Eine Frage des Vertrauens
Immer mehr Unternehmer wollen oder müssen ihr Lebenswerk bei ihrer Nachfolge in externe Hände geben. Die Suche nach geeigneten Käufern gestaltet sich häufig schwierig. So finden sie passende Interessenten.
Die Druckerei Pinsker in Mainburg wurde 1879 von Ludwig Pinsker als Ein-Mann-Buchbinderei gegründet und ist seitdem im Besitz der der Familie. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen 120 Mitarbeiter, ist mehrfach zertifiziert und arbeitet mit hochmodernen Maschinen. Außerdem engagiert sich die Firma im Natur- und Umweltschutz und gewann in den vergangenen Jahren mehrere Awards – etwa den Umweltpreis der Stadt Mainburg für ein Bienenhaus auf dem Dach sowie den Klimaschutzpreis des Landkreises Kelheim. Gute Gründe also, stolz auf das Unternehmen zu sein.
Nach reiflicher Überlegung übergab die Familie Pinsker das Ruder in die Hände eines Investors. „Wir wollten das Unternehmen für die Zukunft auf sicherere Beine stellen und weniger familiär als managementgeführt weiterentwickeln. Das war unser Ziel“, sagt Conny Pinsker, die bis heute in der Geschäftsführung tätig ist. Die Familie hält heute noch 20 Prozent der Anteile. Die Mehrheit von 80 Prozent gehört jetzt mittelbar der Family-Equity-Gesellschaft Arcus AG. Darüber hinaus sitzen Mitglieder der Familie im Beirat des Unternehmens. „So funktioniert das operative Geschäft reibungslos, auch die Mitarbeiter sind mit dieser Lösung sehr zufrieden“, sagt Stefan Eishold, CEO der Arcus Capital AG in München. Das setzt Vertrauen in den neuen Mehrheitsgesellschafter voraus. „Wir mussten dieses erst langsam aufbauen und haben dazu viele offene Gespräche geführt“, sagt Eishold. Im Vorfeld stellte sich der Investor auch dem Team vor und erklärte, was er mit dem Unternehmen vorhat. Anfangs bestanden bei den Mitarbeitern noch Bedenken. „Doch bei der Weihnachtsfeier haben alle gemerkt, dass er auch nur ein ganz normaler Mensch ist. Das Eis war gebrochen“, erinnert sich Geschäftsführerin Conny Pinsker. Dies war auch Horst Pinsker beim Verkauf der Anteile wichtig. „Unsere Familie lebt ja schließlich weiter her im selben Ort und will im Wirtshaus mit den Leuten ein Bier trinken“, sagt er.
Die Arcus AG will langfristig an der Druckerei beteiligt bleiben, an den Eigentümerverhältnissen soll sich erst einmal nichts ändern. Eishold erinnert sich an ein gemeinsames Abendessen, nachdem die Verträge unterzeichnet waren: „Vier Generationen der Familie saßen mit am Tisch. Da wussten wir, dass wir eine besondere Verantwortung übernehmen.“
Externe Übergabe oft gefragt
Verantwortung in gute Hände zu übertragen: Darum geht es bei vielen Nachfolgeregelungen. Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM) beobachtet, dass mehr und mehr Firmen extern übernommen werden. Die Tendenz zur Staffelübergabe an eine Führungskraft oder an einen fremden Investor hält an. Familieninterne Regelungen verlieren an Bedeutung. Eine Situation, die besondere Anforderungen an die Vorbereitung der Übergabe stellt.
