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Richtig vererben: Wie Unternehmer ihre Nachlassregelung schlau gestalten
Unternehmer müssen bei ihrer Nachlassregelung sowohl Privates als auch Betriebliches im Auge haben. So vermeiden Sie Fehler, die die Existenz der Firma gefährden können.
Rund 400 Milliarden Euro werden in Deutschland verschenkt oder vererbt – pro Jahr wohlgemerkt. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung haben in den 15 Jahren von 2002 bis 2017 gut sieben Prozent aller erwachsenen Deutschen eine Erbschaft in Höhe von durchschnittlich 85.000 Euro gemacht. Wohlhabende sind dabei noch reicher geworden: Zehn Prozent der Erben und Beschenkten haben zusammen so viel Vermögen erhalten wie die restlichen 90 Prozent der Begünstigten. Zu jenen, die ihren Nachfahren in der Regel mehr hinterlassen als der Durchschnittsbürger, gehören auch mittelständische Unternehmer. Sie können einen Großteil ihrer Erbschaft als Betriebsvermögen weitgehend steuerfrei übertragen.
Nachlassregelung: Risiko Erbengemeinschaft
Geld, Schmuck und Wertpapiere, Grundstücke, Häuser und Betriebe – Vermögen richtig zu vererben, ist gar nicht so einfach. Vieles kann schiefgehen bei der Regelung des Nachlasses. Selbst in Unternehmerfamilien liegt oft nichts Schriftliches vor, wenn der Vater oder die Mutter überraschend versterben. Dann wird die Erbschaft nach Gesetz geteilt, doch ungeordnete Übergaben privater und betrieblicher Vermögen sorgen regelmäßig für Stress und Ärger. Jeder fünfte Erbfall in Deutschland landet vor Gericht, hat das Institut für Demoskopie Allensbach ermittelt. Von Familien geführte Unternehmen geraten durch Streitigkeiten und Machtkämpfe schnell in Schieflage, weil Entscheidungen blockiert, dringend notwendige Investitionen und strategische Weichenstellungen nicht durchgeführt werden können. Die Folgen: Betrieb und Arbeitsplätze sind in Gefahr. Die Erbschaft wird zum Firmenkiller.
„Eine Katastrophe“ nennt Otto Bretzinger, Jurist und Autor des Ratgebers „Richtig vererben und verschenken“ der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, eine gesetzliche, vom Erblasser aber eigentlich nicht gewollte Erbfolge. Seine Empfehlung: Die Übergabe des Betriebes mit „warmer Hand“, also zu Lebzeiten: „In Übergabe- und Schenkungsverträgen lassen sich bestimmte Vorbehalte von Mitbestimmungsfragen bis zu einem Rücktrittsrecht festlegen. Eine solche notariell beurkundete Regelung ermöglicht dem Unternehmenschef zudem, seinen Nachfolger auf den ersten Metern noch zu begleiten.“
„In Schenkungsverträgen lassen sich bestimmte Vorbehalte festlegen.“
Otto Bretzinger, Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen
Entscheidet ein Unternehmer, dass sein Vermögen erst nach seinem Tod übergeben wird, gilt es, einige wichtige Punkte zu beachten, „um Streit und Chaos zu vermeiden“, sagt Frank Grischa Feitsch, Partner am Berliner Standort der Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft. Er hat Hunderte Nachfolgeplanungen und Erbfälle in mittelständischen Unternehmen begleitet. Grundvoraussetzung sei, dass bei der Nachlassregelung beide Säulen, der Privat- und der Unternehmensbereich, gemeinsam betrachtet werden: „Gerade bei Mittelständlern sind sie eng verknüpft.“ Das betont auch Thilo Hauschild, der bei der Commerzbank für Wealth-Management-Dienstleistungen zuständig ist: „Die Betriebsvermögen mittelständischer Firmen, vor allem von Familienbetrieben, liegen zum Großteil in der Hand des Unternehmers.“
Das Testament muss passen
