America first, Deutschland last?

Schon vor der Wahl sorgte sich der deutsche Mittelstand vor einer erneuten Amtszeit Donald Trumps – seit das Ergebnis feststeht, ­liegen vielerorts die Nerven blank. Was „America first“ für hiesige Unternehmen bedeuten könnte, wie sie sich wappnen und was sie von der künftigen Regierung in Berlin erwarten.

Es sind Zahlen, die dem deutschen Mittelstand empfindlich schaden können. Bereits während seines Wahlkampfs hatte US-Präsident Donald Trump klargemacht, dass er einen protektionistischen Kurs fahren werde. Vor Redaktionsschluss am 15. Januar 2025 standen flächendeckende Zölle zwischen zehn und 20 Prozent auf alle Einfuhren aus Deutschland und Europa im Raum. Entsprechend nannte BDI-Präsident Siegfried Russwurm das Ergebnis der US-Wahlen einen „Weckruf für Europa und Deutschland“.

Die Höhe der zu erwartenden Zölle wird Trump wohl erst nach seiner Vereidigung bekannt geben. Doch bereits vor der Wahl sorgte sich die deutsche Wirtschaft vor einer zweiten Amtszeit des Republikaners. Die Bedeutung der transatlantischen Handelsbeziehungen ist enorm – die USA sind Deutschlands wichtigster Handelspartner und dem BDI zufolge das neunte Jahr in Folge der größte Abnehmer deutscher Produkte. Sollten die Drohungen des Präsidenten wahr werden, rechnet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) mit einem Maximal-Schaden von 130 bis 180 Milliarden Euro bis 2029 für die deutsche Wirtschaft. Ist der Mittelstand darauf vorbereitet?

Zoll-Verlierer und Zoll-Gewinner

Bei der MAAG AG in Ense bei Soest nimmt man die Ankündigungen ernst. Für den Hersteller für Kunststoffverpackungen stellt sich die Frage, ob das Unternehmen dann noch wettbewerbsfähig sein wird. „Obwohl wir unsere Kunststoffverpackungen für Lebensmittel in Deutschland herstellen und wir aufgrund möglicher Verbrauchergefährdung hohe Versicherungen bezahlen müssen, können unsere Produkte auf dem US-Markt preislich mithalten“, sagt Geschäftsführer Ansgar Schonlau. Sollten nun Zölle in Höhe von zehn Prozent oder mehr dazukommen, würde sich das Bild verändern. Schonlau befürchtet zudem eine Eskalation der Handelsspannungen. „Trumps Zollpolitik könnte sich zum Fass ohne Boden entwickeln.“ MAAG kauft beispielsweise Folien größtenteils in Asien ein. „Sollten da auch noch Zölle hinzukommen, wird das Geschäft unrentabel“, sagt der Geschäftsführer.

Doch es gibt auch Unternehmen, die hoffen, von Trumps Strafzöllen zu profitieren. Als Zulieferer der Halbleiterindustrie zählt Lapmaster Wolters aus dem schleswig-holsteinischen Rendsburg dazu. Der Werkzeugmaschinenhersteller beschäftigt 750 Menschen weltweit, davon 540 in Deutschland und 90 im US-Bundesstaat Illinois. Geschäftsführer und CFO Ralf Meinardus erwartet keine drastischen Maßnahmen. „Die Personen, die im Rennen sind für Posten im Handelsministerium, gelten eher als moderate Akteure“, sagt er. Außerdem sei das Bedürfnis der USA, sich vor asiatischen Produkten zu schützen, viel stärker ausgeprägt als der Wunsch, deutsche Waren zurückzudrängen. Würden die Einfuhrzölle auf chinesische Konkurrenzprodukte entsprechend höher ausfallen als auf die eigenen, könne sich das sogar positiv auswirken, so der Geschäftsführer.


Wie die Zollpolitik umgehen?

Aktuell spielen Unternehmen unterschiedliche Szenarien durch. So auch die Rational AG, ein Hersteller für Großküchengeräte, der Produktionsstätten in Landsberg am Lech sowie im elsässischen Wittenheim betreibt und 20 Prozent seines Umsatzes in den USA macht. „Angenommen, es würde sich beispielsweise um zehn Prozent Zoll handeln, dann müssen wir uns überlegen, ob wir das auf die eigene Kappe nehmen oder ob wir das mit einer leichten Preiserhöhung kompensieren“, sagt Stefan Arnold, Leiter Investor Relations. Für Rational ist es von großem Vorteil, dass nahezu alle Wettbewerber außerhalb der USA produzieren. „Insofern kämpfen wir alle mit dem gleichen Thema.“

