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Weniger Mut als früher
Bereits im Juni hatte die Creditreform Wirtschaftsforschung die Zahlen und Prognosen zur Insolvenzentwicklung des ersten Halbjahres 2021 veröffentlicht. Nun ist die amtliche Statistik mit einem Nachlauf von drei Monaten aufgerückt.
Das Statistische Bundesamt hat im September die amtlichen Zahlen zu den Unternehmensinsolvenzen publiziert, die noch deutlicher ausgefallen sind als die Schätzungen von Creditreform zu diesem Zeitraum. So war Creditreform noch von 8.800 Pleiten bei den Unternehmen ausgegangen, Destatis meldet nun 7.400 Unternehmenszusammenbrüche. Der Rückgang wird deutlich mit den Prozentzahlen: Während bei Creditreform ein Minus von knapp 2 Prozent zu verzeichnen war, sind es laut amtlicher Statistik fast 18 Prozent weniger Insolvenzen bei den Betrieben.
Tatsächlich war das erste Halbjahr geprägt von einem Lockdown, der fast über den gesamten Zeitraum anhielt. Gerade im Dienstleistungsbereich, etwa bei den persönlichen Dienstleistungen, kam es zum Stillstand, die Umsätze gingen gegen Null. Der Verband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands lässt seinen Vorsitzenden Christoph Niering erklären: „Die staatlichen Hilfsmaßnahmen zur Abmilderung der Pandemie-Folgen beeinflussen nach wie vor die Entwicklung der Insolvenzzahlen. Die erkennbare Bereitschaft zu weiteren Unterstützungsmaßnahmen – auch in einer neuen Regierung – wird diesen Trend bis in das Jahr 2022 nicht grundsätzlich verändern.“
Wenig junge Insolvenzen
Neben dem staatlichen Support, den die Unternehmen in der Krise erfahren, gibt es doch auch langfristige Trends, sie dafür sorgten, dass die Zahl der Insolvenzen zurückging. Creditreform hat bei den Analysen des Insolvenzgeschehens in den Vorjahren schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die mangelnden Neueintragungen von Betrieben ebenfalls dafür sorgen, dass es seltener zu Insolvenzen kommt. Im Jahr 2012 waren 34,3 Prozent aller Insolvenzen von Unternehmen durch Betriebe verursacht worden, die höchstens vier Jahre alt waren. Im Jahr 2021 (erstes Halbjahr) waren es nur noch 19,5 Prozent der Insolvenzen, die von solch jungen Unternehmen ausgelöst wurden. Ihr Anteil am Gesamtgeschehen hat sich also fast halbiert. Auf der anderen Seite sind immer mehr alte Unternehmen betroffen. Die Unternehmenslandschaft in Deutschland ist geradezu in ihrer Altersstruktur ein Spiegel unserer Gesellschaft, die ebenfalls immer mehr demografisch von älteren Menschen dominiert wird. Mehr als die Hälfte aller Unternehmensinsolvenzen 2021 gehen auf das Konto von Betrieben, die mindestens zehn Jahre alt geworden sind. 2012 waren es noch nur 34,6 Prozent. Zu dieser Entwicklung äußert sich VID-Vorsitzender Niering: „Die Entwicklung der Gewerbeanmeldungen ist ein Indikator dafür, dass unsere Gesellschaft nicht nur immer älter, sondern auch weniger risikofreudig wird.“
Dies lässt sich an den jüngsten Zahlen ablesen, die das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn publiziert hat. Zwar ist die Anzahl der gewerblichen Existenzgründungen im ersten Halbjahr 2021 leicht gestiegen, doch aufs Jahr gesehen wird trotz des Nachlassens der pandemiebezogenen Gründungshemmnisse im zweiten Halbjahr das Gründungsgeschehen noch einmal schwächer als vor 2020 ausfallen. In den ersten Halbjahren seit 2017 hat sich die Zahl der Unternehmensgründungen laut Gewerberegister von 147.000 auf 122.000 verringert. Im ersten Halbjahr 2020 lag die Zahl der Gründungen sogar bei nur 118.000. In den letzten 15 Jahren ist die Zahl der Gewerbeanmeldungen von 960.000 im Jahr 2004 auf 660.000 im Jahr 2020 zurückgegangen. Diese deutlich höhere Zahl ist allerdings auch nur zu erreichen, wenn man auch die Gründungen im Nebenerwerb, Ummeldungen etc. einbezieht.
Lieber nur im Nebenerwerb
Die Gründungen im Nebenerwerb spielen eine besonders große Rolle im Zuge der Pandemie-Entwicklung. Es handelt sich dabei um abhängig Beschäftigte, die nebenher noch eine weitere Eigenständigkeit umsetzen. Dabei hängt die zunehmende Entwicklung bei der Nebenerwerbstätigkeit aber nicht nur mit dem Pandemie-Effekt zusammen, der möglicherweise im Homeoffice noch Zeiträume zur weiteren Tätigkeit frei ließe. So nennt das IfM im ersten Halbjahr 2021, also im Lockdown, noch einmal deutliche Zugänge bei den Nebenerwerbsgründungen. Waren es im ersten Halbjahr 2020 140.000 Gründer und im ersten Halbjahr 2019 noch 138.000, so ist nun eine Zunahme um 26 Prozent auf 176.000 bei den Nebenerwerbsgründungen zu sehen. Auch diese Entwicklung lässt sich aus der Demografie erklären: Ältere Menschen sind in vielen Fällen weniger risikofreudig. Eine selbstständige, unternehmerische Tätigkeit trauen sich Ältere weniger zu. Wenn überhaupt, werden sie im Nebenerwerb tätig. Diese Entwicklung schlägt sich nicht nur in den Gründungszahlen, sondern davon abhängig auch im Insolvenzgeschehen nieder. Die Pandemie macht dieses Geschehen nur noch deutlicher.
Quellen: Destatis, IfM, VID, Creditreform