Konjunkturspritze Klimapakt
Noch herrscht in vielen Handwerksbetrieben Hochstimmung. Aber die Warnsignale mehren sich. Da kämen Aufträge im Zusammenhang mit dem Brüsseler Green Deal genau richtig.
Die EU-Kommission macht Tempo auf ihrem Weg zu einem klimaneutralen Europa. Knapp drei Monate nach der Vorstellung ihres „Grünen Deals“ im Dezember 2019 legte sie Anfang März einen ersten Vorschlag für ein Klimagesetz auf den Tisch. Das Vorhaben, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen, könnte zu einem Konjunkturprogramm für das deutsche Handwerk werden. Zumindest hofft das die Branche. „Gerade Handwerksbetrieben kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, das Wirtschaftswachstum vom Ressourceneinsatz zu entkoppeln. Sie reparieren, erhalten, modernisieren und vermitteln im Rahmen der Aus- und Weiterbildung die Fähigkeiten, die für den Übergang hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft erforderlich sind“, sagt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH).
„Handwerksbetrieben kommt eine Schlüsselrolle zu beim Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft.“
Holger Schwannecke, ZDH
Die Bürokratie bremst
Noch bescheren die Bemühungen um eine saubere Umwelt der Branche allerdings noch keinen nennenswerten Schub. Nach einer aktuellen Umfrage des Verbands der Vereine Creditreform sehen gerade einmal 22 Prozent der befragten Betriebe im Umweltschutz wirtschaftliche Chancen. Ebenso viele betrachten dieses Thema eher als Belastung, weil sie selbst mit einer Vielzahl von Umweltschutzauflagen konfrontiert sind. Als störend empfinden sie insbesondere den bürokratischen Aufwand. „Es ist einfach lästig. Ob bei den Steuern, beim Arbeitsschutz oder in welchem Bereich auch immer: Pausenlos ändert sich etwas. Man ist eigentlich die ganze Zeit damit beschäftigt, seine Betriebssysteme anzupassen“, kritisiert Marco Jaeger, Tischler und Architekt im thüringischen Schmalkalden. Für den ZDH ist das Thema Bürokratie seit langem ein Dauerärgernis. Verbandspräsident Hans Peter Wollseifer klagt: „Was bisher an Bürokratieabbau gemacht wurde, kommt bei den Betrieben nicht an. Wir brauchen Kontinuität statt ständiger Änderungen von Gesetzen.“ Zumindest benötigten Handwerker seiner Meinung nach zeitliche Freiräume, um auf gesetzliche Neuregelungen zu reagieren.
Noch dämpft die gute Branchenkonjunktur den Ärger vieler Betriebe über die Regulierungswut der Politik. In der Creditreform-Umfrage benoteten im Februar 76,2 Prozent der befragten Handwerksbetriebe ihre aktuelle Geschäftslage mit „sehr gut“ oder „gut“. Unverändert überragend ist die Stimmung gegenwärtig vor allem im baunahen Handwerk. Die Umsatzentwicklung verläuft weiter positiv, wenngleich nicht mehr so dynamisch wie in den beiden Vorjahren. 38,1 Prozent der Befragten erwarten höhere Erlöse; mit sinkenden Umsätzen rechnen lediglich knapp acht Prozent. Die Mehrzahl der Betriebe sieht Spielraum für weitere Preiserhöhungen und plant Investitionen. Hinzu kommt: Drei von zehn Befragten rechnen damit, dass sich ihre Ertragssituation in den nächsten Monaten verbessern wird.
Angst vorm Abschwung
Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch durchaus Signale für eine drohende Abkühlung der guten Konjunktur im Handwerk. Die blendende Situation im Bauhauptgewerbe sowie im Ausbauhandwerk verdeckt, dass es in anderen Bereichen aktuell weniger gut aussieht als noch Anfang 2019. Insbesondere im Metallgewerbe hat sich die Stimmung merklich abgekühlt. Zwar bewerten immer noch 69,2 Prozent der befragten Betriebe ihre Geschäftslage mit „gut“ oder besser. Aber zwölf Monate zuvor waren es noch 76,9 Prozent. „Offenbar haben die Handwerksbetriebe Sorge, dass sich die Schwäche der Industrie bald auch in ihren Auftragsbüchern bemerkbar macht“, vermuten die Autoren der Studie. Tatsächlich ist gerade das Metallgewerbe als Zulieferer eng mit dem Auf und Ab der Industriekonjunktur verknüpft.
Bei der Einschätzung ihrer künftigen Ertragssituation sind die Handwerksbetriebe bereits pessimistischer geworden: 11,5 Prozent erwarten Rückgänge. Einen ähnlich hohen Wert hatte Creditreform zuletzt vor vier Jahren ermittelt. Die Personalplanungen der Unternehmen vermitteln ein geteiltes Bild. Während die baunahen Gewerke ihre Belegschaften aufstocken wollen, sind andere Wirtschaftsbereiche zurückhaltender. Im Nahrungsmittelhandwerk beabsichtigt sogar jeder achte Betrieb, sein Team zu verkleinern.
Dank weitgehend pünktlicher Zahlung ihrer Kunden und geringer Zahlungsausfälle hat sich die Liquiditätssituation der meisten Handwerksbetriebe auf hohem Niveau stabilisiert. „Dagegen weist die in den Vorjahren merklich verbesserte Eigenkapitalsituation im Handwerk erste Krisensymptome auf“, analysiert Creditreform. So nahm der Anteil der Betriebe, bei denen die eigenen Mittel weniger als zehn Prozent der Bilanzsumme ausmachen, zuletzt auf 32,7 Prozent zu. Nur noch 21,5 (Vorjahr 22,4) Prozent verzeichneten eine hohe Eigenkapitalquote von mehr als 30 Prozent.
Angesichts einer drohenden konjunkturellen Abkühlung kämen vielen Betrieben Aufträge im Zusammenhang mit dem Brüsseler Klimapakt gerade recht – vorausgesetzt die bürokratischen Belastungen bleiben überschaubar. „Die Unternehmen dürfen nicht über die bereits heute von ihnen im Umweltbereich erbrachten Leistungen hinaus mit klimapolitischen Kosten und Forderungen überfrachtet werden“, betont der Branchenverband ZDH.
Am Puls des Handwerks
Creditreform befragte im Januar und Februar 2020 1.138 Handwerksunternehmen aus West- und Ostdeutschland, die in der Handwerksrolle eingetragen sind, zu ihrer wirtschaftlichen Situation. Die Mehrzahl der Betriebe entstammte dem Ausbauhandwerk (424), gefolgt vom Bauhandwerk (318) und dem Metallhandwerk (117). Sie firmierten überwiegend als GmbH (51,3 Prozent) oder als Einzelkaufmann/Gewerbetreibender (32,4 Prozent).
Die Studie finden Sie online unter: www.creditreform.de/aktuelles-wissen/wirtschaftsforschung
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Weber
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