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Niedrig-Preise
Der Markt für Beteiligungen brach mit dem Lockdown dramatisch ein. Mit Blick auf das dritte Quartal könnte sich das Geschäft wieder beleben. Investoren allerdings zeigen kein flächendeckendes Interesse, sondern entscheiden abhängig von Branche und Anlass des Kapitalbedarfs. Welche Perspektiven sich Unternehmern in diesem Umfeld bieten.
Vor sechs Jahren gegründet, inzwischen 13 Mitarbeiter, erfolgreich mit innovativen Produkten: „Wir wachsen selbst in Zeiten von Corona im zweistelligen Bereich“, sagt Raphael Vollmar, Geschäftsführer der Firma Rheinland Distillers in Bonn. Dabei entfiel ein guter Teil des Umsatzes im vergangenen Jahr auf die Gastronomie. Vor allem der alkoholfreie Gin „Siegfried Wonderleaf“ verzeichnet eine hohe Nachfrage. „Wir sichern uns damit auf dem Weltmarkt eine Alleinstellung“, sagt Vollmar. Das Unternehmen vertreibt sein Angebot in 13 Ländern.
„Wir wachsen selbst in Zeiten von Corona im zweistelligen Bereich.“
Raphael Vollmar, Rheinland Distillers
Im August dieses Jahres stieg einer der führenden Spirituosenhersteller, Diageo, vertreten durch seine Kapitalbeteiligungsgesellschaft Distill Ventures, bei Rheinland Distillers ein. Das Konzept der Rheinländer entsprach den Vorstellungen des britischen Investors, der Marken wie Johnnie Walker, Baileys oder Guinness führt. „Siegfried betreibt ein Modell, das dem Verbraucher eine große Auswahl bietet, sowohl mit einem preisgekrönten Gin als auch mit einer alkoholfreien Alternative. Wir freuen uns darauf, bei der Beschleunigung des Siegfried-Geschäfts zu unterstützen“, kommentiert Elizabeth Brown, Group Strategy Director Diageo die Beteiligung. Mit dem erhöhten Kapital wollen die Bonner jetzt weiter international expandieren. Die Verhandlungen mit dem Investor starteten bereits vor fast zwei Jahren. Und trotz Corona wurden sie in diesem Sommer intensiviert und zum Abschluss gebracht.
Projekte blieben auf der Strecke
Damit ist dieser Deal einer von wenigen, die in der Krise realisiert wurden. „Die Gesellschaften kümmerten sich während der ersten Corona-Monate eher um ihr bestehendes Portfolio als um neue Investments. Damit waren ihre Kapazitäten gebunden“, sagt Arno Fuchs, Geschäftsführer der FCF Fox Corporate Finance GmbH in München, ein auf strukturierte Lösungen mit Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten ausgerichteter Finanzierungsspezialist. Überdies bestand während des Lockdowns und danach hohe Unsicherheit. „Viele Projekte blieben auf der Strecke“, so Fuchs. Der Experte rechnet aber für das vierte Quartal dieses Jahres mit einem wieder anziehenden Geschäft. „Die Investoren erwarten, dass sich der Markt in bestimmten Branchen stabilisiert und die Zahlen wieder besser werden – wenn auch niemand genau weiß, wann das sein wird. Auf der anderen Seite müssen viele Firmen verkaufen, weil ihnen wegen Corona die notwendige Liquidität und das Kapital fehlen“, erläutert Fuchs. Das dürfte auch zu für die Investmentgesellschaften günstigen Notverkäufen führen.
„Die Preise für den Erwerb sinken. Diese Entwicklung tritt mit leichtem Phasenverzug ein“, bestätigt Max W. Römer, stellvertretender Vorstandssprecher des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften in Berlin und Chairman Quadriga Capital in Frankfurt. Nach der Finanzkrise 2008 war dies ebenfalls zu beobachten, in deren Nachhall sanken die Preise für Unternehmen um 17 Prozent.
Verkäufer sollten abwarten
Experte Fuchs vom Finanzierungsspezialisten FCF empfiehlt deshalb auch, momentan nur in höchster finanzieller Not zu verkaufen: „Wer kann, sollte abwarten, bis die Preise wieder steigen. Das allerdings kann auch einige Jahre dauern – je nach V-, U- oder L-förmiger Erholung der Konjunktur.“ Allenfalls wenn etwa eine Nachfolgesituation gelöst werden müsse, gesundheitliche Probleme in der Unternehmensführung drängen oder anstehende Zukäufe zur Expansion finanziert werden müssten, erscheint aus seiner Sicht eine Beteiligungslösung im aktuellen Umfeld opportun.
Allerdings ist zu differenzieren. „Unternehmen in Branchen wie E-Commerce, Medizintechnik oder IT erweisen sich bisher als recht krisenresistent und stehen momentan gut da. Hier haben die Preise nicht nachgegeben“, erklärt Christian Lömker, der als Investment Manager bei der auf den Mittelstand spezialisierten Hannover Finanz unter anderem für die IT-Branche zuständig ist.