Einig sind sich Anwalt und Banker auch, dass sich die meisten Firmenchefs zu spät um ihre Nachfolge und die rechtlichen und steuerlichen Risiken im Todesfall kümmern. Vielen falle es schwer, sich über Fragen, die mit dem Tod zusammenhängen, den Kopf zu zerbrechen. Doch das Lebensende kommt oft schneller als gedacht, etwa durch einen Unfall oder eine Krankheit. Feitsch rät deshalb, schon frühzeitig ein handschriftliches Testament aufzusetzen, idealerweise mit Unterstützung eines auf Nachfolgeplanungen spezialisierten Rechtsanwalts und eines Steuerberaters. Es muss aber nicht notariell beurkundet werden und kann jederzeit ohne hohe Kosten geändert werden: „Es ist also nicht unbedingt der letzte Wille, eher der jetzige Wille des Unternehmers.“
Ein zweiter Ratschlag des Anwalts: „Berücksichtigen Sie die Konfliktherde in der Familie! Wo sind Befindlichkeiten, wo könnte Neid oder Wut entstehen?“ Ein klassischer Fall: Ein Vater besitzt ein Einzelunternehmen und hat zwei Kinder, die das Geschäft weiterführen wollen. In solch einem Fall empfiehlt Feitsch, den Betrieb zunächst in eine Gesellschaft zu überführen und im Vertrag das künftige Miteinander der Erben zu regeln. Ein klassischer Fehler von Unternehmern sei, ihren Ehegatten als Alleinerben zu berufen, im Gesellschaftsvertrag aber nur die Kinder als Nachfolger zuzulassen. „Gesellschaftsrecht und Erbrecht spielen zusammen, Testament und Gesellschaftsvertrag müssen also aufeinander abgestimmt sein“, sagt der Anwalt. Deshalb rät Commerzbank-Berater Hauschild ebenfalls, vor dem Erstellen eines Testaments einen Blick in den Gesellschaftsvertrag zu werfen: „Dessen Inhalte müssen auch hinsichtlich der operativen Geschäftsführung nach dem Tod des Chefs mit dem Testament kongruent sein.“
Nachfolgeregelung: Bank kann Impulsgeber sein
Guido Groß, Leiter Kundenmanagement Unternehmerkunden bei der Commerzbank, weist auf das Problem hin, „gerecht“ zu vererben: „Hinterlässt der Verstorbene dem einen Erben Wertpapiere, Barmittel und ein Mietshaus, dem anderen den Familienbetrieb, sollte man sich zuerst fragen, ob beide diese Verteilung auch wollen, und dann an die Wertermittlung insbesondere des Unternehmens gehen. Ist es gerecht, wenn der eine Erbe künftig nichts tun muss, der andere aber die Verantwortung für eine Firma trägt?“ Solche Fragen seien komplex, Entscheidungen schwierig. „Auf Gespräche darüber sollte sich ein Unternehmer aber einlassen“, sagt Groß. Er sieht die Hausbank dabei in einer Rolle als „Impulsgeber“. Sie schaue durch eine andere Brille als der Unternehmer, könne aus der Erfahrung mit anderen Kunden Ideen einbringen, die möglicherweise hilfreich sind.
Streit ums Erbe auflösen
Ein nicht zu unterschätzender Punkt bei der Regelung des letzten Willens: Erbstreitigkeiten binden Kräfte. Und das häufig über Jahre. Ein Unternehmer aber, der auf einem emotional und zeitlich belastenden Nebenkriegsschauplatz kämpft, kann sich nicht zu 100 Prozent um seinen Betrieb kümmern. Maximilian von Elsner, Geschäftsführer des Deutschen Erbenzentrums, führt jährlich zwischen 80 und 100 Gespräche mit Unternehmerfamilien, die von solchen Auseinandersetzungen betroffen sind. „Ein Erbstreit, selbst wenn der Betrieb nicht Teil des Nachlasses ist, wirkt sich negativ auf das Geschäft aus. Bei den unterschiedlichen Interessen in einer Erbengemeinschaft reicht ein einziger Querkopf, um das Unternehmen zu lähmen.“ In vielen Fällen sei die beste Lösung dann der Verkauf des Erbteils: „Betrifft der Streit Anteile des Betriebes, helfen wir beim Herauslösen von Miterben. Geht es um Erbteile außerhalb des Betriebes, ist das Erb-Problem häufig eine Immobilie. Sie kann an einen Investor verkauft werden, um die leidigen Auseinandersetzungen in der Erbengemeinschaft abzuschließen.“ Zwar lasse sich bei der Veräußerung des Erbteils nicht der Verkehrswert einer frei zu verkaufenden Immobilie erzielen, „aber man spart die Kosten eines möglicherweise langen Rechtsstreits mit den Miterben und hat den Vorteil zeitnaher Liquidität“. Das Deutsche Erbenzentrum führt ein Bieterverfahren mit Investoren durch und hat dasselbe Interesse wie der Mandant: einen möglichst hohen Kaufpreis.
