Wege zu Mitteln
Die Liquidität sichern, Engpässe überwinden, den Betrieb erhalten: Neben den Soforthilfen haben Unternehmen auch interne Optionen, um zahlungsfähig zu bleiben. Wie sie aus dem aktuellen Desaster wieder herauskommen.
Auch Rudolf Runge musste zusperren. Fast alle Auftraggeber der Firma Runge TV GmbH in Köln stornierten im März laufende Projekte. „Wir produzieren beispielsweise die Sendung ‚Das perfekte Dinner‘ auf Vox und stellen das Personal für die Dreharbeiten. Als die Corona-Krise massiv losging, wollten viele Protagonisten nicht mehr mitmachen – aus Angst, sich anzustecken“, sagt Runge. Auch seine Mitarbeiter mussten zu Hause bleiben. „Wir beantragten als Erstes Kurzarbeitergeld. Das reichte aber nicht aus, um die laufenden Kosten zu decken“, sagt der Unternehmer. Er kontaktierte die Hausbank und fragte nach KfW-Krediten, gleich nachdem die Regierung die Hilfen beschlossen hatte. „Da wir seit Jahrzehnten am Markt sind und eine gute Bonität haben, können wir eine Neukreditaufnahme stemmen“, sagt Runge. Rund 200.000 Euro will er einsammeln, „um sich mittelfristig Luft zu verschaffen und die Liquidität zu sichern.“
„Niemand weiß, wie lange die Krise dauert. Wir verschieben mit der Fremdkapitalfinanzierung die Probleme in die Zukunft.“
Rudolf Runge, Runge TV
Der Unternehmer ist dennoch beunruhigt: „Niemand weiß momentan, wie sich die Geschäfte entwickeln und wie lange die Krise dauert. Wir verschieben mit der Fremdkapitalfinanzierung letztendlich die Probleme in die Zukunft.“ Zins und Tilgung müssen später erwirtschaftet werden, selbst wenn die Bundesregierung momentan fast zum Nulltarif mitfinanziert. „Der Umsatz, den wir erzielt hätten, ist leider verloren“, kommentiert Runge.
Kurzarbeitergeld, Sofortprogramme, Stundungen: Unternehmen wird vonseiten des Staates momentan umfangreich geholfen. Doch parallel dazu sollten Firmen diverse interne Werkzeuge zur Liquiditätssicherung nutzen, die sonst in der frühen Phase einer Restrukturierung auf den Tisch kommen. Pauschal gesagt geht es darum, die Zahlungseingänge zu beschleunigen, die Verbindlichkeiten zu reduzieren und die laufenden Kosten zu senken. „Die Hilfen des Bundes und der Länder können dann zusätzlich zur Zwischenfinanzierung in Anspruch genommen werden“, sagt Volker Riedel, Unternehmensberater und Partner der Gesellschaft Dr. Wieselhuber & Partner in München. Im Prinzip komme es auf einen Mix diverser ex- und interner Maßnahmen an, um sich die notwendige Luft in der Krise zu verschaffen.
„In dieser Krise braucht es einen Mix an ex- und internen Maßnahmen.“
Volker Riedel, Dr. Wieselhuber & Partner
1. Fördergelder
Bund und Länder haben jeweils Sofortprogramme bewilligt, die von der Krise betroffene Unternehmer in Anspruch nehmen können (www.foerderdatenbank.de; www.kfw.de). Geld ist ausreichend vorhanden. Die Anträge sollen schnell bewilligt werden (siehe auch Kasten „Sonderprogramme“). Doch die Hürden können mitunter so hoch sein, dass der Rettungsschirm sich nicht öffnet. Viele Hausbanken bestehen trotz 90-prozentiger Haftungsfreistellung durch die KfW auf persönlichen Bürgschaften sowie auf privaten Sicherheiten. Auch aufgrund von Vorgaben der Bankenaufsicht müssen sie ihre Kreditprüfungsprozeduren einhalten. Wenn Firmen aber vor der Krise investiert und sich verschuldet haben, sind ihnen die Hände gebunden. „Die Unternehmer haben keine Spielräume mehr“, beobachtet Markus Kraemer, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft TMS in Köln. Deshalb gibt er den Rat, solche Forderungen nicht klaglos zu akzeptieren und mit der Bank zu verhandeln – am besten telefonisch. Gerade in dieser Krise dürfen Unternehmer mit einer bisher guten Bonität Entgegenkommen erwarten.