Er unterstützte jüngst zum Beispiel die Übernahme des Softwarehauses Hi-Chart GmbH durch die CP Corporate Planning AG, die zum Portfolio der Hannoveraner Beteiligungsgesellschaft gehört. Der Deal wurde im Mai dieses Jahres trotz Corona realisiert, nach einer Vorbereitungsphase von rund einem Jahr. Beide Unternehmen bieten Software im Bereich der Unternehmenssteuerung. Zu Beginn der Verhandlungen mit der Geschäftsführung der Berliner Hi-Chart ging es nur um eine Kooperation. „Hi-Chart hat ein Produkt zur Visualisierung von Unternehmensdaten im Programm, das unsere Leistungspalette gut ergänzt. Wir hätten eine solche Software selbst auf den Markt bringen können, was für uns aber sehr teuer geworden wäre“, erklärt Matthias Kläsener, CEO der Hamburger Corporate Planning AG. Das Portfolio von Hi-Chart, die Technologien sowie der Managementansatz passten also zu jenen von Corporate Planning. Kläsener: „Für uns waren dies die ausschlaggebenden Kriterien für die Übernahmeverhandlungen und den Deal.“ Er avisiert weitere Transaktionen: „Wir wollen unsere Marktposition ausbauen und stärken. Dafür brauchen wir eine gewisse Größe.“
VERKAUF
„Ein Hurra ist in Krisenzeiten selten zu vernehmen“
Max W. Römer ist stellvertretender Vorstandssprecher des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK). Er erklärt, wie Firmenchefs das Interesse von Investoren wecken.
Die Krise trifft viele Firmen hart. Für wen kann eine Beteiligung eine Lösung sein?
Diejenigen Unternehmen, die in Krisenzeiten einen Beteiligungspartner suchen, haben meistens dringende Gründe – in erster Linie Liquiditätssorgen. Das sind vor allem jene Betriebe, die von Corona sehr betroffen sind. Zum Beispiel die Reisebranche, Gastronomie oder Teile des Einzelhandels. Für Investoren interessante Unternehmen aber sind solche, die sich als krisenresistent erwiesen haben. Dazu zählen Unternehmen aus dem Healthcare-Bereich. Sicher gehören ebenso Firmen dazu, deren Leistungen unverzichtbar geworden sind, wie zum Beispiel Laborbetriebe für medizinische, lebensmitteltechnische, pharmakologische und umweltspezifische Produkte oder Dienstleistungen.
Welche Bedingungen erwarten Investoren, um sich zu engagieren?
In guten wie in schlechten Zeiten muss der Nachweis geführt werden, dass ein zukunftssicheres Geschäftsmodell verfolgt wird. Je robuster es sich in Krisenzeiten präsentiert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, einen geeigneten Partner zu finden. Ein Entscheidungskriterium wird es sein, zusammen mit dem Unternehmen die derzeitigen Herausforderungen kapitalmäßig zu stemmen und so gemeinsam in eine strategisch vielversprechende Zukunft blicken zu können.
Was macht die Attraktivität eines Unternehmens aus?
Ein Produkt ist interessant, wenn der Markt „Hurra!“ ruft. Dieses Hurra hört man in Krisenzeiten selten. In dieser Krise wird es erst erklingen, wenn ein wirksamer und zuverlässiger Impfstoff in gleichbleibend großer Menge zur Verfügung gestellt werden kann. Im Zuge dieser Erkenntnisse ist zu beobachten, dass Unternehmen in der medizinischen Forschung und Entwicklung von Diagnostika und Therapeutika weniger Schwierigkeiten beim Einwerben von Venture Capital und Wachstumsfinanzierungen haben. Das Gleiche gilt für Unternehmen aus dem Automatisierungs- und Digitalisierungsbereich, deren Produkte für die Optimierung von Produktions- und Verwaltungsabläufen nachgefragt werden.
„Wir wollen unsere Marktposition ausbauen. Dafür brauchen wir eine gewisse Größe.“
Matthias Kläsener, CP Corporate Planning AG
Positive Wachstumsprognose gefragt
Generell beschäftigen sich Investoren am liebsten mit Unternehmen, die eine positive Wachstumsprognose aufweisen. Erwartet werden ein professionelles Management in der ersten und zweiten Führungsriege, Offenheit und Transparenz in der Kommunikation sowie eine strategisch orientierte Zusammenarbeit.
Darauf legt auch der britische Spirituosenhersteller Diageo wert. „Die Partnerschaft ist langfristig ausgelegt“, sagt Gerald Koenen, weiterer Geschäftsführer von Rheinland Distillers. Temporäre Ereignisse wie Corona spielten für sie daher keine bedeutende Rolle.
INVESTMENT
Wann ist eine Beteiligung jetzt sinnvoll?
Die niedrigen Preise können krisenresistente Unternehmen dazu veranlassen, gerade jetzt einen weniger gut aufgestellten Konkurrenten zu übernehmen. Arno Fuchs, Geschäftsführer des Finanzierungsspezialisten FCF, gibt diese Empfehlungen.
Aktiv beobachten: Firmen sollten die Entwicklung potenzieller Übernahmekandidaten in ihrer Branche sehr genau unter die Lupe nehmen und proaktiv eine Beziehung aufbauen. Das Monitoring und der Dialog sollten intensiviert werden.
Hausbank involvieren: Die Geldinstitute vergeben Kredite zwar derzeit mit besonderer Vorsicht. Dennoch sind sie bereit, erfolgversprechende Zukäufe zu unterstützen. Rund 30 Prozent Eigenkapital erwarten sie nach wie vor. Die Finanzierungskonditionen und die Darlehenszinsen bleiben günstig.
Integration planen: Der Erfolg von Beteiligungen hängt – egal wie günstig sie erworben wurden – auch davon ab, dass sich die neue Firma reibungslos in die eigene Organisation eingliedern und erfolgreich entwickeln lässt. Dieser Prozess bindet Ressourcen und darf das operative Geschäft nicht überfordern.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Eva Neuthinger