MAAG-Geschäftsführer Ansgar Schonlau hat bereits entschieden, wie er auf eine Zollerhöhung reagieren wird. Bei dem sauerländischen Mittelständler soll in diesem Fall auf Marge verzichtet werden, denn Schonlau befürchtet, andernfalls ausgebootet zu werden. „Wir sind als kleiner Player in einer schlechten Verhandlungsposition. Das ist anders, als wenn sich zwei Großunternehmen gegenüberstehen.“

Angesichts von Trumps Drohkulisse loten viele deutsche Mittelständler aus, ob es wirtschaftlich nicht sinnvoller wäre, die Produktion gleich in die USA zu verlagern, um die Zollpolitik zu umgehen. Auch Rational treibt dieses Thema um. „Diese Frage lassen wir in regelmäßigen Abständen, etwa alle zwei bis drei Jahre, neu bewerten“, sagt Geschäftsführer Arnold. Doch dabei ginge es nicht vorrangig um die Zölle. Die Prüfung umfasse finanzielle Aspekte wie Löhne und Gehälter, Subventionen, Steuern und Transportkosten. Auch qualitative Faktoren wie das Qualifikationsprofil am Arbeitsmarkt sowie das Zuliefernetzwerk würden evaluiert. „Bisher lautete die Antwort auf Basis des ­Assessments immer ‚nein‘“, so Arnold. Die nächste Prüfung stünde bald an. Doch Rational will damit warten, bis der politische Rahmen feststeht.

Jenen, die bereits in den USA produzieren, stellt sich die Frage nach einer Ausweitung. So auch BFW Offingen, einem Hersteller von Spezialfilzen, dessen Produkte dafür sorgen, dass die Abluft in Zement- und Kohlekraftwerken gereinigt wird. Das Unternehmen fertigt nahe Cincinnati und macht in den USA etwa acht bis zwölf Prozent des Gesamtumsatzes, indem es seine Produkte vor Ort konfektioniert und von dort aus an die Endkunden liefert. Geschäftsführer Philipp von Waldenfels will unabhängig von Trumps Zollvorhaben agieren. „Zölle kommen und gehen“, sagt er. Viel wichtiger sei bei den Überlegungen, die Produktion auszuweiten, die Tatsache, dass die USA ein attraktiver Markt für BWF seien und dort ein „ein hoher Bedarf“ an Filterschläuchen für die industrielle Entstaubung bestehe.

Unterschiedliche Ansätze im Mittelstand also, um mit der Herausforderung „America first“ umzugehen: Sorge ja, aber auch Zuversicht und der Blick auf mögliche Chancen. Was die meisten exportorientierten Unternehmen gemein haben dürften: Trumps Handelspolitik und ihre Auswirkungen kommen zur Unzeit. „Unsere Exportwirtschaft leidet unter strukturellen Problemen am Standort Deutschland und einem schleppenden Auslandsgeschäft“, sagt Volker Treier. Der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht auch die künftige Bundesregierung in der Pflicht. „Die Politik muss Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ergreifen und diese zügig umsetzen, um die Wirtschaft zu unterstützen“, fordert er. Ebenso sei die EU am Zug. Sie solle dringend für Erleichterungen sorgen, etwa indem Berichtspflichten abgebaut werden. Auch der Mittelstand appelliert an die Politik. ­Seitens der Verbände dominieren Rufe nach Bürokratieabbau, einer Senkung der Energiekosten sowie nach einem zuverlässigen Rahmen für Investitionen, um den Standort Deutschland wettbewerbsfähiger zu machen. „Wir müssen hier Rahmenbedingungen schaffen, damit sich ‚Made in Germany‘ und ‚Work in Germany‘ wieder lohnen und wir als Standort etwas gelten. Dann kann sich die Stärke der deutschen Wirtschaft wieder einstellen“, sagt BWF-Chef von Waldenfels. Ralf Meinardus hofft ebenfalls auf bessere Rahmenbedingungen durch die Politik. „Die Regierung hat in den letzten Jahren sehr viel Förderung beispielsweise in die Photovoltaik- und Solarindustrie gesteckt und damit ausländische Hersteller angezogen“, sagt der Chef von Lapmaster Wolters. Das sei für den deutschen Markt eher „kontraproduktiv“ ­gewesen.

Doch wie genau sollte die kommende Regierung auf Trumps Zollpolitik reagieren? „Ich würde mir von der deutschen Politik wünschen, dass sie mit Anstand genauso konsequent verhandelt wie Trump und nicht einknickt. Ansonsten gilt irgendwann: Der Klügere gibt so lange nach, bis er der Dümmere ist“, sagt MAAG-Chef Schonlau.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Lisa Priller-Gebhardt
Bildnachweis: Getty Images