Agilität: Wie Unternehmen wandlungsfähig werden
#9 Megatrends wie Globalisierung, Nachhaltigkeit und Digitalisierung verändern die Rahmenbedingungen für Unternehmen rasant. Wie können sie früher und schneller darauf reagieren als bisher? Roland Wedding, Geschäftsführer von Creditreform, sagt: Unternehmen müssen agiler werden - und erklärt, wie der Anfang gelingt.
Roland Wedding (Geschäftsführer beim Verband der Vereine Creditreform) spricht mit Jana Samsonova (Handelsblatt Media Group) darüber, wie Unternehmen auf veränderte Rahmenbedingungen schneller und flexibler reagieren können und welche wichtige Rolle dazu agile Arbeits- und Denkweisen im Unternehmen spielen.
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Jana Samsonova [00:00:00] Megatrends wie Globalisierung und Digitalisierung verändern die Welt, in der wir leben und arbeiten. Für Unternehmen bedeutet das, dass sie lernen müssen, auf diese Veränderungen zu reagieren und das früher und schneller, als es bisher der Fall war. Hier kommt Agilität ins Spiel, ein Begriff, an dem man heutzutage nicht mehr vorbeikommt. Doch wer Agilität als Buzzword abschreibt, tut der Sache unrecht. Tatsächlich kann Agilität entscheidend dazu beitragen, die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen zu sichern. Wie genau, darüber spreche ich heute mit Roland Wedding, Geschäftsführer bei der Creditreform. Mein Name ist Jana Samsonova und damit herzlich willkommen bei Gute Geschäfte!
Jingle [00:00:39] Gute Geschäfte. Business-Wissen in zehn Minuten. Der Creditreform Podcast.
Jana Samsonova [00:00:56] Herzlich willkommen, Herr Wedding.
Roland Wedding [00:00:58] Ja, vielen Dank für die Einladung. Es freut mich sehr, heute über dieses Thema hier reden zu können, weil das Thema mich auch als Geschäftsführer sehr bewegt.
Jana Samsonova [00:01:06] Warum ist es gerade jetzt an der Zeit, dass Unternehmen agiler werden?
Roland Wedding [00:01:11] Ja, eigentlich muss man tatsächlich sagen gerade jetzt - denn wenn nicht jetzt, wann dann? Wir haben nie so viel Veränderung gehabt wie zurzeit. Und Veränderungen beziehen sich nicht nur auf unser Privatleben, sondern auch auf Unternehmen. Und wir schauen oft auf die ganz Großen am Markt wie Google, Apple usw. an und was für tolle Sachen die machen. Aber unsere direkten Nachbarn machen auch tolle Sachen. Und das sehen wir bei Creditreform, weil wir die Nähe zu den Unternehmen haben. Auch im Mittelstand muss man feststellen: Ja, die stehen für große Herausforderungen, für große Veränderungen. Technologien und Lösungen stehen allen zur Verfügung und wir müssen uns die Frage stellen, wie wir das Ganze hinbekommen. Und da hilft die Agilität. Sie hilft uns, um auf neue Situationen im Markt zu reagieren, neue Situationen in unserem Umfeld, in unserer Welt. Und ich bin der Überzeugung, dass wir uns als Gesamtwirtschaft darauf einstellen müssen, reaktionsfähiger zu werden. Wir müssen dafür sorgen, dass wir uns auf neue Situationen besser einstellen, damit wir auch langfristig überstehen.
Jana Samsonova [00:02:23] Sie haben es gerade schon selbst angesprochen: Zu den größten Herausforderungen gehören aktuell Globalisierung und Digitalisierung. Dann gibt es aber auch noch solche Themen wie Nachhaltigkeit und Fachkräftemangel. Wie kann Agilität den Unternehmen denn dabei helfen, sich beispielsweise im Kampf um Talente besser zu positionieren?
