Blick nach Brüssel - Europa wappnet sich

Ob EU-Parlament, Europäische Kommission oder Rat der EU: Europapolitik beeinflusst maßgeblich die deutsche Gesetzgebung – und damit den Handlungsrahmen für die Wirtschaft. Mit der beginnenden zweiten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident stellt sich die EU auf vier konfliktreiche Jahre ein. Wie sie im Handelskrieg bestehen kann.

Was Donald Trump von den Europäern hält, hat er im Wahlkampf oft genug lautstark verkündet: „Sie kaufen unsere Autos nicht. Sie kaufen unsere landwirtschaftlichen Produkte nicht. Sie kaufen gar nichts.“ Im Weltbild des 45. und nun auch 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten lassen sich die USA ausnehmen – von der EU genauso wie von China.

Immerhin lag das Handelsdefizit der USA gegenüber der EU im Jahr 2023 laut der Statistikbehörde Eurostat bei knapp 160 Milliarden Euro. Während die EU vor allem Erdöl und Erdgas aus den USA importiert, liefert sie ihrerseits Pkw und andere Fahrzeuge, Arzneimittel sowie Medizin- und pharmazeutische Produkte dorthin. Die Europäische Kommission hat ausgerechnet, dass auf beiden Seiten des Atlantiks in Auslandstochtergesellschaften von US- und EU-Unternehmen mehr als 10 Millionen Menschen beschäftigt sind. Es steht also viel auf dem Spiel, sollte Donald Trump seine Ankündigungen wahrmachen und nicht nur Produkte aus China bei der Einfuhr mit einem Zoll von 60 Prozent zu belasten, sondern auch auf Waren und Dienstleistungen aus dem Rest der Welt bis zu 20 Prozent Zoll zu erheben. Bisher gilt für Einfuhren aus Europa ein Zoll von ein bis zwei Prozent. „Trumps Zölle werden den Handel zwischen den USA und ihren Verbündeten stören und auch zu Spannungen führen“, schreibt der amerikanische Handelsexperte und Professor an der Universität von Maryland, Uri Dadush, in einer Analyse für den europäischen Thinktank Bruegel.

In Brüssel werden nicht erst seit der Bekanntgabe des US-Wahlergebnisses Pläne geschmiedet, um die größten Folgen der zu erwartenden Handelspolitik abzufedern. Anders als nach Trumps erstem Wahlsieg 2016 will die EU vorbereitet sein. Auch weil sich die europäische Wirtschaft derzeit langsamer erholt als ihr Pendant in den USA, wollen Ursula von der Leyen und ihre neu formierte EU-Kommission auf Augenhöhe mit Trump verhandeln.

Diese drei Möglichkeiten gibt es:

Besänftigen

So unberechenbar er auch scheint: Dass man erfolgreich mit Donald Trump verhandeln kann, hat schon der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bewiesen. Er konnte Trump 2018 davon abhalten, Zölle zu verhängen, indem er ihm in Aussicht stellte, dass Europa mehr landwirtschaftliche Produkte wie Sojabohnen aus den USA importiert. Ein ähnliches Angebot hat nun bereits Ursula von der Leyen erwähnt und vorgeschlagen, Trump einen Deal zum Ausbau amerikanischer Exporte von Flüssiggas (LNG) anzubieten. Einige Ökonomen wie Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank, schlagen sogar vor, dass Europa seine Zölle senkt – etwa auf Agrarprodukte – um Trump entgegenzukommen. Die Frage ist, ob solche Zusagen dieses Mal ausreichen.  

Dagegenhalten

Der US-Handelsexperte Uri Dadush erwartet immerhin, dass Trump grundsätzlich verhandlungsbereit ist: „Die Zölle müssen nicht alle auf einmal eingeführt werden. Trump könnte sich für einen verhandelten und gestaffelten Ansatz entscheiden“, sagt er. Denn der Präsident verfolge in Mexiko, China, Europa und weiteren Ländern unterschiedliche Interessen. Sollte er jedoch mit seiner Abschottung gegenüber der EU ernst machen, hätte das gravierende Folgen für die europäische und vor allem die deutsche Wirtschaft. Das ifo Institut hat ausgerechnet, dass ein 20-prozentiger Zoll auf deutsche Autos, Maschinen und Co. die Exporte dieser Produkte um rund 15 Prozent zurückgehen lassen und einen wirtschaftlichen Schaden von 33 Milliarden Euro (35,3 Milliarden Dollar) verursachen könnte. Dann halten es viele Experten für wahrscheinlich, dass die EU im Gegenzug Zölle in gleicher Höhe ausspricht – auch um der hiesigen Industrie zu signalisieren, dass sie sich für ihre Interessen einsetzt.  

Umorientieren

Sollte es so kommen, könnte es das Ende der Globalisierung unter der Führung der USA sein, nicht aber das Ende der Globalisierung an sich. Denn die meisten Länder sind immer noch an einem funktionierenden Welthandel interessiert. Umso wichtiger werden in Zukunft Handelsabkommen mit anderen Regionen. Deutschland etwa war sehr daran interessiert, dass die Verhandlungen zum Mercosur-Abkommen der EU mit Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay und Bolivien erfolgreich abgeschlossen werden. Es soll bessere Exportbedingungen für europäische Produkte wie Autos, Pharma- und Medizinprodukte, Maschinen und Anlagen schaffen. Im Gegenzug wird Südamerika Rindfleisch, Geflügel und Zucker liefern – weshalb Mercosur lange an der Ablehnung der Agrarnation Frankreich gescheitert war. Zwar kann das Südamerika-Abkommen nicht die möglichen Einbußen durch eine Abschottung der USA ausgleichen. Doch das Drohszenario der Trump-Wahl dürfte den Endspurt bis zur Unterschrift beschleunigt haben.

Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Christian Raschke
Bildnachweis: Getty Images