Ohne Geld kein Wandel

Ausgaben für Digitalisierung, Dekarbonisierung, Deglobalisierung: Unternehmen haben momentan einen exorbitant hohen Kapitalbedarf. Bankkredite und Fördergelder sind gut. Doch sie reichen oft nicht aus, um die Transformation zu finanzieren. Mit welchen Mitteln lässt sich das Problem lösen?

Die Deutsche Paletten Logistik GmbH mit Sitz in Soest investierte im vergangenen Jahr stark, um ihre Nachhaltigkeitsstrategie umzusetzen und sich wachstumsorientiert aufzustellen. Nachhaltiges Engagement hat für Gründer und CEO Horst Gutzeit einen hohen Wert. Das Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern beliefert täglich Handel und Industrie mit Europaletten via Pooling-System. Die Firma kauft die Ladungsträger und verleiht sie an die Lebensmittelindustrie und den Handel weiter. Damit verbessert DPL logistische Prozesse durch nachhaltiges Palettenhandling. „Wir optimieren kontinuierlich die Lieferketten und achten streng auf Materialien und Ressourcen“, sagt Gutzeit. 

Also entschied er sich, auch seine Finanzierung nachhaltig aufzustellen. Mit Unterstützung des Financial-Engineering-Spezialisten Chartered Investment emittierte das Unternehmen zwei grüne Anleihen, sogenannte Green Bonds. Diese Schuldverschreibungen stellen sehr hohe Anforderungen in Bezug auf CO2-Reduktion, Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung. „Für Investoren ist Nachhaltigkeit heute extrem wichtig, entsprechend groß ist ihr Interesse an Green Bonds“, sagt Daniel Maier, CEO bei Chartered Investment. Maier hat sich darauf spezialisiert, maßgeschneiderte und individuelle Finanzierungslösungen für mittelständische Unternehmen zu entwickeln. In diesem Fall erschien die grüne Anleihe auch deshalb als eine gute Lösung, weil die Deutsche Paletten Logistik eine besonders lange Bilanz mit relativ niedrigem Eigenkapital aufweist – insbesondere, weil sie einen hohen Bestand an Europaletten kaufen und vorhalten muss. Für die Banken ist das ein Manko. Mit den Europaletten als Sicherheiten für eine Finanzierung können sie wenig anfangen.

Kapitalbedarf bleibt dauerhaft hoch

Solche Probleme kennen viele Mittelständler, die vor der Aufgabe stehen, Prozesse zu optimieren und sich den Anforderungen der Transformation zu stellen. „Von der deutschen Wirtschaft müssen derzeit immense Investitionsvolumina finanziert werden. Allein in NRW beträgt der Kapitalbedarf rund 70 Milliarden Euro“, sagt Jürgen Schnitzmeier. Er ist Leiter der Fachgruppe Finanzökosystem des Kompetenzzentrums Fin.Connect.NRW. Im Auftrag des Landeswirtschaftsministeriums entwickelt die Initiative momentan neue Formationen zur Finanzierung der Trans­formation und mobilisiert private Geldgeber, gegebenenfalls auch aus dem Ausland. Ähnliche Projekte gibt es auch in anderen Bundesländern.

Der Staat hat das Problem erkannt. „Da der Großteil der Unternehmen nicht am Kapitalmarkt aktiv ist, sondern sich durch Bankkredite finanziert, und die Banken ihre Kredite aufgrund der EU-Taxonomie nachhaltig ausrichten müssen, kann es zu Engpässen bei der Darlehensvergabe kommen“, befürchtet Schnitzmeier.

Das Dilemma mit der Nachhaltigkeit

Unternehmer sollten sich wappnen und ihre Finanzierung vorbereiten. Dabei stehen sie vor einem Dilemma: „Die Banken und auch private Investoren legen einen gesteigerten Wert darauf, dass die Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit gut aufgestellt sind“, sagt Eva Ringelspacher, Mitglied der Geschäftsleitung der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner in München sowie Mitglied des erweiterten Vorstands der Gesellschaft für Restrukturierung TMA Deutschland und Vice President TMA Global International Relations. Nur: Genau für Dinge wie Dekarbonisierung, Digitalisierung oder auch Deglobalisierung benötigen sie die Kredite, die sie beantragen.

Firmen, die hier bereits Maßnahmen realisiert haben und die Transformation weiter vorantreiben wollen, profitieren von einem besseren Zugang zum Kapitalmarkt zu günstigeren Konditionen. Schnitzmeier empfiehlt, entsprechende Zertifizierungen vorzulegen und die Kapitalgeber umfassend aufzuklären, was getan wird. Die Berichterstattung wird schließlich auch für Mittelständler Sinn machen, die eine Kapitalmarktorientierung – etwa eine Anleihefinanzierung – anstreben.

