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Bauwirtschaft bleibt im Keller stecken

Das sah nach einer guten Nachricht aus: Die Europäische Zentralbank hatte den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 Prozent gesenkt. War damit vielleicht ein Signal zur Erholung der Bauwirtschaft gekommen?

Der Präsident des IfW Kiel vertrat die Ansicht, dass günstigere Zinsen insbesondere der Bauwirtschaft helfen werden. Tatsächlich hatte die Zins-Rallye zur Bekämpfung der Inflation in Europa zu einem Höchststand auch bei der Finanzierung von Hypothekenkrediten geführt. Die Wirkung zeigte sich rasch: Nach Jahren schwindelerregender Preissteigerungen gerade auch für Wohnimmobilien würde es nun wieder möglich sein, beim Kauf des privaten Hauses zu verhandeln. Einen Anstoß wie dieser war für die Bauwirtschaft bitter nötig.

Ein Minus bleibt bestimmend

Doch der Präsident des Hauptverbandes der Bauindustrie (HDB), Peter Hübner, ließ noch im Juni verlauten: „Wir befinden uns im vierten Jahr der baukonjunkturellen Schwäche. Eine Wende wird es auch in diesem Jahr nicht geben.“ Der Verband hatte noch zu Anfang des Jahres ein Minus von 3,5 Prozent beim Umsatz für 2024 prognostiziert – nun korrigierte er die Erwartungen nach unten und sprach von 4,0 Prozent. Wegen der drastischen Schwäche sieht die Bauindustrie beim Wohnungsbau einen Rückgang von 12 Prozent. Aber auch beim Wirtschaftsbau wird nur ein dürftiges Plus prognostiziert, es liegt nunmehr bei 1,5 Prozent Umsatzzuwachs. Das Problem besteht trotz einiger Großaufträge – etwa der Deutschen Bahn oder beim öffentlichen Personennahverkehr – darin, dass der öffentlichen Hand das Geld ausgeht. Die Debatte um den Haushalt im Zeichen steigender Zinsen und Kosten auf der einen Seite und einer Minderung der Steuereinnahmen auf der anderen Seite zeigt, wie prekär die Lage ist. Von allen Seiten – und nicht zuletzt von der Bauwirtschaft – wird angesichts maroder Straßen, sanierungsbedürftiger Schulen und den Anforderungen des Umweltschutzes ein Investitionspaket des Bundes gefordert. Der große „Wumms“ aber wird wohl ausbleiben.

Auch vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB), der eher kleine Betriebe der mittelständisch geprägten Bauwirtschaft vertritt, zeigt für 2024 wenig Optimismus: „Der Auftragseinbruch im Wohnungsbau hat bis Ende 2023 noch nicht voll auf die Umsatzentwicklung durchgeschlagen, da die Unternehmen noch von ihren Auftragsbeständen zehren können, die jetzt aber aufgebraucht sind.“ Ein ähnlich graues Bild wie die beiden wichtigsten Verbände der Bauwirtschaft zeichnet die Creditreform Umfrage unter den Mittelständlern im Frühjahr 2024. Hier liegt die Bauwirtschaft unter allen Wirtschaftssektoren an letzter Stelle, wenn es um die Umsatzerwartungen im weiteren Verlauf des Jahres 2024 geht. Nur 16 Prozent der Befragten glauben an steigende Auftragszahlen – im Vorjahr waren es immerhin noch knapp 25 Prozent. 22 Prozent sprechen für die Zukunft sogar von sinkenden Auftragseingängen. Dieser Pessimismus ist begründet in der Umsatzentwicklung seit 2023. Nur 19,5 Prozent des mittelständischen Baugewerbes hat in seiner Geschäftstätigkeit eine steigende Umsatzentwicklung verzeichnen können, aber 31,5 Prozent gaben gesunkene Umsätze zu Protokoll. Schwache Auftragseingänge und Umsätze sind auch nicht durch höhere Preise zu retten. Der Bau war von der inflationären Entwicklung bei den Einkaufspreisen für Rohstoffe und Vorprodukte besonders betroffen, trotz der Flaute sah er sich zu Preissteigerungen gezwungen. Gegenüber anderen Branchen erhöhte er häufiger die Angebotspreise. Über 47 Prozent der Betriebe sprachen davon, ihre Preise erhöht zu haben. Allerdings gaben auch 17 Prozent an, angesichts der Probleme die Preise gesenkt zu haben. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Beschäftigten – per Saldo arbeitet das Baugewerbe mit weniger Stellen: 16,5 Prozent haben ihre Mitarbeiterzahl aufgestockt, 24 Prozent sie aber gesenkt. Schon zum Jahresende hatte der ZDB einen Verlust von 30.000 Jobs am Bau prognostiziert.

Wohnraum bleibt knapp

Das größte Sorgenkind ist der Wohnungsbau. Angesichts einer wachsenden Bevölkerungszahl ist die Knappheit an Wohnraum gerade für einen sozialdemokratischen Kanzler heikel. Das Statistische Bundesamt nennt die neuesten Zahlen für 2024: Im April war die Zahl der Baugenehmigungen im Wohnungsbau um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gesunken. Nur gut 71.000 Genehmigungen für den Wohnungsbau waren erteilt worden, was 21 Prozent weniger als im ersten Drittel des Vorjahres waren.

Sind die Hoffnungen auf einen Anstoß durch sinkende Zinsen berechtigt? Die Bundesbauministerin glaubt daran, Finanzexperten sehen dies kritischer. Zunächst einmal ist da ein finanzmarktypisches frühzeitiges „Einpreisen“ erwarteter Konditionen. „In Erwartung von Zinssenkungen durch die EZB haben die Bauzinsen bereits reagiert und sind Ende 2023 spürbar gesunken“, so die Vertriebsvorständin der Interhyp. Eine Rückkehr in die Niedrigzinsphase werde man so schnell nicht sehen. Ein Bauzinsniveau zwischen 1 und 2 Prozent ist Geschichte. Ob sich die EZB angesichts einer in Europa immer noch markanten Inflation zu einer Kette von Zinssenkungen durchringen wird, ist höchst fraglich.

Jetzt bleibt nur noch das Prinzip Hoffnung. Und die lässt sich aktuell tatsächlich in der Sommerbefragung des vom zentralen Immobilienausschuss beauftragten IW feststellen. Insgesamt haben in der Bauwirtschaft nach dieser Umfrage vom Juni wieder die Optimisten die Oberhand gewonnen. So verbesserte sich die Lage im Wohnungsbereich von 15 auf 33,3 Punkte und die Erwartungen gingen auf einen Wert von 0 zu, was einer Steigerung um 7,6 Punkte entspricht. Damit war zum ersten Mal seit 2022 zumindest wieder keine negative Erwartungseinstellung gemessen worden.

Quellen: HDB, IfW Kiel, ZDB, ZIA-IW-Immobilienstimmungsindex



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