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Papierlos geduldig
Unternehmen präferieren den papierlosen Weg für das Reporting und die Kommunikation mit der Bank. Doch besonders fortschrittlich sind die Geldinstitute nicht. Was eine moderne Kommunikation mit den Geldgebern ausmacht und warum beide Seiten die Transformation voranbringen sollten.
Die Firma Alders mit Sitz in Kempen, ein Lieferant hochwertiger Komponenten für Elektrotechnik, Elektronik und Elektrodynamik, hat ihre Prozesse in der Verwaltung und in der Buchhaltung so weit digitalisiert, dass „wir intern komplett papierlos arbeiten“, sagt Geschäftsführer Martin Alders. Anders ginge es seit der Pandemie auch nicht mehr. „Unsere Mitarbeiter sind regelmäßig im Homeoffice. Da brauchen sie permanent digitalen Zugriff auf alle Dokumente und Verarbeitungsschritte. Es macht ja keinen Sinn, wenn sie, um an einem bestimmten Dokument oder Vorgang arbeiten zu wollen, noch in die Firma kommen müssten“, sagt er. Auch die Betriebswirtschaftlichen Auswertungen, die aktuellen Zahlen aus dem Controlling und natürlich der Jahresabschluss sind digitalisiert, sodass Alders die Daten auf Knopfdruck abrufen kann.
Die Transformation spart ihm Zeit und Geld. Deshalb ärgert es ihn, wenn seine Hausbanken weit hinter den Möglichkeiten bleiben. „Wir können keinem unserer drei Geldinstitute große Dateien wie unsere Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung reibungslos übermitteln“, sagt Alders. Zuletzt rief ihn ein Sachbearbeiter an, weil der elektronisch verschickte Jahresabschluss nicht durchging. „Für uns wäre es am einfachsten gewesen, wenn wir der Bank die Daten in unserem System zum Abruf hätten hinterlegen können. Doch das ging für das Kreditinstitut nicht“, so der Geschäftsführer. Die Dateien musste er am Ende umständlich auf die Plattform der Bank hochladen.
Alders wäre auch in der Lage, Kreditverträge elektronisch zu signieren. Doch vor einigen Monaten kam eine Mitarbeiterin der Bank eigens zur Unterschrift in die Firma, weil das Geldhaus bei Vertragsabschlüssen noch mit Papier arbeitet. „Für uns sind die Geldinstitute noch in der Steinzeit“, kommentiert Alders.
Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr
Seine Kritik scheint berechtigt. Eine Studie der Unternehmensberatungsgesellschaft Deloitte sieht die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Geldinstitute in Gefahr. In Sachen Digitalisierung hinken sie im internationalen Vergleich jedenfalls deutlich hinterher. „Während Banken weltweit auf gesteigerte Kundenerwartungen gekonnt reagieren, ist in Deutschland kaum Fortschritt zu erkennen“, fasst die Studie ihr Umfrageergebnis zusammen. So bietet ein Drittel der deutschen Institute bisher nicht die Möglichkeit, ein Konto über einen mobilen Kanal zu eröffnen. Dabei präferieren 36 Prozent der deutschen Firmen diese Methode. Die globalen digitalen Champions aber offerieren längst sowohl den mobilen als auch den webbasierten Weg. „Das gehört bei ihnen zum Standardrepertoire“, so die Deloitte-Experten. Mehr noch: Weltweit führende Banken entwickeln sich immer mehr zu Multi-Service-Plattformen. Die Institute bauen komplette Ökosysteme auf, um ihren Kunden Dienstleistungen in vielen Bereichen anbieten zu können. Vor allem aber sind ihre Portale benutzerfreundlich konzipiert. Die Marktbeobachter von Deloitte ziehen das Fazit: „Die Kundenerwartungen entwickeln sich schneller, als die deutschen Banken derzeit nachziehen können.