Daniel Maier von Chartered Investment, der für die Firmen solche Emissionen realisiert, zeigt sich allerdings wählerisch: „Wir nehmen nur Fälle, bei denen wir realistische Erfolgsaussichten für eine Platzierung erkennen können. Zum Beispiel bei Marktführern, die eine Nische besetzen oder sich als lokaler Champion behaupten.“ Außerdem sollte der Kapitalbedarf durch Vermögenswerte besichert werden können. „Das heißt, die Unternehmen kaufen mit dem Geld Werte, die sie als Sicherheiten einsetzen. Es ist unsere Spezialität, verfügbare Sicherheiten zu ermitteln, um eine günstigere Finanzierung auf die Beine zu stellen als bei einem unbesicherten Kredit“, so Maier.

Einen anderen Ansatz verfolgt die Beteiligungsgesellschaft Hannover Finanz. Sie ging im Juli 2024 mit einem neuen Transformationsfonds an den Markt. Rund 100 Millionen Euro stehen bereit, die Kapitalzusagen stammen in erster Linie von deutschen Unternehmerfamilien und Family-Offices. Zielgruppe des Fonds sind Unternehmen, die sich in Sondersituationen wie einer strategischen Neupositionierung, einem Finanzierungsengpass oder einer Neuordnung der Gesellschafterstruktur befinden, aber ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell vorweisen. „Während klassische Special-Situations-Fonds die Unternehmen stabilisieren und dann zeitnah wieder verkaufen, halten wir unsere Beteiligungen über drei bis sieben ­Jahre. Wir gehen eine langfristige Eigenkapitalpartnerschaft ein“, sagt Geschäftsführer Goetz Hertz-Eichenrode. Momentan registriere die Private-Equity-Gesellschaft mehr Anfragen als üblich. „Die Wirtschaft agiert seit der Corona-Zeit permanent im Krisenmodus. Unternehmer sind verunsichert. Deshalb brauchen sie Hilfe und finden es gut, wenn wir mit Kapital und vor allem auch mit unserer Expertise einsteigen“, sagt er. Eine Beteiligung kommt für Firmen mit einem Umsatzvolumen zwischen 20 Millionen und 250 Millionen Euro in Betracht.

„Fristenkongruenz beachten“

Eva Ringelspacher ist Mitglied der Geschäftsleitung der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner in München. Sie gibt Mittelständlern den Rat, lieber teuer zu finanzieren als gar nicht in die Transformation zu investieren.

Wie sieht ein moderner Finanzierungsmix aus?

Das klassische Bankendarlehen ist das Mittel der Wahl, ergänzt durch staatliche Förderungen sowie alternative Finanzierungen wie Factoring, Leasing oder Sale-and-lease-back. Wir erkennen darüber hinaus ein leicht steigendes Interesse an Minderheitsbeteiligungen einer Private-Equity-Gesellschaft, sicher auch weil die Banken aufgrund der Regulatorik restriktiv agieren.

Kann es in der aktuell schwierigen Situation Sinn machen, die Investitionen zu schieben?

Die Transformation ist zwingend. Unternehmer sollten Projekte zeitnah umsetzen, um sich zukunftsfähig aufzustellen. Wer keine günstige Finanzierung erhält, sollte sich nicht scheuen, notfalls mehr Geld als gewollt für frisches Kapital auszugeben.

Was sind die Kriterien für eine solide Finanzierung zu guten Konditionen?

Man sollte auf jeden Fall die goldene Regel der Fristenkongruenz beachten: langfristige Finanzierung für langfristige Investitionen. Um einen günstigen Kredit zu bekommen, ist es wichtig, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu verfolgen. Überdies wollen die Banken stets mit regelmäßigen Reportings über die Geschäftsentwicklung informiert sein. Der Bankkredit allein wird in der Regel nicht ausreichen, also ziehen Unternehmer am besten Instrumente wie eine Beteiligung mit ins Kalkül. Da die Phase der Niedrigzinsen vorbei ist, kann es sinnvoll sein, sich noch gegen steigende Zinsen mit einem Zinsswap abzusichern. Der Kapitalbedarf sollte dann aber schon im zweistelligen oberen Millionenbereich liegen.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Eva Neuthinger
Bildnachweis: Andriy Onufriyenko / Getty Images