Corona-Hilfen: Wie gewonnen, so zerronnen?
Der deutsche Mittelstand hat die Pandemie überstanden – auch dank staatlicher Hilfen. Nun allerdings grassiert die Angst vor Rückforderungen. Wie Firmenlenker finanzielle Nachteile minimieren und juristisches Ungemach vermeiden.
Endlich wieder gute Nachrichten. Die Auswirkungen der Krise sind zwar noch deutlich zu spüren. Doch Nachfrage und Investitionsbereitschaft ziehen an, viele Firmen wollen sogar wieder einstellen. Das zeigt eine repräsentative Umfrage von DZ Bank und dem Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) unter 1.000 mittelständischen Unternehmen.
In die Freude über die Erholung mischen sich allerdings Sorgen – vor allem bei jenen, die in der Krise staatliche Hilfen erhalten haben. Denn auch wenn das Geld in der ersten Phase der Pandemie tatsächlich „schnell und unbürokratisch“ verteilt wurde: Heute schauen die Behörden umso genauer hin – und fordern zu Unrecht gezahlte Mittel zurück.
Corona-Hilfe: Unternehmer vor Gericht
Wie schnell das gehen kann, zeigt exemplarisch der Fall eines freischaffenden Business-Coaches aus Nordrhein-Westfalen. Er wehrte sich gegen die Rückforderung von 9.000 Euro Corona-Soforthilfe durch die Bezirksregierung Düsseldorf. Doch das dortige Verwaltungsgericht wies seine Klage ab (Az.: 20 K 4706/20). Das Argument: Der Mann hatte schon vor der Pandemie massive Zahlungsprobleme und Steuerschulden in sechsstelliger Höhe. Das wurde ihm zum Verhängnis. Denn die Hilfen waren nur für Unternehmen vorgesehen, die erst durch Corona in Zahlungsschwierigkeiten gekommen waren. Wer einen Antrag auf Soforthilfe stellte, musste deshalb versichern, dass ihn erst die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht hatte. War das Geld hingegen schon zum Stichtag am 31. Dezember 2019 knapp, durften notleidende Unternehmer die Hilfen gar nicht erst beantragen.
Diese Vorgabe, so das Gericht, habe der Freiberufler missachtet. Die Bezirksregierung durfte daher die zu Beginn der Pandemie gewährte Soforthilfe von ihm zurückverlangen – plus Zinsen.
Unbürokratisch war gestern
„Verfahren wie diese werden sich in Zukunft häufen“, glaubt Carsten Nicklaus, stellvertretender Vorsitzender des Steuerberaterverbands Düsseldorf. Bundesweit würden Soforthilfe-Empfänger inzwischen aufgefordert, eine sogenannte Rückmeldung vorzulegen, um nachzuweisen, dass sie die staatlichen Gelder zu Recht erhalten und für legitime Zwecke verwendet haben. Wer dabei ins Straucheln gerät, muss zahlen – und womöglich sogar mit juristischen Konsequenzen rechnen.
„Die Gerichtsverfahren werden sich in Zukunft häufen.“
Carsten Nicklaus, Steuerberaterverband Düsseldorf
„Je nach Fall droht den Betroffenen auch eine Verurteilung wegen Subventionsbetrugs“, warnt Klaus Voßmeyer, Rechtsanwalt und Steuerberater in Duisburg. Bundesweit seien derzeit allein wegen zu Unrecht beanspruchter Coronahilfen etwa 20.000 Strafverfahren anhängig. Und die Zahl dürfte noch deutlich steigen. „Aktuell geht es ja nur um die Corona-Soforthilfen, die zu Beginn der Pandemie gewährt wurden“, sagt Voßmeyer. Irgendwann aber müssten auch Unternehmen, die die Überbrückungshilfen I, II, III und III Plus in Anspruch genommen haben, ein sogenanntes Rückmeldeverfahren absolvieren. Ihnen drohen dann ebenfalls Rückforderungen – und im schlimmsten Fall die Verfolgung durch den Staatsanwalt. „Besonders prekär ist, dass ein Unternehmer nicht vorsätzlich handeln muss, um wegen Subventionsbetrug verurteilt zu werden“, so Voßmeyer. „Es genügt, wenn er in seinem Antrag leichtfertig falsche Angaben gemacht hat.“
„Die Staatsanwaltschaften gehen mit extremer Härte vor.“
Klaus Voßmeyer, Rechtsanwalt
Selbst wer auf eine Frage gar keine Antwort gibt, ist vor einer strafrechtlichen Verfolgung nicht gefeit. So geschehen im Fall eines Mannes, der bei seinem Soforthilfe-Antrag offenließ, ob er haupt- oder nebenberuflich als selbstständiger Sachverständiger arbeitete, dennoch Geld erhielt und sich wegen Subventionsbetrugs vor Gericht verantworten musste. Das Verfahren endete zwar in einem Freispruch. Dennoch belegt der Fall laut Voßmeyer, „dass die Staatsanwaltschaften mit extremer Härte gegen echte oder vermeintliche Betrüger vorgehen.“
Keine gesetzliche Regelung für Corona-Hilfe
Steuerberater Nicklaus hält das für einen Skandal. Denn unter welchen Voraussetzungen der Staat seine Corona-Hilfen gewährt, ist gesetzlich nicht geregelt. „Maßgeblich sind vielmehr die FAQ, die die Wirtschaftsministerien der Länder auf ihren Internetseiten veröffentlicht haben“, kritisiert der Experte. „Diese aber haben sich im Laufe der Pandemie immer wieder geändert.“
Sahen beispielsweise die ursprünglichen Vorgaben für die Corona-Soforthilfe in Nordrhein-Westfalen bis Juni 2020 noch vor, dass Unternehmer die Förderung wegen eines Umsatz- oder Auftragsverlusts sowie alternativ wegen eines Finanzierungsengpasses erhalten konnten, ist inzwischen nur noch von coronabedingten „Liquiditätsengpässen“ die Rede. Die Folge: „Selbst Unternehmen, die ihren Förderantrag nach bestem Wissen und Gewissen gestellt haben, müssen angesichts der veränderten Bedingungen nun mit Rückzahlungen rechnen“, sagt Nicklaus.
