FTI-Pleite: Reise ins Nichts
Am 3. Juni war es soweit, das Reiseunternehmen FTI GmbH meldete als Erster aus der Gruppe Insolvenz an. Darauf folgte die BigXtra Touristik GmbH. Mitten in der Urlaubszeit war einer der Großen der Branche zusammengebrochen.
Rund 700.000 Reisende waren betroffen und fürchteten nun (wie die BILD titelte): „Geld futsch ohne Urlaub.“ Bereits am 14. Juni verkündete FTI, dass alle gebuchten Reisen storniert seien. Immerhin war der drittgrößte deutsche Reiseveranstalter zahlungsunfähig geworden und 8.400 Beschäftigte waren betroffen. Die letzten Zahlen zum Umsatz von 2022 nannten 3,8 Mrd. Euro.
Schillernde Unternehmensgeschichte
Das Unternehmen war 1983 als Frosch Touristik gegründet worden. Es folgte eine bewegte Geschichte, die durch zahlreiche Übernahmen bestimmt war. Nach einigen englischen Unternehmen war es der Ägypter Samih Sawiris, der mit seiner Luxemburger Gesellschaft drei Viertel der Anteile übernahm. 2023 kamen die ersten Machenschaften ans Licht. Bekannt wurde, dass einige ehemalige und noch aktive Vorstandsmitglieder wegen Betrugs verurteilt worden waren. Außerdem war durch eine Kooperation mit der Raiffeisen Touristik Zugriff auf Geschäftszahlen von Reisebüros möglich und man konnte so sehen, welche Umsätze mit Konkurrenten abgewickelt wurden. Im April 2024 wollte ein US-Investor einsteigen – für einen symbolischen Betrag. Diese Übernahme wurde dann aber durch die Insolvenz durchkreuzt. Es ist die Rede von 600 Mio. Euro Schulden der FTI. Es bleibt die Frage, warum die Übernahme ausblieb. Nun ist bei einer solchen Größenordnung und einer entsprechenden Marktposition sowohl auf deutscher wie auch auf europäischer Ebene eine kartellrechtliche Prüfung notwendig. Die Zeitschrift Capital hat bei beiden entsprechenden Institutionen nachgefragt und erfahren, dass weder beim Bundeskartellamt noch bei der EU-Fusionskontrolle entsprechende Anträge eingegangen waren. Nun hüllen sich die anwaltlichen Vertreter und die beteiligten Unternehmen selbst in Schweigen. Weder die Familie Sawiris noch der amerikanische Investor waren bereit, Geld einzuschießen. Und auch die Bundesregierung winkte ab. Das Handelsblatt wiederum berichtete, dass es nicht nur um eine zweistellige Millionensumme gegangen sei, die einmalig bezahlt werden müsste, sondern um einen solchen Betrag mit wöchentlicher Auszahlung. Nachdem der Konzern bereits in der Corona-Krise mit 600 Mio. Euro unterstützt worden war - die nun wohl endgültig abzuschreiben sind - hält sich das Finanzministerium nun fern.
Insolvenzschutz für Touristen
Was wird aus dem Geld und dem Urlaub der deutschen Touristen, die für den Sommer bei FTI gebucht haben? Die Verbraucherzentrale gibt hierzu Auskunft: Im Grundsatz gilt dabei, dass Leistungen die direkt bei FTI gebucht wurden, vom Ausfall betroffen sind. Auf der anderen Seite sind Leistungen von Drittanbietern, hier ist FTI lediglich Vermittler, entsprechend nicht gefährdet. Wer also bei FTI in Deutschland, Österreich und den Niederlanden gebucht hat, wer einen Flug in Deutschland oder Mietfahrzeuge von DriveFTI und Meetingpoint Rent-a-Car bestellt hat, ist direkt von der Insolvenz betroffen. Wer aber über TUI, Alltours oder Vtours Leistungen erwartet, fällt ebenso wenig unter die Insolvenz, wie bei einer Buchung über die Pauschalreisen-Portale von FTI in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Und es gibt einen weiteren Rettungsanker: der deutsche Reisesicherungsfonds (DRSF), der einspringt, wenn Zahlungen geleistet wurden und Reisen storniert sind. Der DRSF hilft aber nicht, wenn es sich um Individualreisen handelt, wenn also einzelne Hotels oder Flüge gebucht wurden. Hier würde nur eine Anmeldung der Forderung über die Insolvenztabelle möglich sein. Es ist bekannt, wie schlecht die Quoten sind und wie lange sich die Verfahren hinziehen.
Betroffen von der Insolvenz sind aber nicht nur die Beschäftigten und die Kunden, die Wellen erreichen auch andere Veranstalter. Noch ist es eher ein Gerücht, dass Lidl sich aus dem Touristik-Geschäft zurückzieht. Im Zuge der Pandemie war man mit der Sparte beim weltgrößten Discounter nicht glücklich gewesen. Klar ist, dass hier, wenn es dazu kommt, die Tore ohne Verluste für alle Beteiligten geschlossen werden.
In dieser Situation kommt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes ganz passend. Hier bezieht man sich noch einmal auf die Corona-Pandemie, während der viele Veranstalter in die Insolvenz rutschten und die Verbraucher betroffen waren. Nun gibt der EuGH dem Anspruch von Verbrauchern in bestimmten Fällen recht, dass sie ihr Geld auch nach der Insolvenz erhalten. Die Versicherer der Reiseveranstalter müssen zahlen, die Pandemie war ein „außergewöhnlicher Grund“.
Die Deutschen wollen wieder verreisen
Vielfach ist die Rede davon, dass sich die Tourismusbranche nach dem „Corona-Schock“ erholt habe und auf einem guten Weg sei. Nun aber macht sich die Inflation auch im Tourismus deutlich bemerkbar. Dabei sah alles so gut aus – mit durchschnittlich 1.200 Euro Urlaubsgeld konnten die Beschäftigten in Deutschland rechnen. Und das Statistische Bundesamt gab im Juli die Zahlen vom Mai bekannt: Für das Beherbergungsgewerbe lagen sie fast 10 Prozent höher als vor der Pandemie (2019). Auch bei den Auslandsreisen gab es 2023 bereits ein neues Hoch (3 Prozent mehr als im Vorjahr). Über 100 Millionen Deutsche waren 2023 ins Ausland gereist und weitere 149 Millionen machten Urlaub in Deutschland. Doch die Inflation machte auch vielen Urlaubern einen Strich durch die Rechnung. Die Preise vor Ort sind deutlich gestiegen und auch Flüge sind nicht mehr so günstig zu haben. Die Zeit der Tickets für 9,99 Euro sind wohl endgültig vorbei. Ryanair etwa gibt an, dass die gestiegenen Personalkosten an die Reisenden weitergegeben werden müssen. Hinzu kommen Lieferprobleme bei den Flugzeugherstellern. Wie zur Abrundung der Problemlage erscheinen dann auch noch die Aktionen der „Letzten Generation“, die den Flugverkehr auf den Rollbahnen lahmlegen.
Die Branche ist in Bewegung – davon zeugt die Insolvenz von FTI oder der Rückzug mancher Unternehmen, aber eben auch die Verärgerung der Touristen über die steigenden Preise und die fortlaufenden Probleme bei der Abfertigung. Der Urlaub ist den Deutschen aber wichtig, so nehmen sie die Teuerung sowie die Beschwernisse und Unsicherheiten in Kauf, wenn es um das Verreisen geht.
Quellen: Capital, Handelsblatt und weitere Tagesmedien, Statistisches Bundesamt
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