Zuversicht nimmt ab
Nun ist sie da – die zweite Welle der Corona-Pandemie. Und mit ihr kommen die Maßnahmen, um die schlimmsten Auswirkungen auf die Gesundheit und das Leben der Bevölkerung in Deutschland zu verringern. Es ist der zweite Lockdown und wenn er auch als "leichter" bezeichnet wird, so sind seine Auswirkungen auf die Wirtschaft alleine schon wegen der Dauer doch gravierend. Stand heute wird der Lockdown verschärft und bis Mitte Januar fortgeführt.
Im Sommer 2020 waren die Akteure noch voller Optimismus gewesen, die Krise schien gesundheitlich und ökonomisch überstanden. Einem heftigen Einbruch stand eine schnelle Erholung gegenüber. Zum grauen November kommt nun eine triste Konjunktur – die längerfristigen ökonomischen Folgen des zweiten Lockdowns sind indes kaum abzuschätzen.
Zu Beginn des Herbstes war noch die Rede davon, dass die wirtschaftliche Erholung leicht an Fahrt verliere. Nun, am Ende des Novembers, macht der ifo-Geschäftsklimaindex das ganze Ausmaß der drohenden Misere deutlich. Das Münchner Forschungsinstitut veröffentlicht die Ergebnisse allmonatlich – sie sind der wohl aktuellste und renommierteste Gradmesser des konjunkturellen Geschehens. Er beruht auf der Befragung von 9.000 Unternehmen aller Wirtschaftsbereiche in Deutschland und fokussiert neben der aktuellen Situation auch die Erwartungen der Unternehmen. Im April 2020 hatte er mit einem Rückgang von 35 Punkten einen (vorläufigen) negativen Höhepunkt erreicht. Nachdem er im September eine Verbesserung von fast vier Punkten zeigte, gab er im November dieses Jahres wieder um 1,6 Punkte nach. Es ist weniger die Beurteilung der aktuellen Lage als die Einschätzung zur zukünftigen Entwicklung, die den Klimaindex zum zweiten Mal hintereinander sinken lassen. Anzumerken ist, dass die überraschend positiven Werte aus der Industrie einen markanten Einbruch insgesamt verhindert haben.
Industrie hält sich
Das ifo Institut selbst bezeichnet die Beurteilungen des Verarbeitenden Gewerbes als einen „Lichtblick“. Wenig verwunderlich dagegen, dass der Bereich Dienstleister sowie der Handel mit einem deutlich schlechteren Geschäftsklima aufwarten. Auf die kommenden Monate schaut man mit Pessimismus, das Münchner Institut spricht davon, dass „die Indikatoren im Bereich Hotel- und Gastgewerbe regelrecht abgestürzt“ sind. Beim Handel sind sowohl die aktuelle Lage als auch die Erwartungen wenig zufriedenstellend. Der Einzelhandel macht schlechte Geschäfte und wird jetzt, gerade mit den Maßnahmen zum Schutz der Kunden, die für Warteschlangen und ein Ausweichen auf den Internethandel sorgen werden, Probleme für Umsätze und Erträge bekommen. Dienstleister und Händler leben vom Austausch mit den Kunden und Verbrauchern. Kontaktsperren und Abstände haben fatale Folgen für das Geschäft. Anders als in anderen Ländern ist Deutschlands Baugewerbe in seiner Tätigkeit wenig berührt durch den Lockdown – so zeigt sich der Bauboom unverändert und bei der Einschätzung der aktuellen Lage sogar leicht verbessert – wenn auch die Bewertungen zur Zukunft der Bautätigkeit etwas flauer ausfallen.
Kein Vertrauen in die Impfung?
Ein wenig verwundern die Aussagen der Unternehmen für die nächsten Monate angesichts der positiven Nachrichten über die Entwicklung von Impfstoffen gegen das Corona-Virus. Die Tatsache, dass verschiedene Impfstoffe in der Testphase positive Ergebnisse zeigen, scheint in der Wirtschaft nicht sehr für Zuversicht zu sorgen. Natürlich stehen im Zusammenhang mit Massen-Impfungen noch einige Hürden bevor. Das reicht von den Diskussionen über die Prioritäten bei den vulnerablen Bevölkerungsgruppen, den Fragen von Lagerhaltung und Transport bis zu den Impfzentren und der regionalen Durchführung. Auch wenn rund 80 Prozent der Bevölkerung die Maßnahmen der Regierung vermeintlich gutheißen, scheinen doch der Lockdown und das pandemische Geschehen insgesamt die Zuversicht anzugreifen. Die „Konjunktur-Uhr“ des Forschungsinstituts zeigt jedenfalls aus dem Abschwung heraus in Richtung Rezession.
Die Pandemie ist ohne Beispiel. Vergleiche mit der Finanzkrise vor gut zehn Jahren sind wenig aufschlussreich. Es ist im Spätherbst 2020 schwierig, Prognosen zur weiteren Entwicklung abzugeben. Ob Impfstoffe oder eine „Durchseuchung“ der Bevölkerung für ein absehbares Ende der zweiten Welle sorgen oder ob tatsächlich eine noch größere dritte Welle ins Haus steht, ist unbekannt. Bei den Auswirkungen auf das Wirtschaftsgeschehen ist es zum einen schwierig, aktuelle Daten aufzubereiten (man greift mittlerweile auch auf Bewegungsdaten von Google oder Angaben zur Lkw-Maut zurück), zum anderen greifen viele Prognosemodelle angesichts der nie gesehenen Imponderabilien wohl ins Leere. Doch lässt sich manches durchaus absehen, wenn es um die langfristigen Folgen geht.
Restarter im Gastgewerbe
Viele Solo-Selbstständige, der Kulturbereich und die Gastronomie sind heftig getroffen – die Schutzmaßnahmen kommen in einigen Fällen einem Berufsverbot gleich. Auf der anderen Seite ist zu beachten, dass diese „kleinteiligen“ Wirtschaftsbereiche sehr viel flexibler sind. Der Zugang zu einer Selbstständigkeit oder eben einem „Restart“ ist vergleichsweise leicht. Ganz anders sieht dies im industriellen Bereich aus. Hier handelt es sich um einen Sektor, der für das Wohlstandsniveau in Deutschland entscheidend ist. Auch wenn er sich aktuell noch robust hält, so könnten doch die Exporte und vor allem die Investitionstätigkeit leiden.
Deutschlands Verarbeitendes Gewerbe steht auch im Fokus, wenn es um eine grüne Wirtschaft geht. Die Anforderungen sind enorm und verlangen viel Kapital und Know-how. Neben der Agenda der Ökologie stehen Pflichten zur Digitalisierung. Es ist gerade im Zeichen der Pandemie viel vom Umbau der Wirtschaft die Rede. Ob die Krise aber tatsächlich zum Katalysator wird oder ob sie den erforderlichen Umbau gerade behindert und einen negativen Einfluss auf das Produktionspotenzial sowie die Innovationsfähigkeit der Betriebe zeigt, ist noch offen. Fest steht, dass der immer wieder geforderte Strukturwandel in Deutschland durch die Pandemie eher behindert wird. Es wird zu Unternehmensschließungen kommen – werden zukunftsgerecht Neugründer diese Lücken schließen?
Quelle: ifo Institut
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