Überschuldung – Ghettos sind zu verhindern
Von einem Deutschland der Regionen ist viel die Rede. Darum ist es sinnvoll, die Unterschiede kultureller und wirtschaftlicher Entwicklung in den verschiedenen Landesteilen zu betrachten. Unterschiede, wie sie sehr handfest etwa bei den Preisen für Immobilien, der Beschäftigungslage oder dem komfortablen Zugriff auf das Internet deutlich werden. Seit 15 Jahren analysiert Creditreform die Situation überschuldeter Verbraucher und veröffentlicht die Ergebnisse im „SchuldnerAtlas Deutschland“ – nicht nur im Hinblick auf einzelne Regionen, sondern auch im Zusammenhang mit dem Alter, dem Geschlecht und weiterer ausgewählter Parameter.
Der Osten entwickelt sich gut
Der aktuelle SchuldnerAtlas weist 6,9 Millionen überschuldete Bürger aus. Eine Zahl, die sich gegenüber dem Vorjahr nur unwesentlich verändert hat. Die Überschuldungsquote, welche die Zahl der Überschuldeten ins Verhältnis zur gesamten Einwohnerzahl (ab 18 Jahre) setzt, hat sich ein wenig verbessert: Durch Zuwanderung ist die Einwohnerzahl in Deutschland insgesamt gestiegen. Eine weitere Differenzierung innerhalb der Gesamtzahl von überschuldeten Verbrauchern wird durch die Betrachtung von Ost- und Westdeutschland vorgenommen. Aktuell ist die Zahl der Überschuldungsfälle in Westdeutschland leicht gestiegen, in Ostdeutschland ist sie zum wiederholten Mal zurückgegangen. Während im Westen der Republik gegenüber dem Vorjahr rund 1.000 Überschuldete hinzugekommen sind, sind es im Osten 11.000 Bürger weniger. Dabei spielt in Ostdeutschland eine größere Kaufzurückhaltung ebenso eine Rolle wie die geringere Armutsgefährdung älterer Menschen durch die vergleichsweise höheren Renten ostdeutscher Ehepaare. Überhaupt bleibt festzuhalten, dass der starke Bevölkerungsrückgang im Osten, bedingt durch Landflucht und Demographie, maßgeblich zum vergleichsweise hohen Stand der Überschuldungsquoten beigetragen hat – also nicht der faktische Anstieg der tatsächlichen Überschuldungszahlen.
Die geografische Verteilung der Überschuldungsentwicklung hat sich in den letzten Jahren in Deutschland wenig verändert. So bleibt es dabei, dass der Süden Deutschlands – und dabei der Südosten noch vor dem Südwesten – im Überschuldungsranking vor dem Norden und Osten liegt. Bereits seit 2008 steht der Westen Deutschlands an letzter Stelle – auch 2019 wurde der höchste Anstieg von Überschuldungsfällen und der entsprechenden Überschuldungsquoten im Westen gemessen. Dabei spielt das Ruhrgebiet mit seinen altindustriell geprägten Strukturen eine besondere Rolle. Die hohe Arbeitslosigkeit und die Einkommensarmut im Zeichen des Strukturwandels führen dazu, dass sich das Ruhrgebiet zu einem Problem für die Überschuldungsentwicklung in Deutschland entwickelt hat.
Die Reihenfolge der Bundesländer bei der Überschuldung hat sich gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Nach wie vor liegen die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen mit ihren guten Überschuldungsquoten an der Spitze des Rankings. Schlusslichter bleiben die Länder Bremen, Sachsen-Anhalt und Berlin – dabei hat sich Bremen noch weiter verschlechtert
Solides Bayern
Ein Zoom auf die Kreise und die Städte Deutschlands mit der höchsten bzw. niedrigsten Überschuldungsquote zeigt ebenfalls, wie stabil Überschuldung regional bleibt. Die Kreise mit den niedrigsten Überschuldungsquoten liegen nach wie vor vorwiegend in Bayern. Das reicht von Eichstätt über Schweinfurt und Würzburg bis ins Donau-Ries-Gebiet. Dagegen liegen die zehn Städte mit den höchsten Überschuldungsquoten im Norden und Westen der Republik. Allen voran Bremerhaven mit einer Quote von 21,67 Prozent. Es folgen Neumünster, Pirmasens, Herne, Wuppertal und Gelsenkirchen. Alle mit einer Überschuldungsquote ihrer Einwohner von ebenfalls fast 20 Prozent. Entsprechend zu den angeführten Unterschieden zwischen Ost-und Westdeutschland können ostdeutsche Städte punkten, wenn es um den Rückgang der Überschuldungsquote geht. Unter den zehn Kreisen und kreisfreien Städten mit den größten Rückgängen bei der Schuldnerquote im längerfristigen Jahresvergleich (2004/2019) befinden sich acht Kreise und Städte im Osten Deutschlands (u. a. Erfurt, Frankfurt/Oder, Weimar und Weimarer Land) und nur zwei im Westen (Landau und Speyer).
Die sehr unterschiedliche regionale Entwicklung zeigt, dass die Hilfen für überschuldete Verbraucher nicht mit der Gießkanne auszuschütten sind, sondern verstärkt regionale Schwerpunkte bearbeiten sollten. Unbestritten ist, dass die Politik in Deutschland vergleichbare Lebensverhältnisse für alle Regionen herzustellen hat. Gerade die Verfestigung der Überschuldung in manchen Teilen des Landes lässt aber fürchten, dass ganze Regionen abgehängt werden und sich entsprechende Ghettos bilden, die eine Abwärtsspirale in Gang setzen.
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