Creditreform Magazin

„Ein Jahr, um ein skalierbares Business aufzubauen“

Der Einstieg in den Handel über Marktplätze wie Amazon, Ebay und Real geht schnell, eine durchdachte Strategie aber braucht Zeit und Geld. Ralph Hübner, Partner der auf E-Commerce spezialisierten Beratung ecom consulting erklärt, was es dabei zu beachten gilt.

Herr Hübner, wofür eignen sich Marktplätze?
Sie eignen sich in erster Linie, um an Neukunden heranzukommen. Ich habe ein neues Produkt, das ich verkaufen möchte, was mache ich jetzt? Entscheidend ist hierbei die Frage, ob es sich beim Verkäufer um einen Händler handelt – oder um ein Unternehmen, das sein neues Produkt im Direktvertrieb anbieten möchte. Die größten Chancen im Direktvertrieb bieten sich für B2C-Hersteller. Versuchen Sie mal, einen neuen Schokoriegel ins Supermarktregal zu bringen. Das kann Monate dauern, bis Sie große Player wie Edeka und Rewe überzeugen, ein anderes Produkt dafür aus dem Verkauf zu nehmen. Auf Online-Marktplätzen ist die Regalfläche unbegrenzt. Oder stellen Sie sich vor, Sie sind eigentlich ein Anbieter von Gesundheitsschuhen und möchten zum ersten Mal Kinderschuhe verkaufen. Auf den Marktplätzen können Sie die neue Ware einfach anbieten, ohne sich einen neuen Handelskanal zu suchen.

Welche Chancen bieten Marktplätze noch?
Bleiben wir beim Beispiel Kinderschuhe. Über die Targeting-Möglichkeiten der Marktplätze können Sie Ihre Zielgruppe klar definieren: besserverdienende Eltern in Metropolregionen etwa. Außerdem bekommen Sie über die Kommentare direkt Rückmeldung, was an dem Produkt bereits gut ist und was noch verbessert werden muss. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass Sie mithilfe von Marktplätzen vergleichsweise einfach neue internationale Märkte erschließen können. Strategisch gesehen gibt es auch dabei eine Menge Fragen zu beantworten: Gehen wir in Märkte, wo wir bislang schwach distribuiert sind? Dann bieten sich lokale Marktplätze an wie bol.com in den Niederlanden, allegro in Polen und cdiscount in Frankreich. Ist die Frage, in welche Länder ich expandieren möchte, eher zweitranging, bieten große Plattformen die Möglichkeit, das eigene Geschäft über deren Länderseiten auszubauen. Wichtig ist, vorher zu prüfen, welche Konkurrenten dort wie stark und wie gut vertreten sind.

Und wo liegen die Risiken?
Grundsätzlich muss man sich darüber im Klaren sein, dass man sich den Spielregeln der Plattform unterwirft. Die meisten Unternehmen sind einfach zu klein, um mit großen Playern wie Amazon im Vendor-Business auf Augenhöhe zu verhandeln. Entschließt sich die Plattform etwa, sich von einem Anbieter zu trennen, geschieht das auch so. Es gibt kaum Möglichkeiten der Kontaktaufnahme. Um bei Amazon zu bleiben: Hier haben Unternehmen zum Start einen persönlichen Ansprechpartner, dann übernimmt die „Maschine“ den Kontakt.

Außerdem ist der Preisdruck groß – Sie müssen bedenken, dass nicht nur die Konkurrenz auf Marktplätzen agiert, sondern auch die eigenen Händler. Mit Blick auf die Händler gibt es noch ein weiteres Risiko: Sie stellen Content wie Abbildungen und Produktbeschreibungen selbst auf den Plattformen ein, was oft dazu führt, das nicht alles markenkonsequent gepflegt ist. Die Folge für Käufer: Chaos in den Suchergebnissen, Entwertung der Marke.

Was empfehlen Sie?
Der Hersteller hat die zwingende Aufgabe, alles, was ihm rechtlich zusteht, auszunutzen, damit der Content auf den Marktplätzen optimal ist für Abverkauf – zum Beispiel gegen Vertriebsaktivitäten nicht autorisierter Händler vorzugehen. Auch lohnt sich der Aufwand, Bewertungen der eigenen Produkte zu managen – als Markeninhaber kann ich antworten. Übrigens auch auf die Fragen vor dem Kauf. Die sind bei vielen Produkten fast genauso wichtig wie Bewertungen.

Wenn ich jetzt in den Marktplatzhandel einsteige – wann befinde ich mich in halbwegs sicherem Fahrwasser?
Nehmen wir mal an, Sie starten mit Amazon und zwei weiteren Marktplätzen – da können Sie innerhalb von vier Wochen die ersten Verkäufe tätigen. Um ein skalierbares Business aufzubauen, benötigen Sie etwa ein Jahr, dann haben Sie die Lernkurve durch alle Saisons und besonderen Termine absolviert – Black Friday Week, das Weihnachtsgeschäft und so weiter. Bis eine konsistente Marktplatzstrategie Früchte trägt, brauchen wir zwei Jahre.

Und was kostet mich das?
Macht ein Unternehmen beispielsweise zwei Millionen Euro Umsatz auf Amazon und kümmert sich selbst um die Logistik, dann braucht es zwei Experten und ein bisschen Technologie als Antwort auf die Fragen „Wo managen wir den Content?“ und „In welchem System wird das neue Geschäft verbucht?“. Die Kosten hierfür hängen stark von der bisherigen Software-Welt des Unternehmens ab. Hinzu kommen ein bis zwei Dienstleister für Marketing und als einmaliges Invest etwa 15.000 Euro für wettbewerbsfähige Contentproduktion bei 120 Artikeln in verschiedenen Ausführungen. Verabschieden Sie sich am besten gleich von der Vorstellung, sie könnten die Bilder und Texte von Ihrer Website verwenden. Sie brauchen den Content für jeden Marktplatz neu und werden ihn permanent weiterentwickeln.


Zur Person

Ralph Hübner ist Partner bei ecom consulting und spezialisiert auf E-Commerce für Hersteller. Der Experte für Marktplatzstrategien berät seit vielen Jahren Kunden zum Thema Strategieentwicklung und Internationalisierung im Onlinehandel.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Tanja Könemann



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