“Dabei bevorzugten schon vor fast zehn Jahren 70 Prozent der Firmen einen digitalen Weg bei Bankdienstleistungen, wie eine Studie des Beratungshauses Bearingpoint ergab. Mehr als jeder zweite Firmenchef hielt schon damals digitale Lösungen in den Bereichen Kredit und Finanzierung sowie Vorsorge und Versicherung für wichtig. Das Bedürfnis ist noch da: „Viele mittelständische Firmen, insbesondere jene, die von jungen Leuten geführt werden, sind heute digital aufgestellt“, sagt Carl-Dietrich Sander, Unternehmensberater in Kaarst. Sie wollen ihre Prozesse sowie das Reporting mit der Bank elektronisch abwickeln. Das zeigt sich auch daran, „dass sich schon seit einiger Zeit ein starker Rückgang bei den persönlichen Kontakten mit der Bank vollzieht, und zwar über alle Wirtschaftszweige“, sagt Johannes Müller, Geschäftsführer der Johannes Müller Wirtschaftsberatung (BDU) in Bünde. Die Anzahl der Geschäftstermine vor Ort reduziert sich kontinuierlich. „Unternehmen besuchen nicht mehr so häufig ihre Bank“, sagt Müller. Bei den Geldinstituten baut das Druck auf und zwingt sie, mehr digitalen Service zu bieten.
Kreditvergabe übers Onlineportal
Die Sparkasse zu Lübeck sieht den Bedarf. Als eines der ersten Institute der Gruppe ging das Haus Anfang April 2022 mit einem Internetportal für gewerbliche Nutzer, dem „Firmenkundenportal“, an den Start. Unternehmen können digital ihren gesamten Zahlungsverkehr abwickeln, webbasiert, jederzeit, auch mit dem Smartphone. Die Geschäftsführung kann einzelne Mitarbeiter permanent oder temporär autorisieren, bis zu einer bestimmten Höhe Überweisungen abzuwickeln. Auch externe Dienstleister können auf freigegebene Inhalte Zugriff erhalten – sodass etwa der Steuerberater Einsicht in die Kontoauszüge nehmen kann. Außerdem haben Unternehmer die Möglichkeit, über das Portal einen Kredit in Höhe von bis zu 70.000 Euro aufzunehmen. „Das funktioniert ohne persönlichen Kontakt komplett elektronisch“, erklärt Thomas Timm, Leiter Firmenkundencenter der Sparkasse zu Lübeck. Die Sparkasse holt nur noch automatisch eine Bonitätsauskunft bei Creditreform ein. Fällt diese positiv aus, „gewähren wir im besten Fall innerhalb eines Tages das Darlehen, sonst sind es vielleicht zwei Tage“, so Timm.
„Im besten Fall gewähren wir innerhalb eines Tages ein Darlehen.“
Thomas Timm, Sparkasse zu Lübeck
Handwerksunternehmer Peter Bode findet das Portal gut. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Habotec GmbH in Lübeck mit 180 Mitarbeitern. „Wir konnten unsere Prozesse enorm vereinfachen. Wenn wir zum Beispiel für Überweisungen früher sechs oder sieben Schritte brauchten, haben sich diese jetzt auf zwei minimiert“, sagt Bode. Über das Portal kontrolliert er sämtliche Zahlungsein- und -ausgänge – und zwar bei seinen beiden Banken. Außerdem hat er einzelnen Mitarbeitern Überweisungslimits erteilt. „Früher mussten wir uns als Führungskräfte selbst darum kümmern, dass wir unsere Rechnungen pünktlich bezahlen. Wir arbeiten mit dem Portal deutlich effizienter“, sagt Bode. Digitalen Service haben auch andere Geldinstitute schon länger im Programm, wie etwa die Deutsche Bank. Unternehmer können zum Beispiel über deren Plattform BluePort/bankline+ ihre Geschäftskonten digital verwalten und ihren Zahlungsverkehr regeln. „BluePort/bankline+ ist eine reine Zahlungsverkehrsplattform. Aktuell nutzen unsere Kunden sie, um auf ihre Konten zuzugreifen, um Salden und Umsätze abzufragen oder auch Transaktionen zu tätigen. Die Kunden können bequem und übersichtlich den gesamten Zahlungsverkehr standortunabhängig online abwickeln“, sagt ein Sprecher der Deutschen Bank. Auch dieses Portal ist multibankfähig. „Um allen Kunden zusätzliche Produkte und Services an einem Ort anbieten zu können, wird eine Integration in unser internationales Portalangebot für Firmenkunden erfolgen. Damit genießen unsere Kunden künftig alle globalen Vorteile unserer digitalen Lösungen“, beschreibt er die weiteren Pläne der Bank. Überdies bietet es integrierte Tools für eine einfache Buchhaltung.