Roland Wedding [00:02:41] Nachhaltigkeit ist für mich ein ganz entscheidendes Thema. Die meisten Unternehmen gründen sich nicht um kurzfristig Geld zu verdienen und sich dann wieder einzustellen. Auch Creditreform nicht. Uns gibt es seit 1870, wir sind also ein Traditionsunternehmen am Markt. Aber in der deutschen Wirtschaft gibt es ganz viele solcher Unternehmen. Und deswegen sind wir eigentlich immer schon darauf geprägt, nachhaltig zu arbeiten. Da gehört auch dazu, wie man das Unternehmen führt, wie man seine sozialen Aspekte im Unternehmen abbildet, wie man miteinander umgeht. Diversität und all diese Themen gehören dazu. Und ich glaube, dass all diese Themen auch wichtig sind, um neue Fachkräfte zu bekommen. Wenn man das nicht anbietet, da wird man als Unternehmen unter uns gesagt, "verstauben" und irgendwann keine Mitarbeiter mehr bekommen. Und wir wissen alle, Deutschland ist auf lange Sicht kein Produktionsland mehr. Und das heißt, dass wir echte Fachkräfte brauchen. Wir brauchen Leute, die eine hohe Spezialisierung haben, hohe Kompetenz mit sich bringen. Und wir müssen dafür sorgen als Unternehmer, dass wir das entsprechend anbieten. Und da hilft die Agilität. Modernes Umfeld, ja Umgang miteinander, kein Taylorismus, sage ich immer. Es geht nicht mehr darum, dass man Mitarbeitern sagt, was zu tun ist, sondern man erklärt ihnen, wo man hin möchte. Und sie werden selbst herausfinden, wie es richtig ist. Und das ist meines Erachtens ein wichtiger Aspekt, wenn es darum geht, nachhaltig ein Unternehmen zu führen und nachhaltig dafür zu sorgen, Fachkräfte zu bekommen und Mitarbeiter zu binden.
Jana Samsonova [00:04:06] Hand aufs Herz: Wie agil ist denn Creditreform?
Roland Wedding [00:04:10] Wenn ich Hand aufs Herz sage, bin ich auch ehrlich. Seit 2019 befassen wir uns mit Agilität, ihrer Einführung, Umsetzung und Organisation. Ein Großteil davon ist Kulturwandel und eine Kultur, die man nicht innerhalb von ein, zwei Jahren ändern kann. Das ist realistisch, da das einfach nicht möglich ist. Dazu braucht man fünf Jahre oder länger für. Aber es gibt eben gewisse Aspekte, die man tatsächlich umsetzen kann. Wir haben angefangen, damals in einem größeren Projekt agile Methoden einzuführen, neue Rollen einzuführen, Verantwortung an Teams zu geben. So dass auch eine gewisse Autonomie entsteht. Wir haben vielleicht nicht gesagt, was zu tun ist, sondern deutlich gesagt, wohin wir wollen und den Mitarbeitern dann auch das Feld überlassen. Und wenn die Richtung nicht passt, dann reden wir miteinander. Daraus haben wir vieles gelernt. Und in der Folge haben wir dann irgendwann gesagt: "Hey, das ist die richtige Richtung", wir brauchen das für das Gesamtunternehmen und haben es sukzessive eingeführt. Wir haben tatsächlich die gesamte Führungsriege ersetzt und auch die Führungsqualitäten sind andere. Der Umgang mit den Mitarbeiter hat sich massiv geändert, muss man sagen. Da ist viel mehr Kommunikation gefragt, Offenheit, Transparenz. Ich sage auch immer: Mut. Ja, das ist mir tatsächlich wichtig. Ich glaube, ein wesentlicher Punkt in agilen Unternehmen ist, dass man lernt und zum Lernen gehört, Fehler machen. Wir können nicht Fahrradfahren, wenn wir nicht auch mal runtergefallen sind und nicht laufen, wenn wir nicht mal hingefallen sind. Und ich glaube, das ist im Unternehmen genauso. Ja, wir müssen uns manchmal eine blutige Nase holen, um danach den Weg besser zu bestreiten. Und wie agil sind wir? Ja, wir sind deutlich agiler, als in der Vergangenheit. Meine Vision ist noch nicht vollständig umgesetzt. Das ist so, das braucht noch Zeit. Es ist ein Thema, tatsächlich diesen Mut auch umzusetzen, als Mitarbeiter und als ein Kollege, sich zuzutrauen, Dinge zu tun. Aber wir sind auf einem sehr gutem Weg. Wenn ich heute hingucke, sehe ich, dass die Leute lachen, dass sie Spaß haben bei dem, was sie tun, dass sie Verantwortung übernehmen, dass sie bereit sind, auch Themen offen anzusprechen, die eben nicht gut sind. Deshalb finde ich, dass wir uns auf einen sehr guten Weg gebracht haben. Aber wie gesagt, wir haben noch ein paar Jahre vor uns, um eben diesen Kulturwandel auch zu vollziehen.
