Liquidität ist Gebot der Stunde
Die steigenden Insolvenzen von Unternehmen machen es nur allzu deutlich: Es kommt jetzt darauf an, liquide zu bleiben.
Der ganz überwiegende Teil aller Insolvenzanträge wird wegen akuter oder drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt. Der Insolvenzgrund „Überschuldung“ spielt nur eine untergeordnete Rolle. „Cash ist Trumpf“ heißt es angesichts einer schwächelnden Wirtschaft und einer schwierigen Finanzierung. Am Beispiel der Eigenkapitalsituation lässt sich die schwierige aktuelle Finanzierungssituation darstellen. Die Creditreform Umfrage vom Herbst 2023 im Mittelstand fragte auch nach der Eigenkapitalquote. Typisch für die Krisensituation ist eine Polarisierung: Es nehmen sowohl die Betriebe zu, die nur eine dürftige Eigenkapitaldeckung von unter 10 Prozent aufweisen – von 27,0 Prozent im Vorjahr auf aktuell 28,3 Prozent – als auch die mit einer soliden Eigenkapitalquote von über 30 Prozent (von 34,2 auf 36,7 Prozent). Angesichts der Schwierigkeiten um den Bankkredit, bei den Zahlungsfristen und den Forderungsausfällen verstärken Unternehmen, die gesund in die Krise gegangen sind, noch ihr Eigenkapital, während schwächelnde Betriebe gezwungen sind, ihre Eigenkapitalbasis anzugreifen, um zu überleben. In einem Satz: In der Krise werden die Starken stärker, die Schwachen schwächer.
Die Liquidität zu steuern, ist in großen Betrieben Aufgabe des Finanzvorstands oder des Treasurers, bei kleinen Mittelständlern wird sich nicht nur die Buchhaltung, sondern auch und gerade die Geschäftsführung damit befassen. Natürlich haben in der Krise den Mikrobetrieben oder den Selbstständigen staatliche Hilfen zur Überbrückung bei Liquiditätsengpässen Unterstützung geben können. Aber wie schnell solche Hilfen wieder verschwinden können, zeigen die aktuellen Diskussionen bei der Neuaufstellung des Haushaltes und das Nachdenken über Streichungen. Es fehlt an allen Ecken und Enden Geld. Die „Schönwetterperiode“ in der Finanzierung ist beendet, die Zinswende der EZB hat das Geld wieder wertvoller gemacht.
Zahlungsziele überprüfen
Eine erste Maßnahme, um Liquidität zu schöpfen, geht dahin, eigene Zahlungsziele beim Einkauf gegenüber dem Lieferanten zu verlängern. Und dies geht einher mit einem Drängen auf eine Verkürzung des Zahlungsziels bei den Abnehmern und Kunden. Auf den ersten Blick eine paradoxe Situation: Das Unternehmen will selbst mit der Zahlung warten, drängt aber auf der anderen Seite bei den Kunden auf einen schnellen Zahlungseingang. Tatsächlich erfordert das Liquiditätsmanagement im Zusammenhang mit der Rechnungsbegleichung und Rechnungsstellung sehr viel Fingerspitzengefühl. Gerade in Zeiten von Lieferengpässen ist es entscheidend, notwendige Lieferungen nicht durch eine schleppende Zahlungsweise zu riskieren. Und niemand wird in Zeiten der Krise und einer dürftigeren Auftragslage wichtige Kunden durch ein allzu forciertes Fordern verprellen wollen. Es geht nun um Verhandlungen im Hinblick auf die mögliche Ausweitung von Zahlungszielen beim Lieferanten, aber auch darum, sich die „Zahlungsmoral“ der Abnehmer genauer anzusehen. Dabei spielt die Bewertung der Bonität eine herausragende Rolle. Hinter der Zahlungsverzögerung steht nicht selten der komplette Zahlungsausfall. Auf der anderen Seite wird man einem Kunden nicht nur aufgrund der Höhe der Bestellung, sondern gerade auch im Hinblick auf seine Bonität, möglicherweise längere Zahlungsziele einräumen. Ein Zahlungsziel kann durchaus ein Vertriebsargument sein. Dazu gehört auch die Transparenz im Hinblick auf die unterschiedlichen Lieferanten und Kunden. Wie schnell zahlt der Kunde, wie wichtig ist ein Lieferant für die eigene Produktion? Gerade bei der Lieferung kommt es auch darauf an, zu prüfen, wie eine Just-in-Time-Bestellung und -Anlieferung möglich ist. Im Lager steckt eine Menge Liquidität, es gilt die Bestände zu reduzieren.
Notwendige Transparenz
Die Zeitschrift „DerTreasurer“ hat anlässlich der Corona-Krise eine Online-Befragung unter Treasurern und Leitern der Finanzabteilungen deutscher Konzerne und Unternehmen des gehobenen Mittelstandes durchgeführt. Die Befragung zielte eher auf größere Unternehmen ab – und auch die gaben zu fast 80 Prozent an, dass die Corona-Pandemie zu Liquiditätsproblemen geführt habe. Angesichts gestiegener Hürden bei der Kreditvergabe und der Verschärfung der Krisensituation durch den Krieg in der Ukraine wird dieser Anteil jetzt noch zu erhöhen sein. Ein Viertel der Befragten gab an, die Zahlungsziele bei den Lieferanten zu verlängern. Weitere 26 Prozent sprachen davon, die Bestände im Umlaufvermögen zu reduzieren. Auf die Frage, wie man das Risiko von Liquiditätsengpässen in Folge der Pandemie mindern wolle, stand an erster Stelle die Optimierung der Transparenz und des Forecasts im Hinblick auf den Cashflow. Jeweils ein knappes Drittel gab an, bestehende Bankkredite zu ziehen oder eben neue Bank- und Kapitalmarkt-Finanzierungen abzuschließen. Diese Aussagen wurden vor dem Zinsanstieg gemacht. Die Alternativen für eine Verbesserung des Cashflows durch einen Bankwechsel oder weitere Kapitalmarkt-Finanzierungen, die etwa bei Anleihen ja Hand in Hand mit den Zinsen bei der Bank gehen, würden wohl heute nicht mehr in diesem Maße gegeben werden. Die letzte ifo-Umfrage zur Kreditbeschaffung für Unternehmen zeigte an, dass ein knappes Viertel der Befragten davon sprach, dass die Beschaffung von Krediten schwieriger geworden sei. Dies ist der höchste Wert seit 2017.
Und auch eine aktuelle Marktstudie der Unternehmensberatung PwC lässt erkennen, dass die geopolitischen Risiken den Markt für Venture Capital geradezu austrocknen. 2023 sind die Transaktionen für Wagniskapital um 40 Prozent zurückgegangen, beim eingesetzten Kapital gibt es ein Minus von 54 Prozent. Alternativen bei der Finanzierung sind also ebenfalls schwieriger zu bekommen. Es bleibt tatsächlich nur, alle Aufmerksamkeit auf Kunden und Lieferanten zu richten, um Liquidität aus dem täglichen Geschäftsbetrieb zu gewinnen.
Quellen: DerTreasurer, ifo Institut, PwC
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