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Mitarbeiter verzweifelt gesucht

Die Aufträge liegen dem Handwerk vor – doch vielfach fehlt das Personal, um eine zeitgerechte Ausführung zusichern zu können. Wer Handwerker braucht, muss warten können. Händeringend suchen die Betriebe nach Mitarbeitern.

Eine IW-Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums nennt exakte Zahlen: Demnach waren es 2021 201.000 offene Stellen bei nur 139.000 Handwerkern ohne Beschäftigung. Die Lage hatte sich verschärft – im ersten Corona-Jahr 2020 waren es noch 180.000 offene Stellen und 150.000 beschäftigungslose Handwerker. Nun sind alleine 7.200 Meisterstellen zu besetzen.

Die Creditreform Wirtschaftsforschung hat Anfang 2023 nicht nur nach der Lage im Hinblick auf Konjunktur und Finanzierung gefragt, sondern auch nach Hemmnissen in der wirtschaftlichen Entwicklung im Handwerk. Die Lage ist prekär, 83,4 Prozent der befragten Handwerksbetriebe klagten über Schwierigkeiten, wenn es darum geht, Fachkräfte und aber auch Berufsnachwuchs zu finden. Vor einem Jahr wurde bereits nach der Situation beim Personal gefragt und damals gaben 83,0 Prozent der Unternehmen zu Protokoll, dass es ihnen an Fachkräften mangelt. Die Situation hat sich dementsprechend nicht gebessert.

Keine Klimawende ohne Handwerk

Dabei sind die Wirtschaftsbereiche unterschiedlich betroffen. Vor allem das Metallhandwerk und das Handwerk des Gewerblichen Bedarfs sind in einer Notlage. Hier sprechen 87,3 Prozent von einem Fachkräftemangel. Ein wenig besser ist die Situation bei den personenbezogenen Dienstleistern (73,8 Prozent) und beim Nahrungsmittelhandwerk (76,6 Prozent). Dass die Situation bei den unterschiedlichen Branchen des Handwerks nicht die gleiche ist, ist wohl nicht zuletzt aktuellen Entwicklungen geschuldet. Im Zeichen veganer Ernährung warten Fleischereien schon seit Jahren auf Nachwuchs, dagegen können Handwerker in Bereichen, die der Klimawende nahestehen, mit cleverer Unternehmenspolitik punkten. Durch die enormen Kostensteigerungen bei der Energie ist manchem am eigenen Portemonnaie klargeworden, dass es gilt, auf eine andere Versorgung umzusteigen. So gibt es einen Boom bei Solaranlagen und auch die Ankündigung, recht bald den Einbau von Öl- oder Gasheizungen zu verbieten, sorgt für Druck bei Elektrikern, Dachdeckern, Heizungsinstallateuren oder Mechatronikern. Befürchtungen werden laut, dass Deutschland den Klimawandel nicht schaffen könnte, weil es an Fachkräften fehlt, um energetisch zu sanieren oder E-Autos zu reparieren. Die Rede ist von 440.000 Fachkräften im Jahr 2030 im Zusammenhang mit der Umsetzung der Klimaziele.

Creditreform hat aktuell nach den Maßnahmen gefragt, mit deren Hilfe die Betriebe versuchen, den Mangel zu beheben. An erster Stelle steht die eigene Ausbildung im Betrieb. Knapp 60 Prozent der Befragten setzen darauf, ihre Fachkräfte selbst auszubilden. Eine Option, die vor allem das Kfz-Handwerk (69,4 Prozent) und das Ausbauhandwerk (67,1 Prozent) nutzen. Nur bei den personenbezogenen Dienstleistungen hält man sich mit Auszubildenden zurück – nur 39 Prozent der Befragten sprachen hier davon, selbst auszubilden. Die Lage bei den Auszubildenden ist nicht zuletzt deshalb so schwierig, weil die Bildungspolitik in Deutschland stark auf die Akademisierung junger Menschen gesetzt hat. Sechs von zehn Jugendlichen beginnen ein Studium und sie fehlen dann dem Handwerk. Noch bemüht man sich, die Meisterprüfung einem akademischen Abschluss gleichzusetzen, doch es braucht Jahre, um einen solchen kulturellen Wandel durchzuführen. Im Gegenteil: Begannen 2005 noch 163.000 junge Menschen eine Ausbildung im Handwerk, so waren es 2020 noch 130.000. 

An zweiter Stelle der Maßnahmen für die Gewinnung von mehr Fachkräften steht die Zahlung höherer Löhne. Viele Jahre lang konnten kleine Handwerksbetriebe nicht mithalten, wenn die Industrie mehr Geld bot und zusätzlich noch weitere Aufstiegsmöglichkeiten oder Zusatzleistungen. 58,5 Prozent der Handwerker in der Befragung vom Spätwinter gaben an, höhere Löhne zahlen zu wollen. An erster Stelle kann und will das Metallhandwerk aktiv werden (69,3 Prozent) – es folgt das Kfz-Handwerk (60,2 Prozent). Weniger Möglichkeiten zeigt das Nahrungsmittelhandwerk, das mit 38,9 Prozent die wenigsten Stimmen für höhere Löhne abgab. Schließlich hat man auch im Handwerk verstanden, dass Aussprüche wie „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ heute nicht mehr akzeptiert werden. So sprachen 46,0 Prozent davon, die Arbeitsbedingungen im Unternehmen verbessern zu wollen. Aufgerufen fühlt sich dazu die Hälfte der Betriebe im Metallhandwerk, im Ausbauhandwerk, aber auch bei den personenbezogenen Dienstleistungen. Seltener genannt wird die Verbesserung bei den Arbeitsbedingungen im Nahrungsmittelhandwerk (33,3 Prozent) und im Kfz-Handwerk (38,9 Prozent).

Arbeit integriert

Der Zustrom von ausländischen Staatsbürgern (jetzt verstärkt von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine) motiviert hier verstärkt, Arbeitskräfte anzuwerben. Auch wenn die Standards der Ausbildung und Qualifikation oft nicht ganz deutschem Niveau entsprechen – vor allem Metallhandwerk (36,5 Prozent) und Ausbaugewerbe (33,3 Prozent) sehen hier eine Möglichkeit, ihren Personalstamm aufzustocken. Wenig optimistisch bleibt das das Kfz-Handwerk mit 14,8 Prozent der Befragten.

Der Fachkräftemangel ist nicht das einzige Problem, unter dem das Handwerk zu leiden hat. Bei der Frage nach den wichtigsten Themen für das Jahr 2023 im Handwerk wurde noch vor ihm mit fast 80 Prozent von den steigenden Energiekosten als Hindernis gesprochen. Während aber auf den internationalen Märkten die ersten Preisrückgänge zu registrieren sind, die hoffentlich bald auch hier ankommen, handelt es sich beim Fachkräftemangel im Zeichen der Demographie um ein strukturelles Problem, das gerade dem Handwerk noch viele Jahre zu schaffen machen wird.

Quellen: Creditreform, IW, verschiedene Statistiken der Handwerksverbände



Creditreform Kempten/Allgäu Winterstein KG