Eine Teilungsversteigerung hält der Experte nicht für zielführend: „Diese Alternative zum Verkauf des Erbteils ist wenig attraktiv und langwierig, denn sie ändert nichts an der Erbengemeinschaft. Wenn der Erlös der Versteigerung nach etwa einem Jahr auf dem Gerichtskonto eingeht, müssen alle Miterben der Auflösung der Erbengemeinschaft zustimmen. Weigert sich auch nur einer, bleibt das Geld bei Gericht liegen, bis die Erbauseinandersetzungsklage abgeschlossen wurde. Dies dauert in der Regel mehrere Jahre.“
Erbe ablehnen
Übrigens: Keiner ist verpflichtet, eine Erbschaft anzutreten, wenn er nicht will. Kommt beim Nachrechnen heraus, dass der Verstorbene mehr Schulden als Vermögen hinterlässt, kann ein Erbe den Nachlass ausschlagen. Viel Zeit hat er dafür indes nicht: Die Entscheidung muss innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis des Erbfalls erfolgen.
Fazit: Als Unternehmer sollte man frühzeitig seinen Nachlass regeln. Um Streit und Chaos zu vermeiden, ist es ratsam, alle wesentlichen Punkte in Testamenten, Erbverträgen, Ehe- und Schenkungsverträgen möglichst unmissverständlich zu formulieren. Und häufig ist eine vorweggenommene Erbfolge eine gute Alternative.
Clever Erbschaftsteuern sparen
Die Erbschaftsteuer macht vielen Unternehmern Kopfzerbrechen. Fakt ist: Firmenerben werden vom Gesetzgeber bevorzugt behandelt.
- Führen Erben das Unternehmen mindestens fünf Jahre weiter und beträgt die Lohnsumme in dieser Zeit insgesamt 400 Prozent des Ausgangswerts, ist das Betriebsvermögen zu 85 Prozent steuerbefreit.
- Wird der Betrieb sieben Jahre weitergeführt, entfällt die Erbschaftsteuer sogar komplett, vorausgesetzt die Lohnsumme beträgt zum Fristende insgesamt 700 Prozent des Ausgangswerts.
- Für beide Optionen gilt: Verwaltungsvermögen wie vermietete Immobilien oder Wertpapiere werden nicht verschont.
- Firmen mit weniger als fünf Mitarbeitern brauchen die Lohnsummenregelung nicht einzuhalten.
- Bei der Übergabe von GmbH-Anteilen gilt: Erst ab einer Beteiligungsquote von mehr als 25 Prozent sind die Begünstigungsvorschriften anwendbar. Frank Grischa Feitsch von der Kanzlei Heussen: „Geht es um eine geringere Beteiligungsquote, ist eine Poolvereinbarung mit anderen Gesellschaftern nach den Vorgaben des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes erforderlich, mit denen zusammen die 25-Prozent-Marke überschritten wird.“
- Anteile an gewerblichen Personengesellschaften, zum Beispiel Kommanditgesellschaften, sind unabhängig von der Beteiligungsquote erbschaftssteuerbegünstigt.
- Vorsicht ist geboten, wenn GmbH-Anteile an einen im Ausland ansässigen Nachfolger verschenkt oder vererbt werden sollen. Denn dann greifen möglicherweise die Vorschriften der Wegzugsbesteuerung, die zu hohen Steuerzahlungen führen können.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Jürgen Hoffmann