„Jeden zu retten, ist keine Option.“
Einerseits Krisen über Krisen, andererseits melden die Gerichte weniger und weniger Insolvenzen. Im ersten Halbjahr 2022 war noch einmal ein leichter Rückgang bei den Unternehmensinsolvenzen gegenüber der Vorjahresentwicklung festzuhalten.
Eine paradoxe Situation, die es aufzuklären gilt, will man sich gegenüber einem starken Anstieg der Insolvenzen, wie er aktuell in Österreich zu registrieren ist, frühzeitig wappnen. Im Gespräch mit der Falkensteg GmbH, die als Unternehmensberatung auf Sanierung spezialisiert ist, umreißt Patrik-Ludwig Hantzsch die Lage im Sommer 2022 im Hinblick auf die Stabilität der Unternehmen angesichts immer neuer, nicht abreißender Krisen.
Das Füllhorn leert sich
Zur Erklärung der widersprüchlichen Situation bei den Unternehmensinsolvenzen verweist Hantzsch zunächst auf die Vielzahl von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen, die dazu beigetragen haben, die Zahl der Insolvenzanträge gering zu halten. Das reicht vom Kurzarbeitergeld über die verlängerten Überbrückungshilfen bis zum Aussetzen der Insolvenzantragspflicht bis ins Frühjahr des letzten Jahres. Dabei gilt es nach Ansicht des Leiters der Creditreform Wirtschaftsforschung klar zu sehen, dass mit diesen Hilfen aus der Gießkanne auch viele unrentable und damit potenziell insolvenzreife Unternehmen erhalten wurden, was die Unternehmenslandschaft in einer Marktwirtschaft verzerrt. Ein „Survival of the Fittest“ wurde ausgesetzt. Dabei ist Hantzsch im Prinzip durchaus für die Hilfsmaßnahmen, die in den Höhepunkten der Pandemie Arbeitsplätze und Unternehmen gerettet haben. Nun aber stellt sich angesichts neuer Probleme die Frage, wie lange eine Volkswirtschaft einen solchen Support durchhalten kann. Selbst ein reiches Land wie Deutschland gerät dann irgendwann an das Ende seiner Möglichkeiten. „Jeden zu retten, ist keine Option.“
Während die Pandemie ein externer Schock war, der die Unternehmen getroffen hat, sind der Ukraine-Krieg, der für einen Energieengpass sorgt und die Inflation deutlich antreibt, die steigenden Materialkosten, die Lücken in den Lieferketten und schließlich die Probleme im Export Schwierigkeiten, die direkt in das Herz unternehmerischer Tätigkeit treffen. „Wir blicken also auf eine Dekade der Unruhen und der Krisen. In diesem Umfeld müssen sich die Unternehmen behaupten und es wäre illusorisch zu glauben, dass man mit Liquiditätsspritzen jeden retten kann. Das ist keine Option.“
Auf den Mittelstand kommt es an
Es stellt sich die Frage, wie resilient Deutschlands Unternehmen sind. Dabei hebt Hantzsch vor allem auf den Mittelstand ab, der ein goldenes Jahrzehnt hinter sich habe. Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen wussten die Zeit für eine Konsolidierung ihrer Finanzierungssituation zu nutzen. Creditreform Untersuchungen zur Eigenkapitallage zeigen, dass von einer vielberufenen Eigenkapitallücke nicht mehr die Rede sein kann. Mehr als 30-prozentige Eigenkapitalquoten sind auch bei kleineren Betrieben heute keine Seltenheit mehr. Widerstandsfähiger wurden gerade Mittelständler in der Krise auch durch die verstärkte Digitalisierung – etwa im Zusammenhang mit der Einrichtung von Homeoffice-Arbeitsplätzen, aber auch durch die Diversifizierung bei den Kunden, den Lieferketten und Geschäftspartnern. Die kleinteilige deutsche Wirtschaft zeige sich hier vorteilhaft, weil sie in der Lage ist, angesichts der Probleme flexibler zu reagieren. Hantzsch spricht davon, dass viele Unternehmen die Krise auch als Chance wahrgenommen hätten und „die Kraft haben, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen und die geeigneten Maßnahmen umzusetzen“.
Wenn davon die Rede ist, dass „Cash Trumpf sei“, dann ist nicht nur von dem Geldfluss die Rede, welchen die öffentliche Hand als Subvention zur Verfügung stellt. Wie Unternehmen die Dinge, in diesem Fall ihre Liquidität, in die Hand nehmen, zeigen die aktuellen Entwicklungen beim Zahlungsverhalten. Dabei war es zunächst noch so, dass in der Krise pünktlich bezahlt wurde. Das liegt wohl auch daran, dass die Rechnungslegung stärker auf den Zahlungseingang achtete, weil der Zahlungsausfall näher lag. Nun aber seien zum ersten Mal im Sommer 2022 die Werte schlechter geworden. Es steigt die Zahl der Unternehmen, die Rechnungen erst bezahlten, wenn sie deutlich überfällig wurden und so die Gesamtzahl aller überfällig bezahlten Rechnungen deutlich vermehrt wurde. Dabei muss offenbleiben, ob die Betriebe tatsächlich Liquidität schonen, indem sie später zahlen oder ob hier bereits ein erstes Indiz für eine Schwachstelle und Schieflage deutlich wird.
Hantzsch macht insgesamt noch einmal deutlich, dass eine Rückkehr in die Welt vor der Krise ein Wunschtraum bleiben wird. Im Gegenteil: Wir stehen im dritten Jahr der Krise und insgesamt eskaliert das Geschehen. Dabei verweist er nicht nur auf den Krieg in Osteuropa, sondern auch auf den sich verschärfenden Konflikt zwischen den USA und China. Gegenüber anderen Volkswirtschaften Europas sei Deutschland in sehr guter Verfassung in die verschärfte Lage eingetreten. Doch sei nicht abzusehen, ob diese Stärke tatsächlich reicht, um das „Unternehmensschiff“ sicher durch zunehmende Stürme zu steuern.
Quelle: FalkenSteg Finance Q2/2022
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