Die Sparkasse Köln-Bonn beispielsweise verzichtet im Zuge der Soforthilfeprogramme bei Familienunternehmen und bei Kapitalgesellschaften auf private Sicherheiten. „Wir haben das aus unseren Formularen herausgenommen und weichen vom Standard ab“, sagt Norbert Minwegen von der Sparkasse Köln-Bonn. Das Institut hat schon mehrere Tage vor dem Start der staatlichen Förderungen Zinsstundungen und Tilgungsaussetzungen angeboten. Bereits am ersten Tag registrierten sich 2.000 Unternehmer für die Soforthilfe.
Doch auch die Bundesregierung hat in einem zweiten Schritt Anfang April bereits nachgebessert und den KfW-Schnellkredit vorgestellt, bei dem die KfW 100 Prozent des Kreditrisikos trägt – abgesichert durch eine Garantie des Bundes. „Durch die 100-prozentige Haftungsfreistellung und den Verzicht auf eine übliche Risikoprüfung wird sichergestellt, dass diejenigen Unternehmen, die nur durch die Corona-Pandemie in Schwierigkeiten geraten sind, rasch einen Kredit bekommen“, sagte Günther Bräunig, Vorstandsvorsitzender der KfW bei der Vorstellung.
Voraussetzung für eine Kreditbewilligung aber ist und bleibt eine ausreichende Bonität. Nur Firmen, die nachweisen können, dass sie bis zum 31. Dezember 2019 wirtschaftlich gesund waren, erhalten Geld von der KfW. Das ist gewollt. Betriebe, die sich strukturell neu aufstellen müssen, sollen nicht künstlich erhalten bleiben. „Allerdings gibt es auch Existenzgründer, die nach einem anstrengenden Start und den damit oft verbundenen Schwierigkeiten eigentlich auf einem guten Weg sind – und jetzt das notwendige Kapital nicht bekommen“, sagt Oliver Hubl, Steuerberater mit Kanzlei in Alfter bei Bonn. Unbürokratische Hilfe beim Bonitätsnachweis erhalten Unternehmen von Creditreform. „Wir bieten kostenlos eine spezielle Auskunft an, mit der Unternehmen ihrem Kreditinstitut schnell und unkompliziert darlegen können, dass sie bis zum Stichtag 31. Dezember kreditwürdig waren“, sagt Volker Ulbricht, Hauptgeschäftsführer von Creditreform. Den sogenannten Bonitätsnachweis 2019 für ihre Kreditantragsunterlagen können Unternehmen online auf creditreform.de bestellen.
2. Liquiditätsplanung
Erste Maßnahme, um die Liquidität zu verbessern, ist eine begründete Planung. Diese zählt für die Banken ohnehin zum Standard bei Kreditanträgen. Unternehmer verschaffen sich einen vorausschauenden Blick auf ihre eigene Situation. Auf dieser Basis leiten sie dann gezielt weitere Maßnahmen zur Liquiditätssicherung ein. Momentan stehen viele Unternehmer in Verhandlungen mit ihren Vertragspartnern. Kunden sollten bereit sein, ihre Rechnungen zeitnah zu begleichen. Lieferanten verlängern im Gegenzug, falls möglich, ihre Zahlungsziele. Mitarbeiter verzichten beispielsweise auf Boni oder Urlaubsgeld, bis sich die Situation bessert. Vermieter stunden oder mindern die monatlichen Zahlungen (siehe auch Seite 42/43).
