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Zahlungsverhalten in der Krise

Das Zahlungsverhalten ist ein wichtiger Indikator, wenn es darum geht, festzustellen, ob sich die Liquidität und letztlich die Stabilität der Unternehmen verändert hat. Die Pflicht zum Insolvenzantrag ist ausgesetzt, es bleibt schwierig zu erkennen, wie anfällig die Betriebe in Deutschland im Zeichen der Krise geworden sind.

Dabei ist die Insolvenzursache Nummer eins die Zahlungsunfähigkeit, nicht die Überschuldung der Unternehmen. Es besteht also ein direkter Zusammenhang von Krisenanzeichen beim Zahlungsverhalten und der Schieflage des betroffenen Betriebs auf dem Weg zur Insolvenz.

Creditreform erhält von den Kunden und Mitgliedern rund 3,5 Millionen Rechnungsbelege aus ihrer aktuellen Debitorenbuchhaltung. Damit können flächen-und branchendeckend seismographisch feinste Veränderungen registriert und analysiert werden. Die vorliegenden Zahlen für das erste Halbjahr 2020 zeigen, dass sich das Zahlungsverhalten verschlechtert hat. Dabei sind die „Ausschläge“ weniger stark als befürchtet, wobei allerdings zu bedenken ist, dass fast die Hälfte des beobachteten Zeitraums noch „coronafrei“ war.

Verzug nimmt zu  

Der durchschnittliche Zahlungsverzug in Deutschland hat sich in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres auf 10,82 Tage erhöht – im zweiten Halbjahr des Vorjahres betrug der Verzug im Durchschnitt noch 10,69 Tage. Betroffen von dieser Verschlechterung sind vor allem die Chemieindustrie und der Wirtschaftssektor „Grundstoffe“. Dagegen konnte sich das Gewerbe „Spedition und Lagerung“, das im Ranking der Branchen bisher eher schwach abschnitt, gut entwickeln und weist nunmehr geringere Zahlungsverzögerungen auf.

Entscheidend für die Feststellung des Verzugs ist das Zahlungsziel. Tatsächlich haben die Lieferanten und Gläubiger die Vorgabe beim Zahlungsziel verkürzt: gegenüber 32,33 Tagen im Vorjahr auf aktuell 32,06 Tage. Aus dem vorgegebenen Zahlungsziel und der Dauer des Verzugs errechnet sich die Gesamtlaufzeit einer offenen Rechnung. Die durchschnittliche Forderungslaufzeit betrug im ersten Halbjahr 2020 – auch wegen der Verkürzung bei den Zahlungszielen – 42,88 Tage. Dieser Wert lag im Vorjahreszeitraum mit 43,11 Tagen leicht darüber. Gegen diesen Trend müssen sich die Chemieindustrie und die Bereiche „Grundstoffe“ sowie „Metall/Elektro“ mit längeren Forderungslaufzeiten auseinandersetzen. Diese zentralen Bereiche des Verarbeitenden Gewerbes sind vielfältig mit Abnehmern verflochten, was insgesamt zu höheren Risiken beim Zahlungsverzug und schließlich zum Zahlungsausfall führt.

Der Zwiespalt des Lieferanten

Unternehmen als Lieferanten sind in der Krise durch Corona in einem Dilemma. Einerseits müssen sie Rücksicht nehmen auf die schwierige Situation ihrer Abnehmer, deren Umsatz von Rückgängen betroffen ist, auf der anderen Seite gilt es, bei den Außenständen konsequent zu bleiben, um die eigene Liquidität nicht zu gefährden. So haben die Unternehmen die Zahlungsziele bereits gekürzt. Dabei gilt es allerdings wichtige (große) Kunden bei der Stange zu halten. Da verwundert es nicht, dass größeren Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten längere Zahlungsziele eingeräumt wurden. Die bereits überdurchschnittlichen Zahlungsziele von 34,81 Tagen im ersten Halbjahr 2019 wurden noch einmal um fast einen Tag auf 35,75 Tage (erstes Halbjahr 2020) verlängert. Das führt zu Forderungslaufzeiten von insgesamt 45,27 Tagen beim Segment „größere Unternehmen“. Wie kritisch diese Großzügigkeit aber ist, zeigt, dass fast zwei Drittel des gesamten Forderungsbestandes auf solche Großunternehmen entfallen.

Ein Blick auf die Höhe der Rechnungen im Zusammenhang mit den Branchen macht deutlich, wie abhängig die Betriebe von der Zahlungsweise eines solchen Segments sein können. Unter Berücksichtigung der Werthaltigkeit entfallen rund ein Viertel der überfälligen Rechnungen auf die Metall- und Elektrobranche, 15 Prozent auf den Großhandel und schließlich 15 Prozent auf die unternehmensnahen Dienstleistungen. In der Frühjahrs-Befragung des deutschen Mittelstands, die Creditreform im April 2020 publiziert hat, lässt sich erkennen, dass nur rund ein Viertel der Unternehmen in Deutschland keine Zahlungsausfälle hinzunehmen hatte. Die Untersuchung der Millionen von Rechnungsbelegen durch das Debitorenregister Deutschland (DRD) berücksichtigt solche Ausfälle nicht. Sie aber stehen am Ende eines langen Zahlungsverzugs, wenn „übliche“ Forderungslaufzeiten von anderthalb Monaten noch überschritten werden.



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