Osteuropa: Unübersichtlich
Der Außenhandel ist für Deutschland, arm an Rohstoffen und Bodenschätzen, von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der Konjunktur. Im Zeichen der Krisen hat der Außenhandel deutlich abgenommen. Die Corona-Pandemie hat zu einem abrupten Einbruch geführt, der trotz einer Erholung im letzten Jahr dann doch nicht aufgeholt werden konnte.
Mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine stehen die Ampeln für manche Waren und Dienstleistungen wieder auf Rot. Aber auch die Bekämpfung des neuerlichen Aufflackerns der Krankheit in China mit einem stringenten Lockdown führt zu Restriktionen beim Austausch mit diesem wichtigen Handelspartner. In dieser globalen Krisenlage richtet sich der Blick aktuell aber besonders auf die Nachbarn im Osten. Nicht nur weil die Handelspartner in Belarus, der Ukraine und in Russland durch Sanktionen ausfallen, sondern auch weil die mittel- und osteuropäischen Länder sehr viel stärker von der Krise berührt sind als die westlichen Länder auf dem Kontinent.
Dabei geht es bei den Unsicherheiten nicht nur um eine schwierige Lage, die durch Sanktionen ausgelöst wurde, sondern ganz konkret um einzelne Unternehmen in Osteuropa, deren Lieferungen ausfallen oder die nicht mehr in der Lage sind, unsere Exporte abzunehmen. Ein Blick auf die Insolvenzen von Unternehmen in den osteuropäischen Ländern ersetzt zwar nicht die Wirtschaftsauskunft in jedem Einzelfall, steckt aber allgemein den Krisenhorizont im einzelnen Land ab. Dabei sind Parallelen zwischen Ost- und Westeuropa bei den Insolvenzen augenfällig: Zum einen ist die Insolvenzentwicklung in den beiden Blöcken nicht einheitlich, zum anderen wird eine normale Entwicklung durch eine Vielzahl rechtlicher und subventionierender Maßnahmen konterkariert.
Insolvenzrecht in der Entwicklung
Von den zwölf mittel- und osteuropäischen Ländern, die von der Creditreform Wirtschaftsforschung untersucht wurden, weisen fünf steigende Unternehmensinsolvenzen auf. Diese Veränderungen im negativen Sinne sind im Einzelfall unterschiedlich ausgeprägt – dies gilt auch für negative Entwicklungen mit steigenden Unternehmenspleiten. Insgesamt sind die Insolvenzen von Unternehmen in Osteuropa um 5,9 Prozent gestiegen. Betroffen sind knapp 40.000 Unternehmen – 2020 waren es rund 37.000. Deutlich wird der Zugang von Insolvenzen bei einem Blick auf die letzten fünf Jahre, 2017 waren es noch gut 29.000 Unternehmenszusammenbrüche. Den höchsten Zuwachs an Pleiten musste die Slowakei mit einem Plus von fast 60 Prozent hinnehmen. Es folgen Kroatien (plus 21 Prozent), Tschechien mit knapp 12 Prozent sowie Ungarn und Rumänien mit jeweils rund 10 Prozent Zunahme. Eine deutliche Spreizung in den Veränderungen der Unternehmensinsolvenzsituation gegenüber dem Vorjahr zeigen auch die Länder, die rückläufige Zahlen vorweisen können. So haben sich die Zahlen in Bulgarien um mehr als 60 Prozent entspannt, während am anderen Ende der Skala in Serbien nur ein Minus von 4,4 Prozent zu registrieren war. Aber auch die absoluten Insolvenzzahlen sind höchst unterschiedlich und korrelieren nicht immer mit der Zahl der angesiedelten Unternehmen. Ein Ranking der Insolvenzbetroffenheit wie es für Westeuropa – mit einigen Vorbehalten – durchgeführt wurde, wäre im Osten Europas ohne Relevanz. So weist die größte Volkswirtschaft in Osteuropa, Polen, 2021 nur 410 Unternehmensinsolvenzen aus. Auf der anderen Seite steht Ungarn mit 21.700 Insolvenzen oder Rumänien mit über 6.000 betroffenen Unternehmen.
Hilfsmaßnahmen zweischneidig
Die unterschiedlichen Insolvenzzahlen in den einzelnen osteuropäischen Ländern sind zum einen darauf zurückzuführen, dass die Rechtspflege und die verbundene Gesetzgebung teilweise nicht den Standards entsprechen, die etwa in Westeuropa üblich sind. Zum anderen sind die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Pandemie höchst unterschiedlich. In manchen Ländern werden nur einzelne Branchen unterstützt, etwa durch Steuererleichterungen und andere Staaten haben die Insolvenzpflicht für Unternehmen in Schieflage ausgesetzt. Wie sich solche Maßnahmen auf das Geschehen auswirken können, zeigt Polen, dass nicht nur mit 410 Anträgen eine ungewöhnlich niedrige Zahl von Insolvenzen hinzunehmen hatte. Es gibt auch kaum größere Insolvenzfälle, bei denen viele Beschäftigte berührt gewesen wären. Insgesamt waren in Polen nur rund 10.000 Arbeitsplätze durch eine Insolvenz des Arbeitgebers betroffen. In manchen Ländern ist es auch für viele kleine Unternehmen möglich, über ein privates Insolvenzverfahren den Weg zur Entschuldung zu suchen – auch diese Betriebe tauchen nicht in der Unternehmensinsolvenzstatistik auf.
Ein Blick auf die betroffenen Hauptwirtschaftsbereiche in Osteuropa insgesamt ist wenig ergiebig. Das zeigt sich bei einer Analyse einzelner Länder und der betroffenen Hauptbranchen. So ist das Verarbeitende Gewerbe in Lettland zu über 70 Prozent am gesamten Insolvenzaufkommen beteiligt, in Tschechien nur zu 9,1 Prozent. Der Dienstleistungsbereich hat in Rumänien nur einen Anteil von 15,5 Prozent am gesamten Insolvenzaufkommen, in Ungarn sind es 38,2 Prozent. Die Gründe liegen sicher auch in den bereits genannten Fördermaßnahmen für einzelne Bereiche, die in den einzelnen Ländern durchgeführt wurden.
Die schwierige Situation im Aufholprozess der osteuropäischen Volkswirtschaften ist durch die Pandemie und in der Folge noch durch den Krieg in der Ukraine nicht einfacher geworden. Die Lage ist unübersichtlich und die Insolvenzen in den einzelnen Ländern können nur erste Hinweise auf die Risikolage geben.
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