Creditreform Magazin

Fintech oder Finger weg?

Zur Bankfiliale an der Ecke oder zu einem Fintech im Netz? Unternehmer haben für Finanzierungen mittlerweile viele Alternativen. Die digitalen Wege sind kürzer. Aber sind sie auch sicher und günstig? Und welches Fintech ist für welche Finanzierung geeignet?

Finanztechnologieunternehmen, kurz Fintechs, decken mittlerweile das gesamte Leistungsportfolio traditioneller Geldhäuser ab – von der Kontoverwaltung über den Wertpapierhandel bis zum Thema Finanzierung. Einige bieten Crowdfunding, insbesondere für innovative Projekte und Produkte. Die Schwarmfinanzierung wird in erster Linie von kleineren Betrieben und Startups genutzt. Andere Fintechs geben erstrangige Kredite, beispielsweise Auxmoney, Creditshelf, Finpair und Invesdor. Das Kapital kommt von privaten und institutionellen Investoren wie Family Offices, Pensionsfonds, Versicherungen und sogar Banken. Für Constantin Fabricius, Geschäftsführer des Verbands deutscher Kreditplattformen ist das „neues Geld für ein zusätzliches Finanzierungsangebot“. Auch Schuldscheindarlehen oder Anleihen kann man bei diesen alternativen Finanzierern bekommen. 

Außerdem gibt es Portale, die mit traditionellen Banken zusammenarbeiten und ihnen online Kunden vermitteln, die Finanzierungen suchen. Dazu zählen Check24, Compeon, DFKP, Fincompare und Finanzierung.com. Gematcht werden Nachfrager und herkömmliche Finanzierungsprodukte. Ein Beispiel: Reinhold Barth, Viehtransportspediteur mit fünf Fahrzeugen und fünf Mitarbeitern, benötigte im vergangenen Frühjahr für eine gebrauchte Zugmaschine und einen Auflieger eine Leasingfinanzierung in Höhe von 140.000 Euro. Die Hausbank, bei der Barth bereits Kredite hatte, zog die Handbremse. Begründung: fehlende Sicherheiten und zu geringer Cashflow. Über Fincompare klappte es. Die digitale Plattform, die mit rund 250 Finanzierern zusammenarbeitet, vermittelte ihn an die Altaplan Leasing. „Schnell und einfach“, sagt der Kleinunternehmer. Mehrkosten hat er nicht, Altaplan Leasing zahlt der Plattform für die „Eheanbahnung“ eine Provision. Claudius Thiel von Fincompare sagt: „Wir finden gerade für kleine Betriebe, die bei Banken gegen die Tür laufen, fast immer noch einen Finanzierer.“ 

Ein weiteres Standbein

Christine Deibert, Finanzierungsexpertin im Bundesverband Die KMU-Berater, hält Vermittlungsplattformen für gute Alternativen zum Hausbankkredit. Unternehmen sollten immer „auf mehreren Beinen stehen“. Allerdings müsse man genau hinsehen: „Portale bieten in der Regel standardisierte Vermittlung mit standardisierten Anträgen, Prüfungen, Laufzeiten und gegen Vermittlungsprovisionen.“ Die bei ihnen eingereichten Kreditanträge werden vorgeprüft und dann an die Geldhäuser weitergeleitet. Diese entscheiden über Zu- oder Absage und die Konditionen. Letztere hängen von der Bonität des Antragstellers ab. Deibert: „Wenn die Bonitätsklasse schlechter als 3,0 ist, hat man kaum eine Kreditchance.“ Sie rät deswegen Betrieben, ihre bei der Schufa gespeicherten Daten zu prüfen und Wirtschaftsauskunfteien wie Creditreform regelmäßig mit Selbstauskünften zu beliefern. Die KMU-Finanzierungsexpertin betont auch, dass die Angebote zwar für eine 08/15-Finanzierung zum Kauf einer Maschine oder für schnelle Liquidität brauchbar, „für eine individualisierte, maßgeschneiderte Finanzierung, etwa mit Anzahlung bei Bestellung oder tilgungsfreien Zeiten und dinglichen Sicherheiten, aber kaum geeignet sind“. Auch persönliche Beratung finde bei den Plattformen kaum oder gar nicht statt.

„Für eine maßgeschneiderte Finanzierung sind Kreditportale kaum geeignet."
Christine Deibert, Finanzierungsexpertin

Über Fintechs bekommt man nicht nur Kredite, sie bieten auch andere Finanzierungsinstrumente an, etwa Finetrading. Andreas Wegelin und sein Cousin Waldemar, Inhaber der Firma Tastillery (25 Mitarbeiter, sechs Millionen Euro Umsatz), die kuratierte, hochwertige Spirituosen verkaufen, haben ihre Einkaufsfinanzierung über den Digitalanbieter Aifinyo realisiert. Für ihre ungewöhnlichen Weihnachtskalender mit 24 Probierfläschchen á 30 Milliliter Rum, Whisky oder Gin aus aller Welt müssen die Hamburger bereits im Frühjahr die Ware bei den Händlern bestellen und bezahlen. „Je schneller wir wachsen, desto höhere Summen brauchen wir dafür“, sagt Andreas Wegelin. 

