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Kreditversicherer und Schadensfälle im Lockdown

Ein „verstecktes“ Insolvenzrisiko bereitet den Unternehmern Kopfzerbrechen. Haben doch in der Pandemie staatliche Zuwendungen und Schritte bei der Pflicht zur Insolvenzanzeige viele Unternehmen vor der Aufgabe bewahrt. Doch damit ist die tatsächliche Zahlungsunfähigkeit, wie sie durch die Krise ausgelöst worden ist, vielfach nur kaschiert.

Was ist zu erwarten, wenn die staatlichen Zahlungen eingestellt werden und Insolvenzanträge wieder zu stellen sind? Kreditversicherer erhalten von ihren Kunden Schadensmeldungen, ihre Mandanten sind verpflichtet, Zahlungsverspätungen und Unregelmäßigkeiten ihrer Abnehmer anzuzeigen. Auf Basis dieser Nachrichten haben zwei große Kreditversicherer, Atradius und Coface, eine Einschätzung zum Insolvenzrisiko sowohl im Hinblick auf das Ausland als auch auf betroffene Branchen in Deutschland abgegeben.

Textil, Gastronomie, Transport

Nach Ansicht von Atradius hat der über den Winter laufende Lockdown die Branchen in deutlich unterschiedlichem Maße betroffen. An erster Stelle zu nennen sind die konsumorientierten Dienstleistungsbereiche wie der Tourismus, Veranstaltungen und Gastronomie. Im gleichen Atemzug erscheinen dann Sektoren wie Hotels, Restaurants, Cafes und Gaststätten, aber auch Catering Dienste sowie Messe- und Reiseveranstalter. Diese Betriebe leiden auf der einen Seite unter weiterlaufenden Fixkosten und anderen vertraglichen Verpflichtungen, die nicht ohne weiteres zu kündigen sind und auf der anderen Seite können die zur Verfügung gestellten Gelder die Umsatzeinbrüche und die Kosten nicht kompensieren. Der Kreditversicherer hat seine Risikobewertung für diesen Sektor auf „sehr hoch“ gesetzt.

Nach anfänglichen Problemen, denen der Automobilsektor mit einem Rückgang der Neuzulassungen von PKW in Deutschland von fast 20 Prozent in 2020 zu begegnen hatte, bleibt die Industrie hier stabil. Der Kapitalmarkt steht auf der Seite der Unternehmen und nicht zuletzt haben die Autohersteller ein kräftiges Kapitalpolster anlegen können. Anzufügen bleibt, dass die Probleme, die vor der Pandemie bereits bestanden, die Autoindustrie weiter begleiten. Das betrifft vor allem die Vorgaben durch den Umweltschutz und die Pionierarbeit für den Elektroantrieb. Unsicherheiten sieht Atradius allerdings bei den kleinen und mittleren Zulieferern der Industrie durch Corona. 

Manche Probleme waren schon vorher da

Ein höheres Risiko sieht der Kreditversicherer beim Maschinenbau. Hier sind in stärkerem Maße Schäden zu regulieren gewesen. Ein Trend der sich wohl fortsetzen wird. Ein weiteres Sorgenkind ist die Metallbranche, die bereits 2019 Probleme machte. Es waren vor allem höhere Kosten für Transport, Arbeit und Energie, die neben Überkapazitäten und stärkeren Wettbewerb zu schaffen machten. Atradius veranschlagt einen Anstieg der Zahlungsausfälle und Insolvenzen von rund 5 bis 10 Prozent für diese Branche.

Kritisch stellt sich auch die Situation im Textilbereich dar. Sowohl die Hersteller als auch die Händler waren schon vor der Pandemie in der Krise. Geringe Margen im Verkauf und der Wettbewerb mit dem Online-Handel machten den Händlern zu schaffen. Schließungen sind auch durch „Click and Collect“ nicht auszugleichen. Ausdrücklich ausgenommen werden die Sportartikel-Hersteller, denen die aktuelle Situation in die Karten spielt. Jogginghosen und Kapuzenpullover helfen beim Bewegungsdrang angesichts von Homeoffice und eingeschränkter Reisetätigkeit. Dennoch ist auch im Textilsektor ein Anstieg von mehr als 10 Prozent zu erwarten. Licht und Schatten gibt es aber nicht nur bei den Sporttextilien. Auch langlebige Konsumgüter wie Möbel oder Haushaltsgeräte entwickeln sich gut. Allerdings ist der Online-Handel mit diesen Waren für kleine und mittlere Unternehmen noch nicht gang und gäbe. Ein gutes Zeugnis kann Atradius auch der Bauwirtschaft geben – aber dies auch nur, wenn es um den Handel mit Baumaterialien geht. Trotz der wirtschaftlichen Stabilität der Bauwirtschaft ist Atradius eine hohe Zahl von Nichtzahlungs- und Schadensmeldungen genannt worden.

Auch im Ausland wenig Klarheit

Der Kreditversicherer Coface gibt auf Basis seines operativen Geschäfts und volkswirtschaftlichem Modells auch eine Einschätzung für die Insolvenzsituation im Ausland. Dabei gilt für viele Länder das gleiche wie für Deutschland – dank massiver staatlicher Intervention bleiben die Insolvenzen zurück und verschleiern die tatsächliche Lage. Im vergangenen Jahr zählte man in Frankreich fast 40 Prozent weniger Insolvenzen, in Italien ein Minus von 32 Prozent und in Spanien minus 15 Prozent. Dabei waren diese Länder von Lockdown-Maßnahmen teilweise noch stärker betroffen als Deutschland. Coface hat nun ein Modell entwickelt, das auf Basis der Umsatzentwicklung wichtiger Branchen auf der einen Seite sowie von staatlichen Garantien und Zahlungen (in Frankreich ein Solidaritätsfond) auf der anderen Seite die „wahren“ Zahlen berechnet. Dabei unterscheidet der Kreditversicherer „simulierte“ und „versteckte“ Insolvenzen. So bilden die versteckten Insolvenzen, die nur durch staatliche Maßnahmen zu verhindern waren, die Obergrenze der Schätzung, während die simulierten Insolvenzen die Untergrenze des vermuteten tatsächlichen Insolvenzgeschehens angeben. Danach hätten in Deutschland die Unternehmenspleiten 2020 um 21 Prozent zunehmen müssen, in Italien um 39 Prozent, in Frankreich um 44 Prozent und in Spanien um 34 Prozent – tatsächlich weisen diese Länder in der offiziellen Statistik markante Rückgänge beim Insolvenzgeschehen in der Krise auf.

Wie stark Branchen oder Länder tatsächlich insolvenzbedroht sind, ist auch für Kreditversicherer, denen ja tatsächlich Schadensmeldungen konkret vorliegen, nur schwer abzuschätzen. Die Lage bleibt so unübersichtlich und risikoreich wie das Ausmaß der Pandemie an sich auch.

Quelle: Atradius, Coface (u. a.)



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