Creditreform Magazin

Zahlungsindikator: Was Zahlen nicht verraten

Viele Unternehmen ächzen unter den Belastungen der Corona-Pandemie. Trotzdem hat sich die Zahlungsmoral im B2B-Geschäft zuletzt deutlich verbessert. Wie kann das sein?

Ein historischer Wirtschaftseinbruch, Geschäfte und Gastronomie geschlossen, Teile der Industrie arbeiten mit halber Kraft und viele Menschen sorgen sich um ihren Arbeitsplatz. Das war die Situa­tion Ende 2020. In einer solchen Gemengelage, so sollte man erwarten, gerät auch die Zahlungsmoral vieler Unternehmen ins Wanken. Aus Sorge um die eigene Liquidität oder weil die Kasse tatsächlich weitgehend leer ist, begleichen sie ihre Rechnungen zunehmend später.

Doch die aktuelle Halbjahresanalyse des Creditreform Debitorenregisters Deutschland (DRD), in das monatlich etwa 9,9 Millionen Zahlungsinformationen eingehen,  vermittelt derzeit noch ein anderes Bild. Demnach haben Schuldner ihre Verpflichtungen im zweiten Halbjahr 2020 deutlich pünktlicher beglichen als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die durchschnittliche Verzugsdauer sank auf 9,79 Tage (Vorjahr: 10,69). Weil Gläubiger von Juli bis Dezember häufig etwas großzügigere Zahlungsziele gewährten (31,98 Tage statt wie zuvor 31,38 Tage), sank die Laufzeit einer durchschnittlichen Forderung auf 41,77 Tage (zuvor 42,07). Diese Entwicklung passt nicht zum Trend, der sich zu Beginn der Corona-Pandemie abgezeichnet hatte, als Lieferanten zunehmend länger auf ihr Geld warten mussten.

Wie kann das sein?

Vorweg sei gesagt: Es gibt in der Corona-Krise Gewinner- und Verliererbranchen. Das sollte bei der Gesamtbetrachtung stets berücksichtigt werden. Doch eine Spurensuche führt zu einer Frisörmeisterin in einem kleinen Ort am Niederrhein. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 war ihr Geschäft im Sommer und Herbst wieder ordentlich ange­laufen. Existenzängste hatte sie – zumindest bis zur zweiten erzwungenen Schließung ihres ­kleinen Salons Mitte ­Dezember – nicht. „Die öffent­lichen Hilfszahlungen kamen pünktlich und wenn es wirklich einmal knapp war, konnte ich auf Ers­partes zurückgreifen“, sagt die 49-Jährige, die darum gebeten hat, ihren Namen nicht zu nennen. 

So wir ihr dürfte es vielen von der Corona-Krise gebeutelten kleinen und mittelgroßen Unternehmen in der zweiten Jahreshälfte 2020 gegangen sein. Liquidität, um Rechnungen zu begleichen war in der überwiegenden Zahl der Fälle vorhanden. „Hinzu kam, dass viele Gläubiger in der Krise Zugeständnisse gemacht haben und Zahlungsziele verlängert haben“, erklärt Janine Stappen, Abteilungsleiterin DRD beim Verband der Vereine Creditreform. So wurden Debitoren aus dem besonders stark betroffenen Einzelhandel im zweiten Halbjahr 5,52 zusätzliche Tage eingeräumt, um ihre Rechnungen zu begleichen. Auf diese Weise erhöhte sich ihr Zahlungsziel auf 38,28 Tage.


„Viele Gläubiger haben in der Krise Zugeständnisse gemacht und Zahlungsziele verlängert.“
Janine Stappen, Verband der Vereine Creditreform


Bedenklich für das Liquiditätsmanagement kleiner und mittelgroßer Unternehmen findet Stappen jedoch den Trend, dass zuletzt vorzugsweise große Unternehmen (mehr als 250 Mitarbeiter) in den Genuss großzügigerer Zahlungsziele kamen. Dagegen waren Lieferanten bei kleinen Kunden (weniger als 50 Beschäftigte) häufig weniger kulant. Aus Angst vor Zahlungsausfällen versuchten sie, ihr Risiko mit verkürzten Zahlungszielen zu reduzieren. „Diese Entwicklung kann kleine Betriebe sehr schnell in Schwierigkeiten bringen. Selbst müssen sie großen Kunden mehr Zeit für die Begleichung ihrer Rechnungen einräumen, um sie nicht zu verlieren. Auf der anderen Seite drängen ihre Lieferanten auf frühzeitigere Bezahlung.“

Aufmerksame Kreditgeber

Auf die Frage, warum Gläubiger in einer wirtschaftlichen Krisensituation schneller an ihr Geld kommen, liefert Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform, zwei weitere Erklärungen. „Im Zuge der Corona-Krise und zunehmender wirtschaftlicher Risiken sind Lieferanten und Kreditgeber in ihrem Forderungsmanagement aufmerksamer geworden“, sagt er. Sie reagierten frühzeitig auf Zahlungsverzögerungen und sorgten so für geringere Verzugszeiten. Zudem zeige der Creditreform Zahlungsindikator, dass die staatlichen Hilfsmaßnahmen zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie erfolgreich seien. „Auch die anhaltende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist in diesem Zusammenhang sehr effektiv.“ Allerdings sei zu befürchten, dass die staatliche Lenkung des Insolvenzrechts – ­etwa die zuletzt die in Teilen bis Ende April 2021 ausgesetzte Insolvenzantragspflicht – die Ausfälle lediglich verschiebe und die bisher niedrigen Insolvenz­zahlen schon bald kräftig stiegen.  

Die Zahlungserfahrungen selbst sind ein guter Frühindikator, auf schneller Informationsbasis „gute“ von „schlechten“ Kunden auf Einzelebene zu unterscheiden. Doch Auswertungen auf hohem Aggregationsgrad können nicht alle Besonderheiten widerspiegeln. „Unsere zusätzlichen Unternehmensbefragungen zeigen, dass viele Unternehmen schon im Frühjahr dazu übergegangen sind, Kunden mit schlechter Bonität nur gegen Vorkasse zu beliefern“, erklärt Stappen. Diese Vorgänge fänden jedoch keinen Niederschlag im Debitorenregister. Wer alle Einflussgrößen des DRD zu deuten weiß, wird somit zu dem Ergebnis kommen: Die Situation ist ernster, als die bloßen Zahlen vermuten lassen.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Weber



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