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Werte stürzen ab

Nach der akuten Corona-Krise sah es zunächst so aus, als würde Deutschlands Wirtschaft wieder auf Wachstumspfade zurückkehren. Im Frühjahr 2022 hatte die Creditreform Wirtschaftsforschung Deutschlands Mittelständler zur aktuellen Lage und zur weiteren Entwicklung befragt.

Im April war noch die Rede davon, dass sich nach dem Corona-Tal die Aufträge und die Umsätze wieder verbessert hatten. Der Creditreform Geschäftsklimaindex lag mit 15 Punkten deutlich über dem Vorjahresergebnis von 1,8 Punkten. Überschattet von den Ereignissen in der Ukraine waren allerdings die Erwartungen. Gegenüber dem Vorjahr, das ganz im Zeichen von Corona stand, waren etwa die zukünftigen Umsätze nur wenig besser eingeschätzt worden. Mit einer „verhalten positiven Haltung“ wurde noch der Ausblick für den Mittelstand gegen Ende April beschrieben.

Schlechte Nachrichten aus München

Die jüngste Umfrage des ifo Instituts zum Geschäftsklima zeigt nun ein deutlich schlechteres Ergebnis. Das Münchner Institut spricht davon, dass sich „die Stimmung in der deutschen Wirtschaft deutlich abgekühlt hat“. Lag der Klimaindex im Juli 2021 noch bei 100,6 Punkten, so findet er sich aktuell 2022 bei 88,6 Zählern. Wie sich schon bei der Creditreform Umfrage wenige Monate zuvor zeigte, ist es vor allem der düstere Ausblick, der den Gesamtindex nach unten zieht. Die Erwartungen der befragten Unternehmen haben binnen Jahresfrist von 100,9 auf 80,3 Punkte abgenommen. Dagegen zeigen sich die Bewertungen der aktuellen Geschäftslage mit einem Rückgang von 100,4 auf 97,7 noch vergleichsweise moderat. Gradmesser für die Zukunftserwartungen, für Optimismus oder Pessimismus im Hinblick auf die weiteren wirtschaftlichen Entwicklungen ist die Investitionsbereitschaft. Dabei wurden in der Umfrage der Creditreform Wirtschaftsforschung bei den Gründen für das Ausbleiben von Investitionsvorhaben bereits an erster Stelle von 44,5 Prozent der Befragten die unsicheren wirtschaftlichen Aussichten genannt.

Ohne Ausnahme alle Sektoren

Die Abkühlung des ifo-Geschäftsklimaindex betrifft alle Wirtschaftsbereiche gleichermaßen. Selbst der Bausektor, der noch jüngst Erholungstendenzen aufwies, zeigt nun deutlich schlechtere Werte. Insgesamt haben die Salden-Werte für Deutschland, die beim Ausblick die günstigeren mit den ungünstigeren Perspektiven verrechnen, einen Wert von minus 6,4 Punkten erreicht. Vor einem Jahr waren es noch plus 16,9 Zähler. Das Verarbeitende Gewerbe stellte sich im Juli 2021 mit einem positiven Wert von 27,9 beim Geschäftsklimaindex an die Spitze der Wirtschaftsbereiche. Nun sind Industrie und Handwerk bei einem Wert von minus 7,1 Punkten angekommen. Als einziger Branchenbereich, der noch einen positiven Indexwert zeigt, fungiert der Dienstleistungssektor mit dürftigen 0,9 Punkten. Auch in der Mittelstands-Umfrage von Creditreform waren die Dienstleister im Hinblick auf die Umsatzerwartungen am positivsten gestimmt. Zu rund 38 Prozent erwarteten sie für die nächsten sechs Monate bis zum Herbst des laufenden Jahres eine Umsatzsteigerung. Jetzt sprich das Forschungsinstitut in München davon, dass die Erwartungen im Dienstleistungsbereich „eingebrochen“ seien. Dabei waren zuletzt noch die Zahlen aus den Bereichen „Tourismus“ und „Gastgewerbe“ positiv gewesen.

Den schlechtesten Stimmungswert liefert der Handel. Das ifo Institut spricht davon, dass keine Einzelhändlersparte mehr optimistisch in die Zukunft schaue. Dabei hatte gerade dieser Wirtschaftsbereich große Hoffnungen auf das Auslaufen der Corona-Einschränkungen gesetzt. Da war die Rede von Ersparnissen der Konsumenten, die nun nach dem Ende des Lockdowns wieder für den Verbrauch frei würden. Der Handel liegt beim Geschäftsklima bei minus 21,6 im Saldo – das ist der schlechteste Wert aller Wirtschaftsbereiche.

Der Boom am Bau scheint nun auch zu Ende zu gehen. War es noch im Juni 2022 zu einer kurzzeitigen Erholung gekommen, so liegen nun die Angaben zur aktuellen Lage auf dem niedrigsten Stand des ifo Geschäftsklimaindex seit April 2016. Der Bau befindet sich tief im Minus bei 17,0 Zählern.

Große Fragezeichen

Das ifo Institut liefert einen weiteren interessanten Wert im Hinblick auf die Konjunkturlage, vor allem aber auf die Erwartungen. Es befragt die Unternehmen auch danach, wie schwer es ihnen fällt, die weitere wirtschaftliche Entwicklung zu beurteilen. Die Antworten können von leicht bis schwer reichen, dabei bedeutet ein Wert von 0, dass man sich sehr sicher bei der Beurteilung der weiteren Entwicklung sei und am anderen Ende der Skala ein Wert von 100, der als höchste Unsicherheit des Führungspersonals bei der weiteren Entwicklung zu sehen ist. Aktuell liegt die Punktzahl im Hinblick auf die Geschäftsunsicherheit in Deutschland bei einem Wert von fast 70 Punkten. In den letzten Jahren wies nur der Jahresbeginn 2020 mit dem Einsetzen der Corona-Pandemie einen höheren Unsicherheitsfaktor auf.

Unsicherheit ist ein entscheidender Begriff beim Blick auf die aktuelle konjunkturelle Situation in Deutschland. Die Bundesbank hat ihren jüngsten Bericht zu den Perspektiven der deutschen Wirtschaft für die Jahre 2022 bis 2024 mit einer Risikobeurteilung beendet, die mit dem Satz beginnt: „Die hier beschriebenen makroökonomischen Projektionen unterliegen im gegenwärtigen Umfeld einer außergewöhnlich hohen Unsicherheit“. Das Bermudadreieck der größten Unwägbarkeiten ist bestimmt vom weiteren Verlauf des Krieges in der Ukraine, der Pandemie und nicht zuletzt von den Auswirkungen der massiven Teuerung – auch im Zeichen der Energiekrise. Dabei beschreibt die Bank das Wirtschaftswachstum als in der Summe abwärtsgerichtet und für die Inflationsrate im weiteren Verlauf aufwärtsgerichtet. An der Wahrheit dieses Szenarios bestehen wohl keine Zweifel. Unsicher ist nur, wie stark die Ausschläge sein werden und wie groß die Krise wird.

Quellen: Creditreform, Deutsche Bundesbank, ifo Institut



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