„Wir brauchen mehr Transparenz“
Auch in Corona-Zeiten verfolgt die Bundesregierung ihre politische Agenda – und treibt unter anderem die Reform des Inkassorechts voran. Wo sie steht, kommentiert Dr. Jan-Marco Luczak, verbraucher- und rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Herr Dr. Luczak, welche Themen beschäftigen Sie als verbraucher- und rechtspolitischen Sprecher der Union derzeit am meisten?
Jan-Marco Luczak: Die vergangenen Wochen standen sehr im Zeichen der Bewältigung der COVID-19-Pandemie. Wir haben uns als Union innerhalb der Bundesregierung für eine rasche Hilfe und die rechtliche Absicherung von Menschen und Unternehmen eingesetzt. Das Ergebnis ist das größte Hilfspaket seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Pakets ist das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“, mit dem wir für Verbraucher und Unternehmen eine Vielzahl von Erleichterungen geschaffen haben.
Und was bedeutet die Situation für rechtspolitische Ziele, die schon vor der Corona-Krise auf der Agenda standen?
Für alle Ziele, die ich noch habe, reicht diese Legislaturperiode nicht mehr aus. Wir haben ein volles Programm vor uns: Ich denke da zum Beispiel an das Verbandssanktionenrecht. Während der aktuelle Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums im Wesentlichen auf Sanktionen für Unternehmen setzt, setzen wir als Union vor allem auf Anreize für Unternehmen, sich compliant zu verhalten. Wir wollen etwa die Kooperation mit Ermittlungsbehörden honorieren. Das ist bislang nur unzureichend abgebildet.
Wo stehen Sie bei der Regulierung des Inkassos, bei der es im Kern darum geht, die Kosten zu senken, die Schuldner für Rechtsdienstleister der Gläubiger tragen. Nur: Bekommen diese trotz geringerer Vergütungen die gleichen Leistungen wie bisher?
Eines ist ganz klar: Unternehmen dürfen mit ihren Forderungen und Außenständen nicht alleingelassen werden. Wir als Union setzen bei der Reform des Inkassorechts vor allem auf mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit. In der Vergangenheit kam es insbesondere bei kleineren Forderungsbeträgen immer wieder zu sehr hohen Inkassogebühren im Verhältnis zur beizutreibenden Forderung. Das hat nicht nur Verbraucher vor zusätzliche Zahlungsschwierigkeiten gestellt, sondern auch aufgrund des empfundenen Missverhältnisses zu großer Verärgerung geführt. Deswegen wollen wir zukünftig die Inkassogebühren in ein angemessenes Verhältnis zu den Forderungshöhen setzen. Wir sprechen uns dafür aus, eine neue Stufe für Kleinstforderungen von bis zu 50 Euro im Vergütungsverzeichnis einzuführen. Damit wollen wir dafür sorgen, dass gerade bei kleinen Forderungen kein Missverhältnis mehr zu verhältnismäßig hohen Inkassogebühren besteht. Eine klare Gebührenregelung sorgt für mehr Transparenz und damit für mehr Vertrauen bei den Schuldnern.
Unterm Strich bleibt es aber dabei: Das Gebührenniveau wird sinken und das ist vor allem eine gute Nachricht für Schuldner. Fürchten Sie nicht, dass sich die Zahlungsmoral verschlechtert?
Die bisherige Praxis hat bei vielen Verbrauchern zu Zweifeln an der Angemessenheit der aufgerufenen Gebühren geführt. Das hat vielmehr die Zahlungsmoral und die Leistungsfähigkeit der Schuldner negativ beeinflusst. Ich bin optimistisch, dass wir mit unseren Forderungen nach transparenten Strukturen und angemessenen gesetzlichen Mahn- und Gebührenregelungen wieder neues Vertrauen aufbauen und einen positiven Effekt auf die Betreibungsquoten bewirken können.
Und wie wird sich die Reform auf das Geschehen an den ohnehin schon stark ausgelasteten Gerichten auswirken?
Wir gehen davon aus, dass Inkassounternehmen auch künftig in gleichem Maße Forderungen beitreiben werden und es zu keiner erhöhten Belastung der Gerichte kommt. Eine erhöhte Zahlungsmoral und Leistungsfähigkeit, die sich in höheren Beitreibungsquoten widerspiegelt, sollte dann auch zu einer Entlastung der Gerichte führen, insbesondere bei Verfahren, in denen es um niedrige Forderungssummen geht.
Forderungsausfälle im B2B-Bereich sind die Insolvenzursache Nummer eins. An den Verzug unternehmerischer Schuldner sind deshalb härtete Rechtsfolgen geknüpft als an den Verzug von Konsumenten, etwa ein höherer Verzugszins. Warum trifft der Entwurf keine Unterscheidung zwischen privaten und gewerblichen Schuldnern?
Das Gebührenrecht setzt an der Inkassodienstleistung und deren Aufwand an. Ihm ist eine Unterscheidung zwischen unternehmerischen Schuldnern und Schuldnern, die Verbraucher sind, fremd. Auch künftig wird sich die Gebührenhöhe am Umfang der Inkassodienstleistung orientieren – unabhängig davon, ob es sich um Unternehmer oder Verbraucher auf der Schuldnerseite handelt.
Dann profitieren B2B-Schuldner von Maßnahmen, die eigentlich auf Verbraucher gemünzt sind? Müssten angesichts der wirtschaftlichen Perspektiven nicht vielmehr die Bedingungen für einen erfolgreichen Forderungseinzug verbessert werden?
Ich bin überzeugt, dass wir mit der Reform des Inkassorechts genau dazu beitragen. Gläubigern stehen für den Forderungseinzug – auch über die Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter – schon heute viele rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung. Gleichzeitig müssen wir aber auch dafür sorgen, dass Verbraucher nicht überfordert werden oder in eine Schuldenspirale hineinkommen. Das gilt umso mehr in einer krisenhaften Zeit, in der sich für viele Menschen und Unternehmen die eigene Einnahmesituation verschlechtert. Eine (Privat-)Insolvenz sollte – nicht zuletzt auch im Interesse der Gläubiger – immer das letzte Mittel der Wahl sein. Ich bleibe dabei: Mahn- oder Inkassogebühren sollten in einem angemessenen Verhältnis zu der Forderungshöhe stehen und nachvollziehbar sein. Dafür setzen wir uns als Union ein – wissend, dass am Ende die berechtigten Interessen von Gläubiger- und Schuldnerschutz zusammengebracht werden.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Christian Raschke
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