Himmlische Helfer
Ob auf dem Firmengelände, in der Lagerhalle oder an schwer zugänglichen Orten: Unternehmen nutzen zunehmend Drohnen, um Arbeiten effizienter aus der Luft zu erledigen oder von spezialisierten Dienstleistern übernehmen zu lassen.
Von oben sieht man besser – und vieles geht auch schneller durch die Luft. Das konnten der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen und der Audi-Konzern bereits feststellen. Beide testeten den Einsatz einer Drohne in ihren Betrieben: Bei ZF Friedrichshafen transportierte sie erstmals benötigte Teile wie Sensoren oder Steuerkarten vom Lager in die Instandhaltungswerkstätten. Noch wird sie von einem Piloten gesteuert, doch künftig soll sie automatisch fliegen. Audi testete sie als Ersatz für Flurfahrzeuge in den Produktionshallen für die Modelle A3 und Q2. Das geht schneller und schafft mehr Platz am Boden.
Szenarien wie diese könnten schon bald Standard sein. Draußen, unter freiem Himmel, sind Drohnen bereits in vielen Missionen unterwegs. Für den Einsatz gibt es strenge Regeln, denn allein hierzulande prognostizieren der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) und der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) bis zum Jahr 2030 rund 126.000 dieser fliegenden Tausendsassas im Profi-Einsatz. Die Bandbreite ist riesig: Sie liefern atemberaubende Bilder und Videos von oben, beobachten in der Landwirtschaft Vieh und Felder, bekämpfen Schädlinge gezielt aus der Luft oder erkennen Schäden an Photovoltaikanlagen, ohne dass diese abgeschaltet werden müssen. Sie inspizieren Kirchtürme und Windräder, vermessen Grundstücke und Abraumhalden und überwachen Großbaustellen. Und bei Katastrophen peilen sie erst einmal die Lage, bevor sich Menschen in Gefahr begeben.
Viele dieser Aufgaben konnten bisher nur sehr aufwendig zu Fuß, per Hand, mithilfe von Gerüsten, Fassadenkletterern und Hebebühnen oder besonders kostenintensiv per Helikopter erledigt werden. In ganz Europa und den USA werden nach dem Report „Drones go to work“ der Boston Consulting Group im Jahr 2050 rund eine halbe Million der fliegenden Helfer im Einsatz sein. Zudem werden sie in der Lage sein, ähnlich wie selbstfahrende Autos, eigenständig ihr Ziel zu finden.
Nur mit Führerschein
Heute jedoch dürfen nur ausgebildete Drohnenpiloten ans Steuer und die Geräte auch nicht überall fliegen lassen. Daher bieten viele Spezialisten wie Coptercloud, Airspector, U-Rob, Copterflug, Aerophoto, Heljo Industries oder Microdrones Unternehmen ihre Dienste an, einige bilden auch Piloten für die kleinen Fluggeräte aus. „Mit dem Führerschein allein ist es aber nicht getan“, sagt Lelia Miklos, Gründerin von Coptercloud in Hamburg. „Unternehmen, die selbst Drohnenteams aufbauen wollen, müssen auch dafür sorgen, dass diese ausreichend Flugroutine sammeln, um einen sicheren Einsatz der Drohnen zu gewährleisten“, erklärt sie. Sie stellt eine gestiegene Nachfrage nach Vermessungs- und Inspektions-Aufgaben aus der Luft fest. „Im Grunde kann eine Drohne aber jeden Sensor mit in die Luft nehmen, der auch am Boden eingesetzt wird“, sagt sie. „Er muss nur leicht genug sein und berührungslos funktionieren.“ Neben Kameras für Filmaufnahmen oder Infrarot- und Multispektralkameras werden Drohnen etwa auch mit Gassensoren bestückt.
