Weniger Insolvenzanträge - auch im Januar
So stand es einmal im Gesetz: Wenn ein Unternehmen nicht mehr zahlungsfähig oder überschuldet war, so „ist der Geschäftsführer gemäß Paragraph 15a Insolvenzordnung verpflichtet, innerhalb von drei Wochen den Antrag auf Insolvenz beim zuständigen Amtsgericht einzureichen“.
Doch dann kam zu Beginn 2020 die Corona-Pandemie und mit ihr ab Mitte März der erste Lockdown. Der Gesetzgeber geriet in ein Dilemma. Einerseits waren alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um der Pandemie Herr zu werden und die Gesundheitsgefährdung der Bürger zu vermeiden, andererseits war zu verhindern, dass eben diese Maßnahmen dazu führten, dass die Wirtschaft vollständig zum Erliegen kam. Die Wirtschaft zu stützen, die vor allem in bestimmten Handels- und Dienstleistungsbereichen vor einem bisher nicht gesehenen Einbruch stand, war dringend nötig. In der Krise waren nicht nur Menschenleben zu retten, sondern es galt auch, das Überleben von betroffenen Betrieben sicherzustellen.
Nur keine Insolvenz
Um einer Insolvenzwelle vorzubeugen, wurde eine Reihe von Hilfsmaßnahmen auf den Weg gebracht. Aktiv stellt die Bundesregierung Mittel zur Verfügung, um die Liquiditätsausstattung der Betriebe in der Krise zu verbessern. Auch die Erleichterung des Zugangs zu Kurzarbeitergeld soll helfen, im Zeichen des Lockdowns zu überleben. Diese Hilfen aber machen nur Sinn, wenn sie Unternehmen erreichen, die auch die Chance auf ein Überleben haben – sonst würden die Gelder in einem Fass ohne Boden verschwinden. Der Ausweg war eine Änderung der Insolvenzordnung, die mehrfach verlängert wurde und nun zunächst bis Ende Januar 2021 gilt. Im März 2020 wurde bekanntgegeben, dass rückwirkend ab 1. März Insolvenzanträge gegenüber Unternehmen, die zahlungsunfähig oder überschuldet geworden sind, weil die Corona-Krise sie in ihrer Geschäftstätigkeit massiv behinderte, ausgesetzt werden.
Das Insolvenzmoratorium bezieht sich nun wieder auf beide Insolvenzgründe: Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit. Die Antragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit war im Oktober wieder eingesetzt worden. Dieser Grund umfasst rund 95 Prozent aller Fälle. Überschuldung bedeutet, dass die Summe der Verbindlichkeiten, die auf der Habenseite eingetragenen Mittel übersteigt. Dabei kann das Unternehmen durchaus offene Verbindlichkeiten noch begleichen. Bei dieser Regelung hat der Gesetzgeber im Auge, dass das betroffene Unternehmen eine gewisse Überlebenschance hat. Bei Zahlungsunfähigkeit ist diese Überlebenschance deutlich geringer als bei Überschuldung. Tatsächlich agieren viele überschuldete Unternehmen schon in „normalen Zeiten“ weiter. Erst wenn Rechnungen nicht mehr bezahlt werden, ist der Weg zum Insolvenzrichter unausweichlich, weil zahlungsunfähige Unternehmen eine akute Gefährdung ihrer Geschäftspartner darstellen.
Anfechtung wird schwierig sein
Die Aussetzung der Pflicht zum Insolvenzantrag hat weitere Folgen, die im konkreten Fall wichtig werden können. So würden Geschäftsführer oder Vorstände belangt werden, wenn sie weitere Zahlungen leisten, obwohl sie wissen, dass ihr Betrieb vor der Insolvenz steht. Diese Haftung ist nunmehr ausgesetzt. Eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Insolvenz spielten auch Anfechtungsrechte. Es ging darum, zu verhindern, dass manche Gläubiger noch Geld erhalten haben, etwa durch die Rückzahlung von Krediten, womit sie gegenüber anderen Vorteile hätten. Unter anderen Umständen war die Gewährung von Krediten, Zahlungserleichterungen oder der Erhalt von Sicherheiten in der Krise geradezu ein Beitrag zur Insolvenzverschleppung. Auch wenn es im Einzelfall manchmal schwierig war, die böse Absicht und die Kenntnis der Schieflage nachzuweisen, so war doch für alle Beteiligten Vorsicht geboten, die immer noch leisteten, obwohl sie von den finanziellen Problemen ihres „Geschäftspartners“ wussten. Nun hat sich die Situation verändert – der Gesetzgeber will gerade erreichen, dass in der Krise weiter Kredite zur Verfügung gestellt werden und Lieferantenbeziehungen erhalten bleiben.
Krise muss Grund für finanzielle Schwierigkeiten sein
Wichtig ist angesichts dieser Aussetzungen zur Antragspflicht, dass es sich um ein Unternehmen handelt, dass tatsächlich durch die Pandemie und die gegen sie gerichteten Maßnahmen in die Insolvenznähe gerückt wurde. Der Betrieb muss vor diesen Maßnahmen noch zahlungsfähig gewesen sein und es gilt, eine Prognose darüber abzugeben, ob nach dem Ende der Maßnahmen tatsächlich wieder ein normaler Geschäftsbetrieb aufgenommen werden kann.
Die Aussetzung der Pflicht zum Insolvenzantrag ist zeitlich begrenzt – ob diese Begrenzung nach dem Ende des Januars tatsächlich aufgehoben wird, muss angesichts der vielen Verlängerungen bisher und dem Andauern der Pandemie bezweifelt werden. Die Pandemie hat vieles verändert – und das nicht nur in der akuten Krise, sondern wohl auch für die Zeiten danach. Nach Aussagen von Bundesjustizministerin Lambrecht geht es nun darum, das Insolvenzrecht grundsätzlich zu verändern. Diese Reform setzt verstärkt auf die Sanierung. Ein schlüssiges Sanierungskonzept und die Zustimmung des größten Teils der Gläubiger würde ebenfalls verhindern, dass zukunftsfähige Unternehmen in die Insolvenz geraten. Diese Sanierung würde ggf. schon vor der Insolvenz möglich sein. Tatsächlich zeigen die guten Erfolge beim Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung, dass die Sanierung ein Königsweg zum Erhalt von Unternehmen und damit von Arbeitsplätzen darstellt.
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