Gekommen, um zu lernen
In Sachen Wirtschaftswachstum hat China Deutschland längst überholt, auch wenn der Boom derzeit etwas abebbt. Dennoch ist die Volksrepublik noch immer bereit, dazuzulernen. Bei einem Besuch bei Creditreform informierte sich eine Regierungsdelegation darüber, wie nicht-staatliche Unternehmen in Deutschland dazu beitragen, dass Unternehmen und Kunden sich vertrauen.
Pro Tag werden in China rund 18.000 Unternehmen neu registriert. Das sind in einem Monat mehr Registrierungen als Unternehmensgründungen in Deutschland in einem ganzen Jahr. Im Jahr 2014 waren es in China noch 6.900 Unternehmensregistrierungen pro Tag. „Diese Zahlen zeigen wie dynamisch und schnell die chinesische Wirtschaft wächst – aber auch welch große Aufgabe es ist, diese zu kontrollieren“, sagt Lin Liu, stellvertretende Abteilungsleiterin für Kreditaufsicht im staatlichen Zentralamt für Marktregulierung (State Administration for Market Regulation, SAMR). Die Führung der Volksrepublik muss daher zwischen den Fragen abwägen: Wie viel staatliche Kontrolle ist an welchen Stellen wünschenswert? Und welche Aufgaben könnten der Markt selber, andere Unternehmen oder auch Vereine und Branchenverbände übernehmen?
Antworten suchte eine Delegation des SAMR unter der Führung von Liu Lin Anfang November beim Verband der Vereine Creditreform in Neuss. „Das SAMR als Behörde im Rang eines Ministeriums ist unter anderem für die Verwaltung der chinesischen Unternehmens- und Kreditwürdigkeitsregister verantwortlich“, erklärt Enno Ruppert, Begleiter der Delegation. „Entsprechend groß ist das Interesse an Creditreform als privatrechtlich organisierte Auskunftei für Wirtschaftsinformationen“. Der Jurist lebt seit drei Jahren in China. Er ist Rechtsberater im Deutsch-Chinesischen Programm Rechtskooperation im Pekinger Büro der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Die Rechtskooperation besteht seit 1996 und dient dem gegenseitigen Austausch. „Oft profieren davon deutsche Unternehmen, weil ihnen die vom Programm geförderte verbesserte Rechtssicherheit in China zugutekommt. Umgekehrt ist China immer daran interessiert, Impulse aus dem deutschen Rechtsverständnis anzunehmen“, sagt Ruppert.
„China ist immer daran interessiert, Impulse aus dem deutschen Rechtsverständnis anzunehmen.“
Enno Ruppert, Deutsch-Chinesisches Programm Rechtskooperation bei der GIZ
Über Daten und Schutz
Entsprechend machte Lin Liu ihre Erwartung mit einem chinesischen Sprichwort deutlich, das frei übersetzt so viel bedeutet wie: Wer dazulernen möchte, muss Fragen stellen. Welche Unternehmensdaten werden etwa in Deutschland erfasst und wie werden sie erhoben und ausgewertet? Immerhin erteilt Creditreform im Schnitt rund 7.000 Wirtschaftsauskünfte pro Stunde und unterhält mit gut 4,8 Millionen Datensätzen die weltweit größte Datenbank über deutsche Unternehmen. Basis ist die Analyse von etwa 200.000 frei verfügbare Bilanzen pro Jahr sowie etwa von 100.000 weiteren Unternehmensdaten aus Quellen wie Handels-, Vereins- oder Insolvenzregistern pro Tag. Hinzu kommt der Versand von jährlich rund einer Million Fragebögen an Unternehmen zur freiwilligen Selbstauskunft.
Michael Bretz, Pressesprecher des Verbands der Vereine Creditreform (VVC) und Thomas Riemann, Leiter Recht beim VVC, machten in ihren Vorträgen deutlich, dass es in Deutschland ausschließlich um die Bewertung von Bonität und Zahlungsfähigkeit gehe und dass der Datenschutz in Europa den Handlungsspielraum bestimme. So dürfe Creditreform in Deutschland etwa viele verfügbare Daten über Kapitalgesellschaften auswerten, „nicht aber die persönlichen Daten des Geschäftsführers“, stellt Riemann klar.
China geht diesbezüglich sehr viel weiter. In Zukunft soll ein sogenanntes Sozialkreditsystem unter anderem das Verhalten von in China tätigen Unternehmen bewerten. Firmen, die schlechte Qualität liefern, Umweltstandards missachten oder Rechnungen regelmäßig zu spät begleichen, müssen fürchten, dass ihre Bewertung sinkt und ihr Verhalten auch öffentlich gemacht wird. Im Gespräch wurde deutlich, dass die chinesische Regierung durchaus erkannt hat, dass es innerhalb der chinesischen Wirtschaft Vertrauensdefizite gibt und sich nun die Frage stellt, auf welche Weise sie es wieder herstellen kann.
Vorlage für die Politik
Der Besuch machte deutlich, dass Vertrauen auch durch nicht-staatliche Institutionen, Verbände, Stiftungen oder Unternehmen gestärkt werden kann, die ähnlich arbeiten wie die Creditreform-Gruppe. Sie hat sich explizit auf die Bewertung der Bonität spezialisiert. Weitere Stationen der Reise waren unter anderem die Stiftung Warentest als Instanz, die die Produktqualität überprüft sowie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, die in Deutschland die Öffentlichkeit über gravierende Sicherheitsmängel informiert. Über Aspekte des deutschen Registerwesens informierten das Bundesamt für Justiz und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
„Das Fazit der Reise und besonders des Termins bei Creditreform fällt sehr positiv aus“, sagt Enno Ruppert. Das zeigt auch die Tatsache, dass der Austausch nicht wie ursprünglich geplant knapp zwei Stunden, sondern länger als drei Stunden gedauert hat. Welche Impulse daraus nun tatsächlich in die politische Arbeit einfließen, muss sich zeigen. Zunächst fassen Lin Liu und ihr Team sie in einem Studienpapier zusammen, das in die chinesische Regierungsarbeit eingehen wird.
Quelle: Magazin „Creditreform“
Text: Christian Raschke
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