Presse, Fachbeiträge & Neuigkeiten

Hier finden Sie eine Übersicht unserer aktuellsten Veröffentlichungen.

Creditreform Magazin

So treffen verschärfte Berichtspflichten Unternehmen

Schon bald müssen deutlich mehr Unternehmen über ihre Nachhaltigkeit berichten als bisher. Der Aufwand ist enorm. Was mit der neuen CSR-Richtlinie der EU ab 2024 auf sie zukommt, wie sie sich vorbereiten – und wie sie Nutzen aus der Regulierung ziehen.

Für die einen ist es noch mehr Bürokratie aus Brüssel, für andere ein wichtiger Baustein der EU auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050: die deutlich ausgeweitete Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. Am 21. Juni einigten sich das Europäische Parlament und der Rat – also die Vertreter der 27 EU-Mitgliedstaaten – über den Vorschlag der EU-Kommission für die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Sie muss bis zum 1. Dezember 2022 in nationales Recht umgesetzt werden.

Die CSRD ersetzt die bisher geltende Non-Financial Reporting Directive (NFRD). Die neuen Anforderungen gelten für alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 40 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von 20 Millionen Euro. Damit sind auch Mittelständler betroffen. Diese erhalten allerdings für eine Übergangszeit bis 2028 eine Opt-out-Möglichkeit.

„Die Bürger werden in der Lage sein, die Tätigkeiten von Unternehmen nicht nur in finanzieller Hinsicht zu messen.“
Mairead McGuinness, EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen

Die CSRD wird in drei Stufen eingeführt. Den Anfang machen Unternehmen, die bereits der NFRD unterliegen (siehe Kasten: „Ab dann gilt die Berichtspflicht“ auf Seite 16.) EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness sprach von einem Meilenstein. „Die Bürger werden in der Lage sein, die Tätigkeiten von Unternehmen nicht nur in finanzieller Hinsicht zu messen, sondern auch zu beurteilen, wie sie sich auf Menschen und Umwelt auswirken.“ Andere EU-Parlamentarier kritisierten die Regulierung. So sagte Angelika Niebler (CSU), Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe und Mitglied des zuständigen Rechtsausschusses: „Das alles kostet Unternehmen viel Zeit und Geld.“ Allein in Deutschland würden zehnmal so viele Unternehmen wie bisher in die Nachhaltigkeitsberichterstattung einbezogen und jetzt „mit noch mehr Bürokratie bei ungewissem Mehrwert“ konfrontiert.

Kritik an der Ordnungspolitik

Aus Sicht der EU-Kommission ist der Aufwand notwendig, um die angestrebte Transformation der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit zu finanzieren. Das Geld soll vor allem von Anlegern kommen. Aber auch Banken werden in Zukunft immer öfter nach Nachhaltigkeitsdaten fragen. Damit alle Beteiligten wissen, wo sie investieren oder wem sie Geld leihen sollten und wem nicht, müssen zuerst alle wirtschaftlichen Tätigkeiten definiert werden, die den Kriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung genügen. Das geschieht durch die Taxonomie, einem Klassifizierungssystem zur Lenkung der Geldströme in nachhaltige Projekte. Die Taxonomie-Kriterien sollen alle drei Jahre angepasst werden, um den technischen Fortschritt abzubilden. Das Ganze funktioniert aber nur, wenn Unternehmen Anlegern und anderen Interessenträgern alle Daten über ihre Nachhaltigkeit zur Verfügung stellen – daher die Berichtspflicht. 

Ökonomen wie Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts in München, kritisieren die Taxonomie als „Planwirtschaft“. Gemeinsam mit Volker Meier schreibt Fuest in der Mai-Ausgabe des ifo Schnelldiensts: „Die Lenkung wirtschaftlicher Aktivitäten zur Internalisierung von Umweltschäden gehört zur Gestaltung der Rahmenbedingungen in marktwirtschaftlichen Systemen – dafür aber existieren andere, deutlich zielgenauere Instrumente.“ Das nach Meinung zahlreicher Wirtschafts- und zunehmend auch Klimawissenschaftler effizienteste Instrument dafür ist der Handel mit Emissionszertifikaten, das auch in der EU zum Einsatz kommt, aber noch nicht konsequent und umfassend.


