EU-Sanierungsplan - jetzt umsetzen
Mit der Aussetzung der Pflicht zum Insolvenzantrag für Unternehmen und der Freistellung von der Organhaftung ist die Zahl der Insolvenzen trotz der Corona-Krise in Deutschland zurückgegangen. Spekulationen über das wahre Ausmaß angeschlagener, also insolvenzreifer Unternehmen schießen ins Kraut.
Was wird geschehen, wenn die Sonderregelungen im Insolvenzrecht zurückgenommen werden, wenn Insolvenzanträge wieder möglich sind wie vor der Krise? Eine Insolvenzwelle ist zu befürchten, wenn sich der Stau zahlungsunfähiger und überschuldeter Betriebe löst.
Der Druck ist groß
Es wird dann darum gehen, Betriebe zu erhalten, die zwar von der Pandemie getroffen wurden, tatsächlich aber wirtschaftlich solide sind und deshalb weiter bestehen bleiben sollten. So sind nicht nur die Möglichkeiten des Insolvenzrechts zu nutzen, die eine Fortführung in Eigenverwaltung und auf Basis eines Insolvenzplans ermöglichen, sondern vor der Insolvenz – aber rechtlich geregelt – bereits eine Sanierung durchzuführen. Dafür hält die EU-Restrukturierungs-Richtlinie eine Lösung bereit. Die Richtlinie ist nach dreijähriger Diskussion im Juli 2019 in Kraft getreten und muss nun in nationales Recht überführt werden. Gerade in der aktuellen Krisensituation wäre eine rasche Umsetzung der europäischen Vorgaben der große Wunsch vieler Beteiligter. Insolvenzverwalter, Verbände und Politiker drängen darauf, die Vorgaben Wirklichkeit werden zu lassen. Es geht insgesamt darum, die Stigmatisierung durch die Insolvenz abzulösen, die Sanierungs-Bemühungen offen zu kommunizieren und so einen Weg zu finden, nicht nur wirtschaftliche Werte im Unternehmen, sondern auch – und nicht zuletzt – Arbeitsplätze zu erhalten. Entsprechend bleibt die Kontrolle über das Unternehmen weitestgehend beim Schuldner. Damit schließt sich die europäische Initiative großteils den Formen des deutschen Insolvenzrechts an, bei dem ebenfalls ein Insolvenzplan in Abstimmung und mit den entsprechenden Sanierungsbeiträgen der Gläubiger auf den Weg gebracht wurde.
Rechte des Gläubigers
Aber es gibt auch Unterschiede: So soll der Sanierungsplan eine Bindungswirkung nur für Gläubiger enthalten, die bei ihm auch mitgewirkt haben. Um Zeit für die nötige Sanierung zu gewinnen, ist ein Vollstreckungsschutz eingebaut, der sich sogar nur auf einzelne Gläubiger beziehen kann, und der insgesamt dafür sorgt, dass es zu einem Zahlungsmoratorium von bis zu einem Jahr kommt.
Die Chancen im Sanierungsverfahren für den Schuldner sind das eine – das andere sind die neuen Risiken für Gläubiger. Nicht nur gilt ein Bestandsschutz für die Lieferanten-Gläubiger, die nun das krisenbehafte Unternehmen weiter beliefern müssen. Es können die Lieferkonditionen sogar „festgestellt“ werden, was in der Praxis bedeutet, dass Sicherungsmaßnahmen wie etwa die „Vorkasse“ nicht einzuführen sind. Zwar gilt dies nur für „wesentliche“ Verträge, diese Eigenschaft ist aber nicht genau definiert und es droht ein Ausweiten schließlich auf alle Lieferantenbeziehungen.
In diesem Zusammenhang droht dann noch eine mögliche Anfechtung. Misslingen nämlich die Sanierungsbemühungen und kommt es doch noch zu einer Insolvenz, so ist bisher nicht klargestellt, dass jedenfalls keine Anfechtung durch den Verwalter mit einer Rückabwicklung des Geschäfts zustande kommt. Immerhin wird es einen Restrukturierungsbeauftragten geben, der die Gläubigerinteressen, etwa bei der Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen oder bei der Überstimmung einzelner Gläubigergruppen, „auffangen“ soll.
Pandemie zeigt, was nötig ist
Schließlich führt die neue Richtlinie die elektronische Kommunikation zwischen den Beteiligten der Sanierung ein. Gerade angesichts der aktuellen Krise zeigt sich, wie wichtig die Umstellung und Modernisierung der Kommunikation ist. Damit würde ein Schritt in die Moderne getan.
Wirtschaft und Politik drängen – das Justizministerium und das Kanzleramt sollten für eine rasche Umsetzung sorgen. Und nicht zuletzt müssen die Schwachstellen, die den Insolvenzgläubigern erwachsen, ebenso schnell abgestellt werden.
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