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Eine Branche mit großen Problemen – die Automobilzulieferer

Die Krisen seit Beginn der zwanziger Jahre nehmen kein Ende. Die Pandemie ist nicht einmal ausgestanden, da kommt es zu Beginn des Jahres zum Krieg in der Ukraine.

Neben dem akuten menschlichen Leid, das diese neue Lage mit sich bringt, stehen in einer weiteren Runde wirtschaftliche Probleme an, die das Leben aller, wenn auch in unterschiedlichem Maß, schwieriger machen. Die wirtschaftlichen Folgen werden immer deutlicher, sie sind immer weniger aufzufangen und abzumildern. Ein Aufsatz der Unternehmensberater von Baker Tilly macht am Beispiel der Branche der Automobilzulieferer deutlich, wie die vielen Krisen sich zu einer immer größeren Bedrohung aufbauen.

Krise vor der Krise

Die Berater sprechen in ihrer Darstellung zunächst von den Rahmenbedingungen, die bereits schwierige Aufgaben stellten. Die Automobilindustrie sah sich angesichts der Umweltprobleme zu einer massiven Umstellung gezwungen: Es geht um die E-Mobilität, um autonomes Fahren und allgemein um ein Klima, das dem Individualverkehr wenig positiv gegenübersteht. Gewaltige Investitionen sind nötig, um die Stellung des deutschen Automobilbaus weltweit zu erhalten. Es werden immer weniger Autos produziert – waren es 2015 noch fast sechs Millionen, so sind es 2021 nur wenig mehr als drei Millionen Pkw gewesen. Entsprechend sackten in der Corona-Krise die Umsätze der wichtigsten Automobilzulieferer von 2019 auf 2020 um 13 Prozent ab. Aber es sind nicht nur die strengeren gesetzlichen Vorgaben oder das gewachsene Bewusstsein für Umweltfragen, die zu den Rückgängen führten, sondern ganz konkret auch die Mängel bei der Zulieferung der dringend notwendigen Halbleiter. Einerseits steigt weltweit der Bedarf an diesen Teilen, etwa durch die Hightech-Branche, andererseits sorgte auch noch der Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China mit den entsprechenden Strafzöllen und Sanktionen für weitere Engpässe.

Verschärft wird die Situation durch die Probleme beim Transport. Die Preise für Schiffscontainer sind um das Achtfache gestiegen und für den Transport per Lkw fehlen die Fahrer. Es ist davon auszugehen, dass bereits in fünf Jahren 185.000 Lastkraftwagenfahrer fehlen werden. Am Schnittpunkt vieler Probleme steht China. Die wirtschaftliche Weltmacht aus Asien verfolgt ehrgeizige Klimaziele und hält sich etwa mit der Produktion von Silizium oder Magnesium zurück. All dies führt zu deutlich steigenden Preisen, die jetzt über die Erhöhungen bei den Energiekosten hinaus auch hierzulande deutlich werden. Von einer Inflationsrate von 7 Prozent ist die Rede und zweistellige Zuwächse bei der Teuerung sind nicht mehr ausgeschlossen. Die Kosten gerade im Energiebereich treffen nicht nur direkt den Geldbeutel des Verbrauchers, sondern auch die Industrie, die nicht alle Steigerungen an den Konsumenten durchreichen kann und so geringere Gewinne verzeichnet. Probleme bei den Lieferketten, Mangel an Rohstoffen, Transportschwierigkeiten und eine geringere Nachfrage setzen den Lieferanten der Automobilindustrie zu.

Die schwere Lage trifft die Finanzen

Die Unternehmensberatung Baker Tilly hält fest, dass die 100 größten Unternehmen bereits bis 2020 einen deutlichen Rückgang der EBIT-Marge hinzunehmen hatten: Je nach Unternehmensgröße waren das ein Gewinn von 4 Prozent bis 2017 und ein Minus von fast 4 Prozent in 2020. Das Kurzarbeitergeld sollte in der Corona-Krise das Schlimmste verhüten – tatsächlich trägt es auch dazu bei, dass Konsolidierungsmaßnahmen im Hinblick auf hohe Mitarbeiterzahlen unterbleiben konnten. Nur 10 Prozent der Automobilzulieferer haben kein Kurzarbeitergeld bezogen. Dabei ist der Umsatz pro Mitarbeiter in den letzten vier Jahren von über 300.000 auf 229.000 Euro in 2020 gesunken.

Zeigt die Branche auch eine gestiegene Insolvenzanfälligkeit?

Tatsächlich stieg die Zahl der Insolvenzanträge aus der Branche der Automobilzulieferer in den Jahren 2016 bis 2021 deutlich: Von 8 auf 25 Prozent. Dramatisch wurde die Entwicklung gegen Ende des Vorjahres, als der Anteil der Insolvenzanträge durch die Automobilzulieferer auf 48 Prozent stieg. Eine ehemals unterdurchschnittliche Insolvenzquote ist aktuell überdurchschnittlich geworden. Aber es ist nicht nur die Insolvenzquote, die zeigt, in welch schwieriges Fahrwasser die Branche geraten ist. So lag der Anteil an den Liquidationen für die Automobilzulieferer bei den großen Unternehmen der Branche vor 2018 höchstens einmal bei 13 Prozent. 2019 stieg er jedoch deutlich an und erreichte 2020 sogar 38 Prozent aller Löschungen von großen Unternehmen insgesamt.

Es muss etwas geschehen

Auch bei den Insolvenzplänen und weiteren Fortführungsinstrumenten, etwa eine übertragende Sanierung, haben die Automobilzulieferer zunehmend schlechte Karten. Waren es einmal rund die Hälfte der Betriebe der Branche, die ein Eigenverwaltungsverfahren anstrengen konnten, so waren es in den Jahren 2020 und 2021 nur noch rund 30 Prozent. Und es ist schwieriger, die Unternehmen fortzuführen, wie sich an der Dauer einer Lösung, entweder bis zur Aufhebung des Insolvenzplans oder zu einer Schließung im Zusammenhang mit einer Übertragung, zeigen lässt: Die durchschnittliche Dauer der Umsetzung von Fortsetzungslösungen hat von 287 Tagen im Jahr 2017 auf 317 Tage im Jahr 2021 zugenommen.

Noch sprechen die Unternehmensberater davon, dass es sich um einen „auf geringem Niveau abzeichnenden Trend handelt“. Gerade die jüngsten Insolvenzzahlen bei den Automobilzulieferern im ersten Quartal 2022 erscheinen sehr niedrig. Es zeigt sich bei den Automobilzulieferern, was auch im Hinblick auf die Insolvenzsituation anderer Branchen zu vermuten ist: Nämlich, dass die Hilfsmaßnahmen im Zeichen von Corona eine unbedingt nötige Konsolidierung und Neuausrichtung von Branchen geradezu verhindern. Mit der aktuellen Zuspitzung der Krise durch den neuerlichen Ausbruch von Corona in China und dem Krieg in der Ukraine werden die nötigen Maßnahmen, wenn auch schmerzhafter, jedoch umso drängender durchgeführt werden müssen.

Quelle: Baker Tilly Unternehmensberatung



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