Das Handwerk spricht für den Mittelstand
In der aktuellen Krise sind Zahlen, die Aufschluss geben, wie stark die Wirtschaft in Deutschland betroffen ist, schwer zu bekommen. Vieles bleibt Prognose oder Schätzung, ist veraltet oder nicht repräsentativ. Die regelmäßigen Befragungen und Analysen, welche die Creditreform Wirtschaftsforschung im Auftrag des baden-württembergischen Handwerkskammertags in jedem Quartal durchführt, geben jetzt Aufschluss darüber, wie tief der Einschnitt im Mittelstand war und was weiter zu erwarten ist.
Auch wenn die Ergebnisse regional nur ein Bundesland betreffen und auch „nur“ ein Wirtschaftsbereich befragt wurde, so sind die Fakten doch interessant, weil das Handwerk in Baden-Württemberg sowie in Deutschland eine ganz wichtige Rolle für den Mittelstand und damit für die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt spielt.
Wirtschaft in Baden-Württemberg – dabei denken viele zunächst an internationale Konzerne wie Mercedes oder Bosch. Dabei sind die 135.000 Handwerksbetriebe in Baden-Württemberg mit einem Umsatz von über 100 Mrd. Euro, fast 800.000 Beschäftigten und knapp 50.000 Auszubildenden auf Augenhöhe mit den internationalen Großunternehmen. Eine repräsentative Befragung dieser Vielzahl kleinerer Betriebe (im Durchschnitt mit fünf Beschäftigten) verrät viel – wie stark der konjunkturelle Einbruch durch Corona war und wie es um die Hoffnungen für die nähere Zukunft bestellt ist.
Einbruch bei Order und Umsatz
Die Bewertungen der Handwerksbetriebe zur aktuellen Geschäftslage zeigen, wie stark der Einbruch im Zeichen des Shutdowns ist. Per Saldo gaben nur noch plus 14,4 Prozent der Unternehmen im Südwesten Deutschlands ihrer Geschäftslage die Note gut. Vor einem Jahr waren es noch fast 40 Prozent der Befragten. Während sich das Baugewerbe noch behaupten kann, sind in den anderen Gewerken des Handwerks die Rückgänge massiv: Vor allem Dienstleister, Kfz-Betriebe und der Gesundheitssektor sind betroffen. Die Ursachen für die schlechte Stimmungslage liegen auf der Hand. In den letzten Monaten meldeten nur 19 Prozent der Befragten vollere Auftragsbücher – im Vorjahr waren es noch 38 Prozent. Die Rückgänge bei den Ordern legten hingegen zu: So sprachen 44 Prozent von einer flaueren Auftragslage – im Vorjahr waren es nur 13 Prozent.
Entsprechend hat sich die Zahl der Betriebe, die über Umsatzeinbußen klagen, mehr als vervierfacht. Vor einem Jahr gab nur jeder zehnte Betrieb an, weniger Umsätze zu erwirtschaften. Im zweiten Quartal 2020 – auf dem Höhepunkt der Corona Krise – ist es fast jeder zweite Handwerker. Schwierigkeiten bei der Geschäftslage bleiben nicht ohne Auswirkungen auf Investitionen und die Beschäftigungssituation. So verkleinerten im Frühjahr 30 Prozent der Handwerksbetriebe ihr Investitionsbudget – vor einem Jahr war dies nur bei 12,5 Prozent der Fall. Die Beschäftigungslage hat gelitten – auch wenn festzuhalten gilt, dass das Handwerk nach wie vor ein Hort der Stabilität bei den Arbeitsplätzen bleibt. Im zweiten Quartal 2020 konnten nur 6 Prozent der Unternehmen neue Arbeitsplätze schaffen (Vorjahr: 12 Prozent).
Hoffnung kommt zurück
Auch wenn die Lage des Handwerks in Baden-Württemberg gegenüber dem ersten Quartal 2020 noch einmal deutlich schlechter geworden ist, so zeigen doch die Zahlen zu den Erwartungen, dass die schwierige Situation nicht zur Hoffnungslosigkeit geführt hat. Fast ein Drittel der Befragten gab an, in den nächsten Monaten eine Verbesserung bei der Geschäftsentwicklung zu erwarten. Vor einem Jahr, auf dem Höhepunkt der Konjunktur, wagten nur knapp 20 Prozent der Betriebe die Prognose, dass es weiter aufwärts gehe. Allerdings bleibt doch festzuhalten, dass 13,5 Prozent von einer weiteren Verschlechterung ausgehen – im zweiten Quartal 2019 waren es nur 8 Prozent. Jeder dritte Befragte setzt aber auf einen höheren Auftragseingang – vor einem Jahr war es nur jeder vierte. Trotz der Zuversicht bei den Aufträgen und der Geschäftslage insgesamt bleibt es bei einer gewissen Zurückhaltung bei der zukünftigen Beschäftigung und den Investitionen. Zwar wollen 11 Prozent der Betriebe in den nächsten Wochen wieder Arbeitsplätze schaffen – allerdings gehen auf der anderen Seite 8 Prozent davon aus, dass sich ihre Belegschaft verkleinern wird. Bei den Investitionen fürchten 22 Prozent der Betriebe einen Rückgang (Vorjahr: 13 Prozent), steigende Investitionen sehen aber immerhin 14 Prozent (Vorjahr: 16 Prozent).
Die Befragung des Handwerks in Baden-Württemberg zur aktuellen konjunkturellen Lage im zweiten Quartal 2020 zeigt auf der einen Seite, wie tief die Einschläge durch die Krise in den Betrieben sind. Auf der anderen Seite aber wird die Hoffnung des Handwerks deutlich, dass es mit dem Sommer besser wird: Die Erwartungen an die weiteren Umsätze und Aufträge haben sich deutlich verbessert, auch wenn man bei der Einstellungsbereitschaft und den Investitionen (noch) Zurückhaltung zeigt. Ein Bild zur Lage, das auf die Situation in Deutschland und in vielen Branchen zu übertragen ist.
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