Sonderregelungen im Insolvenzrecht laufen aus: Was jetzt zu tun ist
Unternehmen müssen jetzt genau aufpassen, denn einige Sonderregelungen im Insolvenzrecht laufen aus. Ab dem 1. Januar 2024 gilt wieder der übliche Prognosezeitraum für überschuldete Unternehmen. Doch manche Unternehmen müssen bereits jetzt handeln. Wer davon betroffen ist und was jetzt getan werden muss.
Das Insolvenzrecht in Deutschland hat seit 2020 großzügigere Regelungen in der Insolvenzantragspflicht vorgesehen – als Reaktion auf die Corona-Pandemie und die Folgen des Kriegs in der Ukraine. Nun ändern sich zum Jahreswechsel 2024 zwei wichtige Regelungen wieder. Aber Achtung: Für viele Unternehmen greifen sie bereits vorher.
Zum einen geht es um den Zeitraum, innerhalb dessen ein Insolvenzantrag wegen Überschuldung gestellt werden muss. Dieser wurde im Rahmen des Dritten Entlastungspakets der Bundesregierung verlängert. Unternehmen haben bis Ende 2023 acht Wochen Zeit für den Antrag, statt üblicherweise sechs Wochen. Ab Januar 2024 gelten aber wieder nur sechs Wochen. Allerdings darf die Höchstfrist nicht ausgeschöpft werden, wenn bereits früher feststeht, dass eine nachhaltige Beseitigung der Überschuldung nicht erwartet werden kann. Wichtig ist außerdem, dass die längere Frist nur für Insolvenzen überschuldeter Unternehmen gilt. Bei Insolvenzen wegen Zahlungsunfähigkeit haben sich die Fristen ohnehin nicht geändert.
Achtung bei der Fortführungsprognose
Zum anderen hatte die Regierung im Herbst 2022 den Zeitraum für die sogenannte Fortführungsprognose auf vier Monate verkürzt. Bis Ende 2023 gilt: Unternehmen, die nicht mehr über ausreichend Vermögen verfügen, um bestehende Verbindlichkeiten in den folgenden vier Monaten zu bedienen, müssen Insolvenz beantragen. Dann gelten sie als so überschuldet, dass sie mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zahlungsunfähig werden. Normalerweise geht es um einen Zeitraum von zwölf Monaten, in denen Unternehmen voraussichtlich ihre Verbindlichkeiten bedienen können müssen.
Auch dieser längere Prognosezeitraum von zwölf Monaten greift wieder ab 1. Januar 2024. Doch „Firmen sollten sich nicht vom Datum 1. Januar 2024 täuschen lassen“, sagt Rechtsanwalt Nils Andersson-Lindström, Geschäftsführer der Reconomis Rechtsanwalts-GmbH. Viel zu wenig bekannt ist, dass es schon ab September 2023 für Unternehmen heißt, genau in die Bücher zu schauen. Denn unter Umständen müssen sie schon jetzt aktiv werden. Ab September reicht der verkürzte Zeitraum schließlich schon ins neue Jahr hinein. Und damit gilt bereits wieder der längere Prognosezeitraum.
Potenziell tausende Unternehmen betroffen
Deshalb müssen überschuldete Unternehmen jetzt schon Insolvenz beantragen, wenn sie nicht für zwölf Monate durchfinanziert sind, also keine positive Fortführungsprognose vorweisen können. „Dies könnte tausende Unternehmen betreffen. Denn: Sie haben wegen der Corona-Krise Schulden angehäuft. Durch die Energiepreisexplosion ist zudem der Zeitraum zusammengeschrumpft, in dem Unternehmen seriös in die Zukunft planen konnten“, sagt Sanierungsexperte Nils Andersson-Lindström.
Nach der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Insolvenzantragsrechts im März 2020 im Zuge der Corona-Krise beschloss der Deutsche Bundestag mehrmals Änderungen im Insolvenzrecht. Sie sollten im Kern gesunden Unternehmen helfen, die mit den wirtschaftlichen Unwägbarkeiten durch Pandemie und Ukrainekrieg nicht sicher planen konnten. Die Pandemie, Lieferkettenengpässe und die gestiegenen Energiepreise setzten und setzen vielen Unternehmen zu. Die Schonfrist für überschuldete Unternehmen neigt sich allerdings dem Ende zu. Die Zahl der Insolvenzen dürfte damit weiter steigen.
Schon seit Beginn der großzügigeren Regelungen im Insolvenzrecht befürchteten Experten, dass dadurch eine Welle an Insolvenzen zeitlich nach hinten geschoben wird. Bereits im ersten Halbjahr 2023 stiegen die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland deutlich an. Creditreform rechnet mit 16,2 Prozent mehr Unternehmensinsolvenzen als im 1. Halbjahr 2022. Das ist eine prozentuale Zunahme, wie es sie zuletzt im Vergleichszeitraum 2002 gab. Die Inflation, hohe Zinsen, hohe Materialpreise und die Rückzahlung von Staatshilfen dürften auch weiterhin einige Unternehmen in die Zahlungsunfähigkeit schlittern lassen
Rechtzeitig die Restrukturierung starten
Neben einer Insolvenz kann es aber für Unternehmen auch Alternativen geben. Nach Beobachtung von Andersson-Lindström sind die Möglichkeiten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens (StaRUG) noch zu wenig bekannt. „Der Gang zum Insolvenzgericht ist nicht alternativlos. Wer jetzt handelt, kann stattdessen auch eine Restrukturierung nach dem StaRUG erarbeiten, bei der Unternehmen die volle Kontrolle behalten und reputationsschonend ihre Kapitaldienstfähigkeit wieder herstellen“, sagt er.
Allerdings ist auch hierfür das Zeitfenster klein. Der Insolvenzantrag muss innerhalb der Insolvenzantragsfrist von aktuell noch acht Wochen gestellt werden. Unternehmen, die ab Januar 2024 zu überschuldet sind, um zwölf weitere Monate fortzubestehen, müssen den Insolvenzantrag daher Ende Oktober 2023 stellen. Bis dahin können sie prüfen, ob ein StaRUG-Verfahren möglich ist. „Es ist davon auszugehen, dass viele betroffene Unternehmen die Änderungen nicht auf dem Schirm haben und zu spät reagieren. Diesen bleibt dann nur noch der Gang zum Insolvenzgericht“, befürchtet Nils Andersson-Lindström.
Eine Situation, in der Unternehmen sich mit der drohenden Insolvenz auseinandersetzen müssen, ist immer schwierig. Mehr als sonst ist es aber jetzt notwendig, in der Übergangsphase zwischen der aktuellen Regelung bis Ende 2023 und der neuen – alten – Regelung ab Januar 2024, einen ganz genauen Blick auf die Fristen zu werfen.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Franziska Mozart
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