Firmenchefs sollten auf jeden Fall genug Zeit einplanen. „Einige Unternehmer glauben, eine externe Lösung ließe sich innerhalb von drei Monaten abwickeln. Das ist nicht unmöglich, aber die Ausnahme“, warnt René Kminikowski, M&A-Berater der INTAGUS GmbH, Partner des Kompetenz-Centrums für Entrepreneurship & Mittelstand der FOM Hochschule für Oekonomie & Management. Mittelständler rechnen bei einer externen Übernahme im Optimalfall mit einer Vorbereitungszeit von rund drei Jahren. Und zwar aus drei guten Gründen:
1. Risiko Unternehmerabhängigkeit
„Wir sprechen von Unternehmerabhängigkeit, wenn der Senior allein den Familienbetrieb führt und keine zweite Führungsebene involviert ist“, sagt Kminikowski. Bei der Nachfolge wird das regelmäßig zum Problem. Der Experte erinnert sich an einen Mandanten, der aus dem Bauch heraus Angebotspreise kalkulierte. Ein valides Controlling gab es nicht. Die Preisverhandlungen lagen allein in den Händen des Seniors. „Solche Konstellationen lassen sich auflösen, wenn frühzeitig verantwortungsbewusste Mitarbeiter zum Beispiel an wichtigen Verhandlungen mit Kunden teilnehmen und Einblick in die Zahlen erhalten“, sagt Kminikowski. Das erfordert zwar Vertrauen. Und der betreffende Mitarbeiter kann überdies ein etwas besseres Gehalt erwarten, weil er mit „höheren“ Aufgaben betraut wird. „Der Unternehmer baut aber so die Möglichkeit auf, sich sukzessive zurückzuziehen. Wir raten dazu, das Unternehmen vor der Staffelübergabe von der Familie unabhängig zu machen“, so Kminikowski. Das betrifft nicht nur den Senior, sondern alle Mitglieder des Clans, die in die Geschicke des Unternehmens eingebunden sind.
2. Finanzen trennen
Das gilt auch für jegliche finanzielle Verflechtungen. Beispielsweise sollte der Senior private Kredite frühzeitig ablösen oder extern – etwa über eine Bank – umschulden. Bei Angehörigen-Darlehen fließen aus steuerlichen Gründen häufig relativ hohe Zinsen. Das legen potenzielle Interessenten negativ aus, weil die Firma entsprechend belastet wird.
3. Position im Wettbewerb checken
Kminikowski rät darüber hinaus, im Vorfeld der Nachfolgeplanung die eigene Position im Wettbewerb zu prüfen – um sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu werden. Ohne Zeitdruck kann das Betriebsergebnis mit entsprechenden Maßnahmen in der Regel vor der Nachfolge gezielt nach oben gedrückt werden. „Damit dürfen durchaus Investitionen verbunden sein“, so Kminikowski. Es mindert den Kaufpreis und wirkt abschreckend auf jeden potenziellen Nachfolger, wenn er mehrere Hunderttausend Euro in die Hand nehmen muss, um die Firma auf einen aktuellen Stand zu bringen. Kminikowski erinnert auch daran, notwendige Digitalisierungsmaßnahmen nicht aufzuschieben: „Nachfolger dürfen erwarten, dass beispielsweise Arbeitsverträge oder Absprachen mit Lieferanten schriftlich vorliegen und als Dateien zur Verfügung stehen.“
Als Jens Arne Jänecke vor drei Jahren einen Lebensmittelmarkt in Adendorf bei Lüneburg übernahm, war das Geschäft in puncto Digitalisierung ganz am Anfang. „Die Kommunikation mit den wichtigsten Lieferanten lief noch per Fax“, erklärte Jänecke vor wenigen Wochen auf den diesjährigen Technologietagen des EHI Retail Institute in Bonn. Das Fax ist auch heute noch im Einsatz, auch wenn sich bei Jänecke viel entwickelt hat. Der Händler investierte in die Digitalisierung seines Edeka-Marktes. Das war notwendig, um angesichts der niedrigen Margen im Lebensmitteleinzelhandel und des verschärften Wettbewerbsdrucks neu durchzustarten. Die Prozessoptimierung in Kombination mit einer offensiven Kommunikationsstrategie führte unterm Strich zu einem Umsatzplus von rund 15 Prozent.
Nach einer neuen Studie der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Kooperation mit Creditreform Rating und dem Verband Deutscher Bürgschaftsbanken schaffen es weniger als die Hälfte der Übernehmer, mittelfristig den Umsatz zu steigern. „Ob es nach der Staffelübergabe gut oder schlecht läuft, kann der Altunternehmer aber leider kaum beeinflussen“, sagt Kminikowski. Kein Interessent wird sich verpflichten, wie bisher mit den Mitarbeitern umzugehen oder Kunden wie gewohnt zu behandeln. Vertragliche Vereinbarungen dazu im Zusammenhang mit der Übergabe wären vermutlich sogar rechtlich unzulässig. Der Senior kann aber durchaus im Vorfeld fragen, welchen Führungsstil sich der potenzielle Nachfolger vorstellt und wie er das Unternehmen entwickeln will.