„Je schneller wir wachsen, desto höhere Summen brauchen wir dafür.“
Andreas Wegelin, Tastillery

Ist es die Mehrkosten wert?

Seine Hausbank hatte ihm die rund 500.000 Euro zuletzt nicht mehr gewährt. Also ging er ins Internet, fand Aifinyo, präsentierte online seine Zahlen und das Geschäftskonzept und – bekam die Finanzierung. Laufzeit: sechs Monate. Die Rechnungen ihrer Lieferanten leiten die Tastillery-Gründer digital an das Fintech weiter, das sie umgehend begleicht. Dem Unternehmer-Duo bleiben 120 Tage Zeit, die von Aifinyo vorgestreckte Rechnungssumme zurückzuzahlen, wertvolle Zeit, in der Tastillery Einnahmen macht. Die Zinsen für Finanzierungen solcher saisonalen Geschäfte sind hoch – branchenüblich sind neun bis 15 Prozent per annum – rechnen sich aber häufig. Auch für Andreas Wegelin: „Finetrading ist schnell, einfach und flexibel.“ Der digitale Weg sei „smart“. Der größte Vorteil sei, „dass wir uns komplett auf unser operatives Geschäft konzentrieren können“. 

Auch andere KMU, etwa Fahrradhändler, die bei ihren asiatischen Lieferanten im Herbst ordern müssen, was sie im Frühjahr verkaufen wollen, Maschinenbauer, die Komponenten vorfinanzieren müssen, und Onlineshop-Betreiber, die durch Sofortzahlung Skonto ziehen wollen, stehen auf den Kundenlisten von Aifinyo, Entrafin oder VAI Trade. Das Prozedere ist überall ähnlich, die Konditionen variieren. Aifinyo-Vorstand Stefan Kempf schätzt, dass die mehr als 250 Millionen Euro, die 2021 für Wareneinkaufsfinanzierungen in Deutschland genutzt wurden, „fast vollständig“ von digitalen Anbietern kamen. Beim Leasing und Factoring – beides Milliarden-Märkte – liege die Quote „im unteren einstelligen Prozentbereich“. Noch. „Auch hier gewinnen Fintechs Marktanteile“, sagt Kempf. Klassische Banken hätten in Sachen Digitalisierung Schwierigkeiten, Schritt zu halten: „Bei denen fehlen im B2B-Bereich digitale, also schnelle Prozesse. Freiberufler und KMU müssen oft Wochen auf eine Finanzierung warten, wenn sie überhaupt eine bekommen. Bei Fintechs haben sie die oft schon innerhalb eines Tages.“

Fintechs für Frauen und Freiberufler

Neben Digital-Kreditgebern und Vermittlungsportalen, die weitgehend unabhängig von Branche und Größe von allen Unternehmern angesteuert werden können, gibt es spezialisierte Fintechs. Finmarie versteht sich als Finanzplattform von Frauen für Frauen, Iwoca ist auf Freiberufler und Kleinstbetriebe spezialisiert, Zinsbaustein und Exporo helfen Immobilienprojektentwicklern bei der Finanzierung. 

Die HSP7 Real Estate etwa hat sich für die Finanzierung eines Wohnkomplexes in Hamburg drei Millionen Euro von privaten Anlegern über Exporo besorgt. Das Mezzaninekapital hat Geschäftsführer Ali Zabih zusammen mit eigenen 1,5 Millionen Euro für den Kauf des Grundstücks und die Baurechtschaffung eingesetzt. Herkömmliche Banken kamen bei dem Vorhaben als Darlehensgeber nicht infrage. „Die fordern in der Projektphase eine hohe Eigenkapitalquote“, sagt Zabih. Von Family Offices wollte er kein Geld, „weil sie bei solchen Projekten häufig mitreden wollen“. Zwar hat er für die Finanzierung über Exporo sechs Prozent Zinsen gezahlt, die an die Anleger gehen, und Kosten für die Dienstleistungen der größten Plattform für digitale Immobilieninvestments in Deutschland gehabt, dafür aber zusätzlich kostenlos Marketing bekommen: „Durch die Präsentation des Bauvorhabens auf der Plattform sind viele Interessenten auf unsere Wohnungen aufmerksam und wir in der Branche bekannter geworden.“ 

Exporo-Mitgründer Simon Brunke will „den Immobilienmarkt demokratisieren“. Zum einen sollen auch weniger wohlhabende Menschen einfach, direkt und transparent mit kleineren Summen in Häuser und Wohnungen investieren können. Zum anderen möchte er Projektentwicklern, die bei Banken auf taube Ohren stoßen, weil ihr Eigenkapital oder ihre Sicherheiten nicht ausreichen, mit Kapital ausstatten. Das funktioniert: Seit 2014 hat Exporo gut 600 Millionen Euro für die Finanzierung von mehr als 300 Projekten vermittelt. Mittlerweile ist das 150-Mitarbeiter-Unternehmen ein breit aufgestelltes Geldhaus, das auch digitale Anleihen auf Blockchain-Technologie und darauf basierend einen Robo-Advisor für Immobilienanlagen anbietet. 


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Jürgen Hoffmann



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