Holger Barz vom Hydrographischen Büro Land- und Seevermessung im niedersächsischen Stelle etwa nutzt eine Profi-Drohne, um Vermessungen oder Bilddokumentationen für die öffentliche Hand zu erstellen – und fühlt sich dabei ungleich sicherer als bei der Vermessung am Boden. „Seit zwei Jahren erledigen wir diese Aufgaben gefahrlos aus der Luft und müssen nicht mehr steile Böschungen hinunterkraxeln oder in gefährliche Sumpfgebiete hineingehen“, sagt er. Ausgebildet wurde sein Team von U-Rob in Bielefeld, einem Drohnenberatungs- und Schulungsdienstleister. Mit einer kalibrierten Kamera an Bord überfliegt Barz nun die zu vermessenden Gebiete. Sie macht Fotos und speichert die Aufnahmen auf einer SD-Karte. Zurück am Boden, entsteht aus dem Bilder-Mosaik am Computer ein detailliertes 3D-Modell.
EINSATZMÖGLICHKEITEN
In diesen Bereichen spielen Drohnen ihre Trümpfe aus
Unterhaltung und Dokumentation
Luftaufnahmen bieten Werbung, Film und Fernsehen ungewöhnliche Perspektiven. Immobilienmakler setzen ihre Objekte mit Luftaufnahmen in Szene. Baustellenfortschritte lassen sich visuell dokumentieren.
Inspektion und Vermessung
Schwer zugängliche Stellen wie Dächer, Brücken, Raffinerien, Windräder oder Leitungen können mit Wärmebildkameras inspiziert werden. Drohnen mit kalibrierten Kameras überfliegen Bodenmarkierungen. Das Kartieren im Überflug geht einfacher und schneller, als ein Gebiet mit dem GPS-Gerät abzulaufen.
Logistik, Warentransport und Inventur
Kleine Transporte in Lagerhallen können effizient durchgeführt werden. Objektstandorte werden dabei nicht mehr über eindeutige Plätze definiert, sondern über GPS-Koordinaten festgelegt oder per Drohne und Triangulation von mit RFID-Chips ausgestatteten Behältern identifiziert. Drohnen können kleine Pakete oder benötigte Medikamente in abgelegene Regionen oder auf Inseln befördern.
Katastrophenschutz und Überwachung
Drohnen dienen als Vorhut in Katastrophenfällen zur Lagesondierung. Spezialsensoren messen bei Bränden die Schadstoffbelastung in der Rauchwolke. Sie spüren in Erdbebengebieten oder unter Lawinen mit Wärmebildkameras Verschüttete auf. Drohnen überwachen Großveranstaltungen aus der Luft.
Land- und Forstwirtschaft
Sowohl Reifegrad als auch Schädlingsbefall von Anbauflächen lassen sich mit Drohnen überprüfen. Felder und Weinberge können mit Schädlingsbekämpfungsmitteln besprüht werden, Wildschäden aus der Luft erfasst werden. Erträge lassen sich kartieren und Bestandskontrollen durchführen.
Landwirte sind Vorreiter
Größere Exemplare können sogar kleine Tanks transportieren, etwa zum Besprühen von Weinbergen. Das testet Freimut Stephan von Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel bereits seit fünf Jahren in einem von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung geförderten Pilotprojekt an der Mosel. Ein Pilot steht in sicherer Entfernung am Hang und steuert das Flugobjekt, das auf Befehl seine Ladung versprüht. „Gerade Steillagen liegen oft brach, weil die Handarbeit zu zeitaufwendig und teuer ist. Und Hubschrauber sind eher für zusammenhängende Großflächen geeignet“, erklärt Stephan den Vorteil. „Mit einer vergleichsweise kleinen Drohne ist eine viel gezieltere und umweltverträglichere Besprühung möglich.“
Landwirte sind beim Drohnen-Einsatz ohnehin weit vorne: Bereits ein Viertel der Betriebe mit mehr als 100 Hektar nutzt sie, so die Erhebungen des Deutschen Bauernverbands. Etwa die Hälfte von ihnen lässt inzwischen eigene Drohnen fliegen. Die andere Hälfte nutzt, wie Landwirt Benedikt Sprenker aus dem westfälischen Beckum, den Service eines Drohnen-Dienstleisters, etwa um Maisfelder auf natürliche Art vom Maiszünsler, einem Schädling, zu befreien. „Das geht deutlich schneller als zuvor von Hand oder maschinell durch Spezialschlepper. Außerdem schont es die Pflanzen und den Boden“, sagt Sprenker. Dafür befestigt er unter dem Fluggerät einen kleinen Behälter mit weißen Kugeln, in denen Eier der Schlupfwespe, dem natürlichen Feind des Maiszünslers, schlummern. Die Drohne wirft ihre Ladung per Fernsteuerung gezielt über den Feldern ab. Bis zu drei Generationen Schlupfwespen machen sich kurze Zeit später auf die Suche nach den Eigelegen des Schädlings und fressen sie auf.
