Creditreform Magazin

Steuertipp: Umsatzsteuer in der Insolvenz

Seit dem Jahr 2011 werden die Finanzbehörden bei Unternehmenspleiten wieder bevorzugt behandelt. Dennoch gibt es auch für die Gläubiger existenzbedrohter Unternehmen gute Nachrichten.

Häufig gefährdet die Insolvenz eines Unternehmens auch den Fortbestand zahlreicher Geschäftspartner. Denn erfahrungsgemäß schützt selbst ein nennenswertes Restvermögen nicht vor der Komplettabschreibung, wenn einzelne Forderungen bevorzugt aus der noch vorhandenen Insolvenzmasse beglichen werden müssen und damit die Quote der anderen Gläubiger mindern.

Grund genug, die langjährige Vorzugsstellung der Finanzbehörden mit Einführung der Insolvenzordnung im Jahre 1999 abzuschaffen. Seither kam es bei Umsatzsteuerforderungen des Fiskus lediglich darauf an, ob die Umsätze nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden.

In diesem Fall mussten darauf entfallende Umsatzsteuerbeträge vom Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeit – also in voller Höhe aus der vorhandenen Insolvenzmasse – befriedigt werden. Wurde die Steuerforderung dagegen bereits vor Verfahrenseröffnung ausgelöst, blieb den Finanzämtern, wie anderen Gläubigern auch, nur die Anmeldung ihrer Ansprüche zur Insolvenztabelle übrig.

Doch seit der heftig kritisierten Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 9. Dezember 2010 (Az.: V R 22/10) haben die Geschäftspartner gefährdeter Unternehmen erneut das Nachsehen. Sie stellt sicher, dass – sofern die Masse ausreicht – Insolvenzverwalter selbst bei der Sollbesteuerung nach vereinbarten Entgelten die komplette Umsatzsteuer aus nachträglich beim Insolvenzschuldner eingegangenen Zahlungen an das Finanzamt abführen müssen. Auch wenn die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen lange vor der Verfahrenseröffnung erbracht wurden.

Das bedeutet aber nicht, dass jede Steuerforderung als Masseverbindlichkeit wieder auflebt. So entschied das Finanzgericht Münster am 12. März 2019. Da anderenfalls die noch vorhandene Insolvenzmasse zulasten aller Gläubiger aufgezehrt würde, darf das Finanzamt die im vorläufigen Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung entstandenen Umsatzsteuerbeträge gegenüber dem späteren Insolvenzverwalter nicht als Masseverbindlichkeiten festsetzen. Denn nach Auffassung der Finanzrichter kann nicht davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung ausschließlich Masseverbindlichkeiten begründet werden.

Unser Steuer-Experte:

Bernhard Lindgens ist in der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung im Bundeszentralamt für Steuern in Bonn tätig. Zuvor war er im Bundesministerium der Finanzen für verschiedene Projekte in der Steuerfahndung und Betrugsbekämpfung sowie für den Datenzugriff der Finanzbehörden zuständig.

Steuer zurück erhalten – so geht´s

Unabhängig von der Frage, ob Steuerforderungen des Finanzamts Masseverbindlichkeiten darstellen, dürften Gläubiger daran interessiert sein, bereits gezahlte Umsatzsteuerbeträge für Lieferungen und Leistungen an insolvente Unternehmen vom Fiskus zurückzuerhalten. Grundsätzlich erlaubt das Umsatzsteuergesetz dem leistenden Unternehmer erst dann eine Korrektur der von ihm in Rechnung gestellten Steuerbeträge, wenn das vereinbarte Entgelt für seine Leistung uneinbringlich geworden ist.

Dies setzt nach Auffassung der Finanzbehörden und -rechtsprechung voraus, dass der Geschäftspartner das Bestehen der Forderung ganz oder teilweise substantiiert bestreitet und der leistende Unternehmer seine Ansprüche deshalb auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann. Bei einer Insolvenz gelten folgende Regeln:

  • Entgeltforderungen an den Gemeinschuldner gelten spätestens im Augenblick der Insolvenzeröffnung in voller Höhe als uneinbringlich. Eine möglicherweise realisierbare Insolvenzquote spielt dabei keine Rolle. Infolgedessen fordert das Umsatzsteuergesetz bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowohl eine Korrektur des geschuldeten Umsatzsteuerbetrags als auch des in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs.
  • Vor einer Insolvenzeröffnung tritt die Uneinbringlichkeit der Entgelte bereits mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ein, dem vom Insolvenzgericht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übertragen wurde. Gleiches gilt neuerdings bei Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters.
  • Kann ein zunächst uneinbringlich gewordenes Entgelt vom Insolvenzverwalter später wider Erwarten doch noch vereinnahmt werden, sind Umsatzsteuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen. Gleiches gilt im umgekehrten Fall für Forderungen aus Leistungen der Gläubiger an das bedrohte Unternehmen: Hier wird die zweite Berichtigung ausgelöst, wenn der Insolvenzverwalter zunächst uneinbringlich gewordene Forderungen doch noch zumindest teilweise erfüllt.

Rechtsgrundlagen

  • Az.: V R 22/10: Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9. Dezember 2010 zur Masseverbindlichkeit bei Entgeltvereinnahmung durch Insolvenzverwalter
  • Az.: 15 K 1535/18 U: Entscheidung des Finanzgerichts Münster vom 12. März 2019 zur Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit im vorläufigen Insolvenzverfahren
  • Az.: III C 2 – S 7330/09/10001: 002: Anwendungsschreiben des BMF vom 18. Mai 2016 zur Berichtigung der Bemessungsgrundlage im vorläufigen Insolvenzverfahren


Pressekontakt Regional

Marketing

Tel.: +49 89 189293-663
marketing@muenchen.creditreform.de

Pressekontakt

Patrik-Ludwig Hantzsch
Pressesprecher
Leiter Wirtschaftsforschung

Tel.: +49 (0) 21 31 / 109-172
p.hantzsch@verband.creditreform.de
Twitter: @PtrkLdwg