Ab dann gilt die Berichtspflicht

Die Anwendung der Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung erfolgt in drei Stufen:

  • Ab dem 1. Januar 2024 für Unternehmen, die bereits der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen unterliegen.
  • Ab dem 1. Januar 2025 für große Unternehmen, die derzeit nicht der Richtlinie über die Angabe nichtfinanzieller Informationen unterliegen.
  • Ab dem 1. Januar 2026 für börsennotierte kleine (1) und mittlere Unternehmen sowie für kleine (1) und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherer.
     

(1) Unternehmen gelten nach Richtlinie 2013/34/EU ab Überschreitung von zwei der drei Merkmale als klein: 10 Beschäftigte, 350.000 Euro Bilanzsumme, 700.000 Euro Nettoumsatz

Quelle: Europäischer Rat


Vergleichbarkeit herstellen

Trotz dieses ordnungspolitischen Einwands müssen Unternehmen in der Praxis mit der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung klarkommen. Das ist schon deshalb eine Herausforderung, weil die verbindlichen europäischen Standards noch nicht vorliegen. Sie werden noch im Auftrag der EU-Kommission von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) erarbeitet. Die EFRAG ist ein 2001 gegründeter nicht gewinn­orientierter Verein, der die EU-Kommission bereits bei dem Prozess der Übernahme der International Financial Reporting Standards (IFRS) unterstützt hat. 

Mit Blick auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung will die EFRAG nun bis November 2022 einen Satz von Entwürfen für Standards vorlegen. Relevante Interessengruppen können bis zum 8. August ihr Fachwissen und ihre Kommentare einbringen. Die EU-Kommission berücksichtigt die Vorschläge der EFRAG und erlässt die Nachhaltigkeitsstandards dann in Form delegierter Rechtsakte nach Artikel 290 AEUV. Auch das stößt auf Kritik. So kommt die Stiftung Familienunternehmen in einer Studie zu dem Schluss, dass „die Delegationsregelungen der CSRD in verschiedener Hinsicht mit den EU-Verträgen unvereinbar sind“. 

Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland (IDW) wiederum sorgt sich vor allem mit Blick auf große Unternehmen um die globale Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung. „Ein Nebeneinander eines verpflichtend anzuwendenden europäischen Standards einerseits und internationaler Standards andererseits sollten wir vermeiden“, fordert Klaus-Peter Naumann, Sprecher des Vorstands des IDW. Ein Flickenteppich wäre mit Mehrkosten für die Unternehmen verbunden. Daher sollte für weltweit tätige Unternehmen ein internationaler Standard entwickelt werden. Dieser könnte – wie bei den IFRS – durch den bekannten Mechanismus in europäisches Recht übernommen werden. 

Georg Lanfermann, Präsident des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC), erwartet, dass die kommenden Standards sehr detailliert Berichtsthemen aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance mit Berichtsinhalten und dazugehörigen Leistungskennzahlen definieren. Das DRSC wolle in Zukunft eine zentrale Plattform nicht nur im Bereich der finanziellen, sondern auch der Nachhaltigkeitsberichterstattung sein und in künftigen Standardsetzungsdiskussionen die „deutsche Stimme“ vertreten, schreibt Lanfermann in einem Fachartikel für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG unter der Überschrift „Nachhaltigkeitsberichterstattung auf Augenhöhe mit der Finanzberichterstattung“. 

Die Überschrift ist ein Beleg für die Bedeutung des Themas. Damit Investoren, Kreditgeber und andere Interessierte nicht lange suchen müssen, soll die Nachhaltigkeitsberichterstattung zwingend im Lagebericht erfolgen und elektronisch publiziert werden. Um auf die Richtigkeit der von den Unternehmen veröffentlichten Nachhaltigkeitsinformationen vertrauen zu können, sieht die CSRD zudem vor, dass die Berichte inhaltlich durch den Abschlussprüfer mit „begrenzter Prüfungssicherheit“ geprüft werden müssen. EU-Staaten können alternativ die Prüfung durch andere externe Prüfer erlauben. Damit unterliegt die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Bilanzprüfung. Später, wenn es einen Markt für solche Prüfungs- und Bestätigungsdienstleistungen gibt, behält sich die EU-Kommission ein höheres Maß an Prüfungssicherheit vor, die sogenannte „hinreichende Sicherheit“.