Vorteile einer erneuten Rückmeldung
Mitunter kann sich die dynamische Entwicklung der Bedingungen allerdings auch vorteilhaft auswirken. „Unternehmen, die für die Soforthilfe 2020 bereits eine Rückmeldung abgesendet oder gar eine Rückzahlung geleistet haben, können von zwischenzeitlich geänderten Förderbedingungen profitieren – durch die Abgabe einer neuen Rückmeldung“, sagt Nicklaus.
Der zusätzliche bürokratische Aufwand ist zwar lästig; angesichts der immensen Summen, die bei den jüngeren Programmen oft im Raum stehen, lohnt sich die Mühe aber. Rechtsanwalt Voßmeyer hat es bereits erlebt, dass ein einziges Unternehmen 3,9 Millionen Euro an Corona-Hilfen erhalten hat. „Das ist zwar ein Extrembeispiel. Wir sehen aber regelmäßig Mittelständler, die hohe sechsstellige Summen erhalten“, erklärt der Jurist.
Finanzlage bei Beantragung und bei Rückmeldung akribisch dokumentieren
Um Behörden möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, sollten Unternehmer ihre Finanzlage akribisch dokumentieren. Besonders wichtig ist das in der Antragsphase, in der Unternehmer das Ausmaß ihrer finanziellen Probleme schätzen müssen, um ihren Förderbedarf zu ermitteln. „Welche Parameter in diese Schätzung eingeflossen sind, sollte ausführlich begründet und dokumentiert werden“, empfiehlt Nicklaus. Nur so lasse sich gegebenenfalls der Vorwurf vorsätzlich falscher Angaben entkräften. Gleiches gilt bei der obligatorischen Rückmeldung. „Da das Verfahren stark standardisiert ist und nur nackte Zahlen abfragt, sollten Unternehmer in einem gesonderten Dokument alle Rechenschritte dokumentieren und darlegen, wie sie zu den Werten gelangt sind, die sie in das Rückmeldeformular eingegeben haben“, sagt der Experte.
Wer unsicher ist, tut zudem gut daran, schon heute Rückstellungen für den Fall zu bilden, dass die Behörden Geld von ihm zurückverlangen. Für Unternehmen, die sich gerade erst von einer Jahrhundertkrise erholen, ist das kein leichtes Unterfangen. Die richtig guten Nachrichten, so scheint es, lassen wohl doch noch auf sich warten.
Corona-Betroffenheit im Mittelstand
Mittelstand insgesamt
- April 2020: 80 %
- Januar 2021: 68 %
- Mai 2021: 64 %
Quelle: KfW Mittelstandspanel
Corona-Hilfen: Abgerechnet wird am Ende
- Erst schätzen, dann rechnen. Wer seinen Finanzbedarf in der Krise falsch eingeschätzt und deshalb mehr Corona-Hilfen erhalten hat als nötig, muss den Überschuss zurückzahlen. Doch wie fast immer in der Pandemie gelten – je nach Bundesland – unterschiedliche Regeln.
- Nach allen Seiten absichern. Um zu ermitteln, welche Gelder einem Unternehmen wirklich zustanden und ob womöglich zu viel gezahlt wurde, setzen die Behörden in der Regel auf Online-Formulare. Dieses Standardverfahren wird den Besonderheiten des Einzelfalles nicht immer gerecht. Eine akribische Dokumentation der eigenen Wirtschaftslage ist daher notwendig.
- Obligatorische Rückmeldungen. Die Termine, bis zu denen die Schlussabrechnungen erfolgt sein müssen, variieren je nach Hilfsprogramm. Für die Corona-Soforthilfe haben die Rückmeldeverfahren bereits begonnen.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Catrin Gesellensetter
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