Online einen Kredit zu beantragen, geht hier allerdings nicht. Zwar können Firmenchefs Darlehen in Höhe von bis zu 250.000 Euro mit Laufzeiten zwischen 12 und 18 Monaten bei der Deutschen Bank elektronisch beantragen. Und bei einem kurzfristigen Liquiditätsbedarf haben sie die Möglichkeit, eine Kontokorrentkreditlinie in Höhe von bis zu 250.000 Euro elektronisch anzufragen. Die Unterlagen verschickt die Bank anschließend allerdings postalisch.
Unterm Strich scheint der Weg zu einer vollständig elektronischen Geschäftsbeziehung mit den Geldinstituten also noch weit. Für die Unternehmer Martin Alders und Peter Bode ist das aber auch gar nicht das Ziel. „Auf ein Jahresgespräch mit den Banken, am liebsten vor Ort bei mir in der Firma, lege ich schon großen Wert. Im persönlichen Gespräch lässt sich einiges besser klären als per Mausklick“, sagt Bode. Genauso denkt Martin Alders. In diesem Jahr hat er allerdings das Problem, dass seine Terminanfragen bei allen drei Banken abgeschmettert wurden. „Sie begründen ihre Absage mit einem zu hohen Arbeitsaufkommen“, sagt Alders. Thomas Timm von der Sparkasse zu Lübeck bestätigt den Engpass. Auch sein Team ist stark ausgelastet. Er gibt Unternehmern den Rat: „Wer sich treffen will, sollte am Ball bleiben und nachhaken. Bei uns bekommt jeder einen Termin, das kann eben momentan nur etwas dauern.“
Interview: „Unternehmer erwarten eine schnelle Kreditvergabe“
Johannes Müller ist geschäftsführender Gesellschafter der gleichnamigen Unternehmensberatung und Vorstandsmitglied des Fachbereichs Finanzierung und Controlling beim Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen (BDU). Er sagt: Banken müssen mehr digitalen Service bieten.
Wie digital sollten Unternehmen mit Blick auf die Bankenkommunikation aufgestellt sein?
Müller: E-Mail-Verkehr ist längst Standard, ebenso der elektronische Austausch von Daten. Im besten Fall liegen sämtliche Unterlagen in einer Cloud, sodass sowohl die Unternehmen als auch die Bank darauf permanent Zugriff haben. Hier kann dann auch zum Beispiel der Jahresabschluss mit allen Anlagen digital vom Geldinstitut abgerufen werden. Das wäre schon die Kür und für beide Seiten eine komfortable Lösung.
Ist Digitalisierung für das Rating relevant?
Die Banken fragen Unternehmer, welchen Stellenwert sie der Digitalisierung beimessen. Allerdings ist es für Kundenberater schwierig, den Stand in den Firmen richtig zu interpretieren. Unternehmer sollten erläutern, welche Projekte sie gestartet und realisiert haben. Der Berater muss sich ein Bild machen können, wie weit die Transformation und die Datensicherheit schon fortgeschritten sind. Insofern ist die Digitalisierung sicher ratingrelevant.
Unternehmer können über Plattformen schon ihren Zahlungsverkehr kontrollieren und abwickeln. Aber Online-Kreditvergaben bieten nur wenige Banken an. Müssen sie mehr liefern?
Wir stellen in der Praxis eine Verhaltensänderung aufseiten der Unternehmer fest. Sie erwarten schnelle Kreditvergaben, weshalb sich die Nachfrage nach Mitteln ohne Hausbank stark entwickelt. Das sehen wir zumindest bei Beträgen bis zu 750.000 Euro mit Laufzeiten von bis zu 60 Monaten. Unternehmen zahlen für schnelle Onlinevergaben durchweg einen etwas höheren Zins. Denn Liquidität geht vor Rentabilität. Wer bei den Onlinemaklern einen Antrag stellt, kann die Mittel innerhalb von zwei Tagen auf dem Konto haben. Wenn die Hausbanken konkurrenzfähig sein wollen, müssen sie sich anstrengen und bald nachziehen.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Eva Neuthinger
Bildnachweis: istock.com/Dziggyfoto