Das soll die EU-Taxonomie leisten

Sie schafft ein einheitliches und verbindliches Klassifikationssystem für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten. Als solche gelten Aktivitäten, die auf mindestens eins der sechs folgenden Ziele einzahlen:

  • den Klimaschutz
  • die Anpassung an die Folgen des Klimawandels
  • die nachhaltige Nutzung und den Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  • den Weg zur Kreislaufwirtschaft
  • die Prävention und Kontrolle von Umweltverschmutzung
  • den Schutz und die Wiederherstellung von biologischer Vielfalt und Ökosystemen


Für die beiden erstgenannten Ziele sowie für emissionsintensive Wirtschaftsaktivitäten gibt es bereits technische Prüfkriterien, die zum Beispiel festlegen, wie viel Treibhausgase bei der Produktion einzelner Güter maximal emittiert werden dürfen. 

Wichtig zu wissen für kleine und mittlere Unternehmen: Wenn zum Beispiel ein Autobauer seine Produktion auf Taxonomie-Konformität umstellt, werden auch seine Zulieferer fast zwangsläufig „grünere“ Vorleistungen erbringen müssen – noch bevor die Berichtspflicht für sie offiziell gilt.

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft


Geschäftsführer haften

Ferner werden die Anforderungen an die Prüfungspflicht des Aufsichtsrats im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung verschärft. Bei kleinen und mittleren Unternehmen wird die Verantwortung der Geschäftsführung für die Finanzberichterstattung auf den Nachhaltigkeitsbericht ausgeweitet (zu den geplanten Änderungen siehe auch Kasten rechts: „Verschärfte Regeln für die Berichterstattung“).

Insgesamt stehen Unternehmen vor immensen Herausforderungen. So wie der Maschinen- und Anlagenbauer GEA, als er 2011 damit anfing, im Rahmen des Carbon Disclosure Projects (CDP) über Risiken und Chancen in Bezug auf das Klima und CO2-Minderungspotenziale zu berichten – auch weil dies Kunden schon damals wichtig gewesen sei, sagt Nadine Sterley, Chief Substainable Officer bei dem Maschinenbauer. Auf der Plattform habe GEA seine entsprechenden Aktivitäten gegenüber der Außenwelt darstellen können. „Wir haben anfangs nicht gut abgeschnitten, fühlten uns aber angespornt, einem Anstieg der Treibhausgasemissionen auch durch ein dezidiertes Produktportfolio entgegenzuwirken.“ 

Inzwischen sei die Berichterstattung Teil der GEA-Nachhaltigkeits- und Unternehmensstrategie. Bereits seit 2016 berichte die Gruppe über nichtfinanzielle Risiken. Kernthemen lasse man seit 2018 mit begrenzter Sicherheit prüfen. 2024 komme ein großer Schritt: „Dann werden wir integriert berichten, also nichtfinanzielle Leistungskennzahlen direkt in die Finanzkapitel eingliedern“, sagt Sterley, deren Nachhaltigkeitsabteilung direkt unter dem Vorstandsvorsitzenden Stefan Klebert angesiedelt ist. 

Strukturen schaffen

Während Konzerne wie GEA bereits Erfahrungen mit der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten gemacht haben, fangen die meisten kleinen und mittleren Unternehmen bei null an. Sie sollten den Aufwand nicht unterschätzen und spätestens jetzt mit den Vorbereitungen beginnen. Im ersten Schritt müssen ausreichend Kapazitäten für die Berichterstattung geschaffen werden, insbesondere für die Konzeption, die Datensammlung und -zusammenführung. Zumindest thematisch – also darüber, was in den Bericht reingehört – gibt jetzt die CSRD Orientierung. Bisher nutzten Unternehmen dafür Standards wie die der Global Reporting Initiative oder des Deutschen Nachhaltigkeitskodex.

