Inflation trifft alte Menschen
Keine Frage: Von den inflationären Preissteigerungen bei der Energie und den Nahrungsmitteln sind besonders ärmere Haushalte betroffen. Wenden diese doch einen wesentlich größeren Anteil des verfügbaren Einkommens für diesen Bereich ihres Gesamtkonsums auf.
Armut und Überschuldung betrifft die Altersgruppen ab 60 und (insbesondere) ab 70 Jahren besonders hart. Die Stadt München bringt es in einem Gastbeitrag von Dorothee Schiwy zum Creditreform Schuldneratlas München 2022 auf den Punkt: „Als Sozialreferentin liegen mir besonders die Menschen am Herzen, die vielleicht ihr Leben lang gearbeitet haben und dennoch mit ihrer oftmals mageren Rente in einer teuren Stadt wie München kaum leben können oder gar gezwungen sind, sich Unterstützung bei der Tafel oder beim Sozialamt zu holen.“ Junge Betroffene oder Menschen in der Lebensmitte haben die Chance, sich aus ihrer Misere zu befreien. Insbesondere „für ältere Menschen gibt es so gut wie keine Möglichkeit, aus der Armut herauszukommen,“ führt die Sozialreferentin weiter aus.
Fernwärme statt Öl
Eine aktuelle Untersuchung des IW, Institut der deutschen Wirtschaft, zeigt auf, wie stark Rentner von den aktuellen Preissteigerungen betroffen sind. Auch die Wissenschaftler sprechen davon, dass „diese Gruppe von besonderem Interesse ist, da sie nicht unmittelbar mit einer Anpassung ihres Arbeitsangebots auf die steigenden Preise reagieren kann und nur mit Verzögerung von der Lohnentwicklung profitiert, die momentan der rasanten Preisentwicklung hinterherläuft.“ Dabei wird unterschieden zwischen Pensionären und gesetzlich versicherten Rentenbeziehern im Vergleich zu den Durchschnittshaushalten der Gesamtbevölkerung. So zeigen sich größere Unterschiede bei den Warenkörben von Pensionärs- und Rentnerhaushalten aus gesetzlicher Versicherung je nach Höhe ihres Einkommens. Tatsächlich verwenden Rentner mit gesetzlicher Rentenversicherung bei geringem Einkommen einen größeren Anteil ihres Konsums für Miete, Nahrungsmittel und Energie. Auf der anderen Seite haben die Haushalte mit höheren Einkommen etwa im Bereich „Verkehr“ größere Ausgaben. Die unterschiedlichen Einkommen korrespondieren also mit unterschiedlichem Konsumverhalten. Im Jahr 2022 waren ärmere Rentnerhaushalte stärker von der Inflation betroffen, weil sie in stärkeren Ausmaß mit Öl heizten und weniger etwa auf Fernwärme zurückgriffen. Dieses Problem verstärkt sich noch bei Rentnern im ländlichen Raum, die nicht nur höhere Kosten bei der Energie, sondern auch für den Verkehr hinzunehmen haben. Auch die Vergünstigungen, die von staatlicher Seite beim Verkehr durch das 9-Euro-Ticket geschaffen wurden, kamen bei diesen Rentnern nur in geringerem Maße an. Die Unterschiede beim Bezug von Öl oder Fernwärme machen sich bei der Inflationsrate für diese Gruppe bemerkbar: Lag im Durchschnitt der Haushalte mit gesetzlichem Rentenbezug die Inflationsrate bei 8,3 Prozent, so fiel sie bei der anderen Gruppe mit 9,2 Prozent deutlich höher aus.
Altersüberschuldung nimmt zu
Der im Oktober 2022 veröffentlichte Creditreform SchuldnerAtlas weist erneut eine Entspannung der Situation bei der Überschuldung der „jüngeren“ Bevölkerung zwischen 18 und 59 Jahren aus. Dagegen sank die Überschuldungsquote in der Gruppe der älteren Personen nur unterdurchschnittlich um minus 1,8 Prozent (gegenüber minus 5,1 Prozent bei den 18- bis 59-Jährigen). Während sich bei den 60- bis 69-Jährigen bei 0,76 Millionen Überschuldungsfällen ein Rückgang von 14.000 Betroffenen (1,8 Prozent) feststellen lässt, sind bei den Personen ab 70 Jahren nur unterdurchschnittlich starke Rückgänge von 8.000 Fällen (1,9 Prozent) zu registrieren.
Vor allem der langfristige Anstieg in dieser Altersgruppe gibt zu denken: Zwischen 2013 und 2022 nahm die Überschuldung alter Menschen um 270 Prozent zu. Die Daten zum aktuellen Überschuldungsgeschehen zeigen, dass es jüngere Menschen sehr viel einfacher gelingt, aus der prekären wirtschaftlichen Situation herauszukommen. Aktuell stellen die unter 60 Jahre alten Volljährigen rund 80 Prozent der Überschuldungsfälle, bei den über 60-Jährigen sind es rund 20 Prozent. Über einen längeren Zeitraum wird das Ausmaß der Problematik noch deutlicher: 2004 betrug der Anteil der „Alten“ nur rund 8 Prozent, bei den unter 60-Jährigen lag er entsprechend bei 92 Prozent. Die Anzahl der Gläubiger und auch die Höhe des Schuldenvolumens liegen deutlich unter denen jüngerer Bürger. Wie von Schiwy und dem IW ausgeführt, liegt die besondere Problematik bei den Rentnern darin, dass sie wenig Chancen haben, die einmal aufgetürmten Schulden noch abtragen zu können. Da kommt es dann in vielen Fällen zum „Nachlasskonkurs“, den die Erben dann ausschlagen werden.
Quellen: Creditreform SchuldnerAtlas 2022, Gastbeitrag LH München, IW
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