Jana Samsonova [00:06:20] Jetzt muss ich doch noch mal nachfragen. Sie sagten gerade Ihre Vision. Können Sie uns die kurz zusammenfassen?
Roland Wedding [00:06:27] Meine Vision ist es, dass wir irgendwann tatsächlich auf Augenhöhe arbeiten, dass wir die Offenheit einander gegenüber haben, auch wirklich kritische Themen anzusprechen. Dass wir immer überlegen, wie wir Schritte nach vorne gehen, aber gemeinsam eben. Und dass wir uns als Team verstehen. Ich habe heute noch die Rolle Geschäftsführer, das ist ja nur eine Rolle. Ich habe nur andere Aufgaben als jemand anders. Oder im Team arbeiten Softwareentwickler oder ein Product Owner. Aber im Grunde genommen haben wir alle eine wichtige Aufgabe im Unternehmen. Und das funktioniert nur als Team, nur gemeinsam. Und meine Vision ist tatsächlich, dass ich irgendwann vor diesem Haus stehe und sehe, dass die Leute selbst entscheiden, in welche Richtung sie gehen, was für das Gesamtunternehmen die richtige Richtung ist, dass sie dabei Spaß haben, untereinander, miteinander und dass wir jedes Jahr unsere Erfolge feiern, aber auch unsere Misserfolge feiern. Und wenn wir das Ganze hinbekommen, dann bin ich schon ganz zufrieden, was meine Vision angeht.
Jana Samsonova [00:07:26] Letzte Frage: Wo muss ein Unternehmen ansetzen, wenn es sich agiler aufstellen will?
Roland Wedding [00:07:31] Ja, die Frage habe ich mir auch am Anfang gestellt. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man seine Vision für sich selbst klar hat. Man sollte nicht den Fehler machen, von anderen Unternehmen zu adaptieren. Viele gucken dann Richtung Spotify und Co. Und sagen "Ach, das ist jetzt Agilität, wir machen das genauso". Und nein, das ist nicht die Wahrheit, nicht die Realität, weil man da eine Struktur nachverfolgt, die irgendjemand erfunden hat. Im Grunde genommen gilt es bei der Agilität, dass man für sich Klarheit hat, wo man hin möchte. Also eine Vision, dass man das auch transparent macht, warum man das tut und die ganze Belegschaft mitnimmt auf diese Reise und sich selbst hinterfragt. Ich glaube, damit fängt es an. Und wenn man von den Kollegen und Kolleginnen erwartet, dass sie lernen, also dass sie sich selbst auch hinterfragen, dass wir einander hinterfragen, muss man bei sich selbst anfangen. Und das gebe ich tatsächlich allen immer mit, "fange mit einer Vision an, nehme alle mit, hinterfragen Sie, was Sie tun". Und eins kann ich sagen: Am Ende wird es so sein, dass man auf ein Unternehmen schaut und das ist sicherlich viel besser und agiler ist, als man es haben wollte. Aber es ist nicht so, wie man es sich gedacht hat. Und das gehört dazu, dass man lernt, sich anzupassen. Auch bei diesem Thema. Also: "Hab' Mut, sei' offen und mach' es gemeinsam."
Jana Samsonova [00:08:42] Herr Wedding, ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch! Und bei Ihnen, liebe Zuhörende fürs Einschalten. Bis zum nächsten Mal, vielen Dank.
Roland Wedding [00:08:49] Dankeschön!
Jana Samsonova [00:08:54] Gute Geschäfte. Business-Wissen in zehn Minuten. Der CreditreformPodcast.
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