Ein häufiges Problem dürfte die Beschaffung und die Qualität der Kennzahlen werden. Kleine und mittlere Unternehmen erheben aktuell vor allem elementare Daten wie ihren Energieverbrauch und müssen für die nun geforderte Informationstiefe neue Strukturen einführen. Diese sind wichtig, um eine zumindest halbwegs gute Datenqualität in den ersten Jahren sicherstellen zu können. Am Ende müssen die Informationen zusammengeführt werden. Prüfgesellschaften wie Dekra und TÜV Süd, die auch bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten helfen, raten Unternehmen, schon jetzt mit der Berichterstattung zu beginnen. Bis zum Inkrafttreten der Berichtspflicht könnten sie den Aufwand dann einschätzen und die Kapazitäten und Strukturen noch dementsprechend entwickeln.

Hilfestellung erhalten Unternehmen auch von den zuständigen Industrie- und Handelskammern sowie von Beratungsunternehmen, auf die Berichtspflichtige zugehen können. Allerdings werden auch hier langsam die Ressourcen knapp. Wie Oliver Blank, Leiter European Affairs beim Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) sagt, „ist der Beratungsbedarf zwar riesig, aber es gibt nicht genug Berater, die beim Aufbau oder Umbau des Sustainability Reportings unterstützen.“


Verschärfte Regeln für die Berichterstattung

Die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD (ausgewählte Aspekte):

Breites Anwendungsgebiet: Die Berichtspflicht umfasst sukzessiv rund 50.000 Unternehmen in der Europäischen Union statt bisher etwa 11.700.

Doppelte Wesentlichkeit: Zu berichten ist sowohl über das Geschäft als auch über die Folgen der Unternehmenstätigkeit auf ­Menschen und Umwelt.

Einheitliche Standards: Um die Vergleichbarkeit der Berichte zu verbessern, müssen Unternehmen einheitliche Standards nutzen. Besonderheiten von KMU werden berücksichtigt.

Klare Verortung: Die Nachhaltigkeitsberichterstattung erfolgt zwingend im Lagebericht und muss elektronisch veröffentlicht werden. 

Externe Prüfung: Der Nachhaltigkeitsbericht muss durch den Abschlussprüfer mit begrenzter Sicherheit geprüft werden. EU-Staaten dürfen zusätzlich externe Prüfer erlauben.

Interne Überwachung: Der Aufsichtsrat überwacht auch den digitalen Meldeprozess und die unternehmerischen Kontrollsysteme im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung.


Mehr als nur grün

Bei der Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts gibt es viel zu beachten. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln rät als Erstes dazu, Nachhaltigkeit in allen Dimensionen zu verstehen. Nachhaltigkeit heiße nicht nur „alles, was grün ist“. Auch Soziales wie die Achtung von Menschenrechten in der Lieferkette und gute Unternehmensführung wie Fachkräftesicherung gehörten in den Report. Unternehmen wirtschafteten nachhaltig, wenn sie die langfristigen Interessen ihrer verschiedenen Anspruchsgruppen über kurzfristige Erfolge beim Wachstum oder Unternehmenswert stellen. 

Die Fachleute des arbeitgebernahen Forschungsinstituts sehen in einem Nachhaltigkeitsbericht auch eine große „kommunikative Chance“. Wenn die gelieferten Daten in einen Kontext gestellt werden, könnten Unternehmen Entwicklungen positiv besetzen – aber ebenso erklären, warum es an einigen Stellen vielleicht noch hakt. Unkommentierte Daten wiederum ließen Leser mit der Interpretation allein. 

Tue Gutes und rede darüber. Egal, ob Unternehmen mit anderen Firmen oder mit Endverbrauchern Geschäfte machen: Künftig werden die Kunden immer genauer hinsehen, wie nachhaltig ein Unternehmen agiert. Bankmanager schließlich betonen: Nachhaltigkeitsaspekte werden sich schon bald über Zinsdifferenzen in den Finanzierungskonditionen niederschlagen sowie über die Bonität und das Rating in den Kreditkonditionen. Insofern stellt die CSRD Unternehmen zwar vor große Herausforderungen und konfrontiert sie mit noch mehr Bürokratie. Doch geht alles gut, besteht eine realistische Chance, dass die Wirtschaft nachhaltiger und resilienter und die EU klimaneutral wird.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Terliesner



KontaktKontakt