Das Beispiel zeigt: Der Fantasie für den Einsatz der unbemannten Flugobjekte sind kaum Grenzen gesetzt, ebensowenig wie ihrer Größe. Aktuell angelaufen ist etwa ein Pilotprojekt der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) zusammen mit dem Fraunhofer-CML in Harburg. Sie testen Schwerlastdrohnen in der Logistik. Diese könnten beim Handling von leeren Containern und anderer Ladung helfen. Technisch ist das längst machbar. Große Drohnen können bis zu zwei Tonnen in die Luft heben. Gemeinsam suchen HHLA und Fraunhofer-Experten nun nach Konzepten und Lösungen, um diese Möglichkeiten wirtschaftlich zu nutzen.
RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN FÜR DROHNENPILOTEN
Kennzeichnung, Lizenzen und Betriebserlaubnis
Am 12. März 2019 verabschiedete die Europäische Kommission Vorschriften für den Betrieb von Drohnen. Sie bauen auf den bestehenden nationalen Vorschriften auf und sehen drei Anwendungsszenarien vor: Drohnen mit niedrigem Risiko und ohne Genehmigung, mit mittlerem Risiko und erforderlicher Genehmigung der zuständigen Behörde (Specific) und mit hohem Risiko (Certified), wobei die Genehmigung stark an die Gesetzgebung der bemannten Luftfahrt angelehnt ist. Bei gewerblichen Einsätzen kommen die beiden letzten Anwendungsszenarien infrage. Die wichtigsten Regeln legte bereits die Drohnenverordnung von 2017 fest:
Kennzeichnungspflicht: Ab einem Gewicht von 250 Gramm müssen Drohnen mit einer Plakette mit Name und Adresse des Eigentümers gekennzeichnet sein.
Kenntnisnachweis: Für Drohnen ab zwei Kilogramm benötigt der Betreiber eine gültige Pilotenlizenz oder eine Bescheinigung nach Prüfung durch eine vom Luftfahrt-Bundesamt anerkannte Stelle.
Erlaubnispflicht: Ab fünf Kilogramm Gewicht ist eine Erlaubnis der Landesluftfahrtbehörden erforderlich.
Betrieb und Betriebsverbot: Ein Betriebsverbot gilt außerhalb der Sichtweite für Geräte unter fünf Kilogramm und über sensiblen Bereichen, wie Einsatzorten von Polizei und Rettungskräften, Krankenhäusern oder Menschenansammlungen sowie in Kontrollzonen von Flugplätzen. Außerdem in Flughöhen von über 100 Metern. Über Wohngrundstücken gilt das Betriebsverbot ohne besondere Erlaubnis bereits für Drohnen ab 250 Gramm oder wenn sie in der Lage sind, Signale zu empfangen, zu übertragen oder aufzuzeichnen.
Ausweichpflicht: Drohnen müssen bemannten Luftfahrzeugen ausweichen. Das Gleiche gilt für unbemannte Freiballons.
Quelle: Creditreform Magazin
Text: Iris Quirin
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