Der Kölner TV-Produzent Rudolf Runge etwa konnte mit seinem Hausherren verabreden, die monatlichen Überweisungen auszusetzen, bis die härteste Phase vorbei ist. „Er zeigte sich in dem Gespräch sehr entgegenkommend und lenkte ein“, sagt Runge. Vielleicht auch mit Blick darauf, dass er den Unternehmer nicht vergrätzen und ihn langfristig als zuverlässigen Mieter behalten will.
Prozesse optimieren, Kosten reduzieren
Unternehmensberater Volker Riedel nennt wichtige Stellschrauben, die der internen Sicherung der finanziellen Mittel dienen. Auch daran sollten Unternehmer denken.
Leasingverträge auf Sicht fahren
Unternehmer können auslaufende Leasingverträge in flexible Mietverträge transferieren. Sobald sich die Lage klärt, entscheiden sie über die weitere Verwendung und über die jeweils passende Finanzierung.
Ausgaben reduzieren
Weniger Umsatz bedeutet weniger Einkauf. Allerdings dürfen die Vorräte nur insofern reduziert werden, als sie bei Bedarf kurzfristig wieder hochgefahren werden können. Die Lieferzeiten sind entsprechend zu berücksichtigen.
Grenze ziehen
Selbst wenn Unternehmer von den Ausgangsbeschränkungen nicht direkt betroffen sind, sollten sie ihren Break-Even-Punkt kennen – jenen Moment, in dem es besser sein wird, die Firma komplett für die nächsten Wochen oder Monate dichtzumachen, als auf Sparflamme das Geschäft laufen zu lassen. Ist dieser in puncto Umsatz erreicht, steht der Betrieb besser still.
Durchdacht verkleinern
Für die zentralen Prozesse und Arbeitsabläufe gilt es, die Ertrags- und Verlustquellen zu selektieren. Ziel ist es, Chancen optimal zu nutzen, um Skalierungseffekte und Effizienzpotenziale zu realisieren, wenn sich das Umsatzniveau weiter auf niedrigem Niveau entwickeln sollte.
Sonderprogramme - Was bietet die KfW?
KfW-Schnellkredit: 100 Prozent Haftungsfreistellung, keine Kreditrisikoprüfung, höherer Zins:
Zielgruppe: Unternehmen mit mehr als 10 und weniger als 250 Mitarbeitern, die mindestens seit dem 1. Januar 2019 am Markt aktiv sind.
Darlehenshöhe: bis zu 3 Monatsumsätze des Jahres 2019, maximal 800.000 Euro für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern, maximal 500.000 Euro für Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten.
Zinsen: 3 Prozent bei 10 Jahren Laufzeit.
Haftungsfreistellung: 100 Prozent, abgesichert durch eine Garantie des Bundes.
Prüfung: schnelle Bewilligung ohne weitere Kreditrisikoprüfung durch die Bank oder die KfW.
KfW-Unternehmerkredit und ERP-Gründerkredit-Universell: 90 Prozent Haftungsfreistellung, vereinfachte Kreditrisikoprüfung, niedriger Zins:
Zielgruppe: KfW-Unternehmerkredit für Unternehmen, die mindestens fünf Jahre am Markt sind, ERP-Gründerkredit für Unternehmen, die mindestens drei aber weniger als fünf Jahre am Markt sind.
Darlehenshöhe: bis 1 Milliarde Euro, begrenzt auf bis zu 25 Prozent des Jahresumsatzes 2019, die doppelten Lohnkosten von 2019 oder den aktuellen Finanzierungsbedarf für die nächsten 18 Monate (12 Monate bei großen Unternehmen).
Zinsen: abhängig von Bonität und Laufzeit 1 bis 1,46 Prozent (bis zu 2,12 Prozent für große Unternehmen)
Haftungsfreistellung: 90 Prozent für Betriebsmittel (80 Prozent bei großen Unternehmen). Zum Vergleich: Bisher lag die Haftungsfreistellung bei 50 Prozent.
Prüfung: Bei Kreditanträgen bis 3 Millionen Euro ohne eigene Kreditprüfung, bei Anträgen bis 10 Millionen Euro mit vereinfachter und beschleunigter Kreditprüfung durch die KfW.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Eva Neuthinger
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