hat es immer wieder – viel diskutierte Änderungen – gegeben. Die Wissenschaftler nutzen diese Reformen, um die Wirkung der Bezugsdauer auf den Erfolg von Startups, die aus der Arbeitslosigkeit heraus gegründet werden, zu untersuchen. Dazu unterstützte sie ein neugeschaffener Datensatz, der Umfragedaten von Gründern und deren Sozialversicherungsdaten kombiniert. Sie betrachteten etwa 1.300 Gründerinnen und Gründer, die unmittelbar vor der Gründung arbeitslos waren und die genügend Beitragsmonate angesammelt hatten, um Anspruch auf die volle Dauer des Arbeitslosengeldbezuges zu erhalten.
Weniger Umsatz und Personaleinstellungen
Entscheidend ist die beschriebene Unterscheidung von Selbstständigkeit als Chance und Selbstständigkeit aus Notwendigkeit. Je länger ein zukünftiger Gründer Anspruch auf Unterstützung durch Arbeitslosengeld hat, desto stärker die Notwendigkeit der selbstständigen Erwerbstätigkeit vor dem Auslaufen der Unterstützung. Interessant ist auch, dass mit jedem Monat an zusätzlichem Anspruch auf Arbeitslogengeld 1 die tatsächliche Arbeitslosendauer zukünftiger Gründer um einen halben Monat ansteigt. Woran ist der Erfolg des Unternehmens und seiner Gründer nun zu messen? Die Autoren der Studie halten fest: Mit der Dauer der Arbeitslosigkeit sinkt das Wachstum der Startups im Hinblick auf Umsatz und Beschäftigung im Vergleich zu Startups von Gründern, die weniger lang Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Aufschlussreich wäre es natürlich auch, einmal unter den Unternehmensinsolvenzen nach der früheren Arbeitslosigkeit der Gründer zu sehen.
Angesichts dieser Ergebnisse fragt es sich, ob der Staat nicht über die Länge der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld die Gründerqualität positiv beeinflussen könnte. Diese Schlussfolgerung lehnen die Autoren der Studie ab. Sie sehen gerade auch angesichts der aktuellen Krise am Arbeitsmarkt eine andere Aufgabe: „… dass die Arbeitsagentur möglichst frühzeitig die neuen Arbeitslosen über Ihre Fertigkeiten und beruflichen Perspektiven intensiv befragen und analysieren sollten. Durch schnelle und gezielte Weiterbildungsmaßnahmen könnten die Chancen für all diejenigen, die weiterhin abhängig beschäftigt bleiben wollen, verbessert werden. Wer hingegen eine gute Geschäftsidee hat, sollte bei der Erstellung eines Businessplans beraten werden und eine passgenaue Startup-Förderung erhalten.“
Quelle: ZEW