Mehr aber auch nicht. Wesentliche Einflussnahme des Seniors nach dem Deal wird in der Regel vom Käufer nicht gewollt sein. Allenfalls entscheiden sich die Parteien häufiger dafür, dass der Verkäufer noch einige Zeit im Unternehmen beratend tätig wird. Hier geht es dann aber nicht um Einflussnahme, sondern um Expertise und um Erfahrung. Ein wenig anders kann das aussehen, falls der Altunternehmer noch einige Zeit Anteile hält. Er wird die Zügel aus der Hand geben, erhält aber Einblick in die Geschehnisse.
Weiter am Unternehmen partizipieren
Eine Minderheitsbeteiligung des Altunternehmers kann auch dazu dienen, den Kapitalbedarf des Übernehmers niedrig zu halten. „Übernahmefinanzierungen bestehen in der Regel sowohl aus Eigen- als auch aus Fremdkapitalkomponenten. Dabei können ein Darlehen oder eine Minderheitsbeteiligung des Verkäufers einerseits dem Erwerber helfen, seinen anfänglichen Kapitalbedarf zu reduzieren, und andererseits dem Verkäufer die Chance geben, an der Wertentwicklung seines Unternehmens noch eine Zeit lang weiter zu partizipieren“, sagt Kai Frömert, Managing Director des Finanzierungsspezialisten FCF Fox Corporate Finance in München. Die Gesellschaft unterstützt Unternehmen mit einem Mindestumsatz von in der Regel 100 Millionen Euro. „Wir strukturieren und platzieren Eigen- und Fremdkapitalfinanzierungen, können aber auch bei der Suche nach einem Interessenten oder Investor helfen“, so Frömert. Bei Bedarf arrangiert FCF die Akquisitionsfinanzierung auch bereits vor dem Verkaufsprozess. „Das vereinfacht und verkürzt den eigentlichen M&A-Prozess, da nicht jeder potenzielle Erwerber einzeln mit den Geldinstituten sprechen muss. Ein mitangebotenes, optionales Finanzierungspaket kann den Kauf für den Interessenten auch nochmals attraktiver ausgestalten“, sagt Frömert.
Bei Übernahmen kleinerer Mittelständler braucht es in der Regel keinen Vermittler. Der Kontakt zwischen der Pinsker Druckerei und der Arcus Capital AG erfolgte über die Hausbank. „Wir sehen uns auch nicht als reine Kapitalgeber, sondern wollen aktive Stütze des Unternehmens sein und partnerschaftlich zusammenarbeiten“, versichert Arcus-CEO Stefan Eishold.
Langfristig anbahnen
Familienunternehmer haben klare Vorstellungen davon, wie ihre Nachfolge aussehen soll. Das erschwert die Suche nach einem passenden Kandidaten sowie die Verhandlungen. Was in der Anbahnungsphase zählt.
Mit wem sprechen?
Die Akquise läuft häufig über einen Unternehmensberater, der sich auf Nachfolgen spezialisiert hat. Er verfügt in der Regel über ein entsprechendes Netzwerk, um Interessenten zu finden. Alternativ oder ergänzend können Unternehmer auf Plattformen wie nexxt-change.org, dub.de oder concess.de inserieren.
Mitarbeiter ins Boot holen
Wichtig ist es, im Vorfeld Unruhe im Team zu vermeiden. Deshalb sollte der Senior aktiv auf die Mitarbeiter zugehen und erläutern, was er plant.
Den Deal aushandeln
Die Parteien sollten sich sympathisch sein. Das wird spätestens bei den Preisverhandlungen wichtig, wenn jeder seine Interessen vertreten muss. Grundlage der Diskussion ist in der Regel eine Schätzung des Unternehmenswertes. Der Käufer setzt diesen naturgemäß niedriger an als der Verkäufer. Der Verkäufer sollte nachfragen, welche Kriterien der Übernehmer für die Bemessung des Kaufpreises angesetzt hat – um gezielt entsprechende Gegenargumente für dessen Risikoeinschätzung auf den Tisch zu bringen.
Quelle: Magazin „Creditreform“
Text: Eva Neuthinger