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Ende des Versteckspiels: Leasing nach IFRS 16
Bilanzoptimierung durch kreative Interpretation von Leasingverträgen war gestern. Seit Jahresbeginn gelten für Leasingnehmer bei der Bilanzierung neue Regeln.
Bildet die Bilanz die Situation eines Unternehmens wirklichkeitsgetreu ab? Wer daran Zweifel hatte, sah sich jahrzehntelang durch die Praxis der Leasingbilanzierung (IAS 17) bestätigt.
Denn die gestattete einem Leasingnehmer erheblichen Freiraum bei der Abbildung von Geschäftsvorfällen im Rechenwerk. Er konnte weitgehend frei entscheiden, ob es sich bei einem Vorgang um ein „Finance Lease“ oder ein „Operate Lease“ handelte.
Bei einem Finance Lease, das eher einem fremdfinanzierten Kauf, beispielsweise eines Fahrzeugs oder einer Maschine, glich, wurde der Leasinggegenstand in der Bilanz als Vermögenswert aktiviert und gleichzeitig eine entsprechende Verbindlichkeit erfasst. Dagegen wurde ein Operate Lease, das eher den Charakter einer Miete hatte, bilanzneutral dargestellt.
Der Leasingnehmer berücksichtigte lediglich die Leasingzahlungen im Aufwand. Eine entsprechende Erwähnung im Bilanzanhang reichte aus.
Schluss mit Off-Balance
Viele Unternehmen nutzten die weitgehende Wahlfreiheit zur Gestaltung ihrer Bilanz.
Durch geschickte Zuordnung von Leasinggegenständen (Operate statt Finance) hielten sie erhebliche Summen aus der Bilanz heraus und vermittelten so ein bisweilen deutlich positiveres Bild. Nach einer Analyse des International Accounting Standards Board (IASB) wurden zeitweise mehr als 85 Prozent der Leasingverpflichtungen nicht in den Bilanzen der Leasingnehmer abgebildet.
Um für mehr Transparenz zu sorgen, gilt seit Jahresbeginn für Unternehmen, die nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften (IFRS) bilanzieren, der neue Standard IFRS 16. Er macht Schluss mit der Off-Balance-Darstellung, Verbindlichkeiten lassen sich nicht länger verstecken.
Denn es gibt keine Unterscheidung mehr zwischen Finance und Operate Lease. Stattdessen werden für alle Leasingverhältnisse ein Nutzungsrecht und eine korrespondierende Verbindlichkeit erfasst.
Das Nutzungsrecht muss als Teil des Anlagevermögens oder als separater Bilanzposten ausgewiesen und linear über die Laufzeit des Vertrages abgeschrieben werden. Die Verbindlichkeit wird in Höhe des Barwerts der künftig zu leistenden Leasingzahlungen passiviert.
Hat mit IFRS 16 eine neue Zeitrechnung im Leasing und möglicherweise auch im Rating von Unternehmen begonnen? Schließlich ändern sich im Zuge der geänderten Bilanzierungspflicht wichtige Kennzahlen wie das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögensgegenstände (EBITDA), das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (EBIT) oder die Eigenkapitalquote.
Michael Munsch, Vorstand der Creditreform Rating AG, ist überzeugt, dass die Neuregelung keinen Einfluss auf die Tätigkeit der Ratingagentur haben wird. „Wir haben uns bereits in der Vergangenheit stets auch die Off-Balance-Positionen zeigen lassen und in unsere Bewertung einbezogen. Deshalb verschafft uns der neue Bilanzierungsstandard keine zusätzlichen Erkenntnisse“, betont er.
Gleichwohl werde IFRS 16 für mehr Transparenz sorgen – insbesondere auf internationaler Ebene, denn der neue Standard gilt für mehr als 100 Länder.
Allerdings ermöglichen zwei Ausnahmeregelungen auch in Zeiten von IFRS 16 einen, wenn auch eingeschränkten, Gestaltungsspielraum. Gegenstände im Wert von weniger als 5.000 US-Dollar könnten weiterhin off-balance bilanziert werden. Das Gleiche gilt für Leasingverträge mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten.
Leasing zentral verwalten
Alles in allem bedeutet der neue Bilanzierungsstandard aber nicht nur den Abschied von Freiheiten in der Rechnungslegung. Er initiiert in vielen Fällen auch ein anderes Arbeiten.
Denn nach Einschätzung von Beobachtern existierten in vielen Unternehmen lange Zeit keine oder allenfalls veraltete Prozesse zum Leasing. Auch sei Leasing häufig dezentral aufgestellt gewesen.
Jede Abteilung kümmerte sich um die sie betreffenden Leasingsachverhalte. Nunmehr würden Unternehmen ihre Leasingaktivitäten dagegen häufiger zentral verwalten, klassifizieren und auch besser dokumentieren, berichten Fachleute.
Aufgrund der Vielzahl von Optionen, Kündigungsrechten und weiteren Bestimmungen, die nach ihren Auswirkungen auf die Bilanzierung untersucht werden müssen, sind die Anforderungen an das Vertragsmanagement und die IT-Prozesse zur Datenbereitstellung und Datenverarbeitung erheblich gestiegen.
Branchensicht: Auswirkungen bleiben überschaubar
Die Leasingbranche sieht die Neuregelung gelassen. „In Deutschland bilanzieren gerade einmal rund 1.300 meist große, börsennotierte Konzerne nach den Regeln der IFRS. Viele von ihnen sind nicht nennenswert leasinggeprägt. Unser Tagesgeschäft ändert sich dadurch nicht“, sagt Rolf Hahn, Vorsitzender der Geschäftsführung der MLF Mercator-Leasing GmbH & Co. Finanz-KG. Die Bilanzierung beim Leasinggeber richtet sich auch künftig danach, welche Partei die wesentlichen Chancen und Risiken an einem Leasinggegenstand trägt. Das heißt, Leasingunternehmen unterscheiden weiterhin zwischen Finance Lease und Operate Lease und orientieren sich an den in Deutschland gültigen steuerlichen Vorschriften.