Moderne Zeiten
Von der Digitalisierung profitieren auch die Finanzbehörden. Wie die EU den Umsatzsteuerbetrug mit dem Zugriff auf Zahlungsdaten eindämmen will.
Unser Steuer-Experte:
Bernhard Lindgens ist in der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung im Bundeszentralamt für Steuern in Bonn tätig. Zuvor war er im Bundesministerium der Finanzen für verschiedene Projekte in der Steuerfahndung und Betrugsbekämpfung sowie für den Datenzugriff der Finanzbehörden zuständig.
Auch hierzulande steuern Risikomanagementsysteme längst gezielt jene Steuererklärungen zur personellen Überprüfung aus, bei denen nach dem Erfahrungswissen der Finanzverwaltung von einem hohen steuerlichen Risiko ausgegangen werden kann. Als Datenbasis dienen dabei nicht nur die vom Steuerbürger oder Unternehmen selbst eingereichten Informationen, sondern auch weiteres elektronisch verfügbares Kontrollmaterial – etwa über Krankenkassen- und Altersvorsorgebeiträge, Rentenzahlungen, innergemeinschaftliche Lieferungen, unternehmerische Aktivitäten im Internet oder Kontoverbindungen und Zinszahlungen.
Auch werden dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Bonn bereits seit 2016 im Rahmen des automatischen Austauschs von Informationen über Finanzkonten von den zuständigen Behörden anderer Staaten etliche Daten des vorangegangenen Kalenderjahrs übermittelt. Ohne vorheriges Ersuchen erhält das BZSt jeweils zum 30. September eines Jahres Nummer und Salden ausländischer Konten, Informationen über gutgeschriebene Zinsen, Dividenden oder andere Einkünfte aus dem auf dem Konto vorhandenen Vermögenswert sowie Steueridentifikationsnummer und persönliche Daten des Kontoinhabers. Damit die steuerlich relevanten Massendaten einzelnen Steuerpflichtigen auch zuverlässig zugeordnet werden können, nutzen alle teilnehmenden Staaten einen von der OECD entwickelten, globalen Meldestandard. In Deutschland verpflichtet das Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FKAustG) die Institute zur Datenfernübertragung nach amtlich vorgeschriebenem Muster.
Vorsicht sollten betroffene Steuerbürger in jedem Fall walten lassen: Während sich anfänglich lediglich 50 Länder zum automatischen Informationsaustausch mit dem deutschen Fiskus bereiterklärten, ist die erst kürzlich vom Bundesministerium der Finanzen veröffentlichte Austauschliste für das Jahr 2019 auf mittlerweile 94 Staaten angewachsen.
Umsatzsteuer im Fokus
Neben den Dauerbrennern Rückstellungen und Bewertung von Anlage- und Umlaufvermögen beschert vor allem die Umsatzsteuer den Prüfungsdiensten hohe Mehrergebnisse. Kein Wunder, dass laut der vom Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) erstellten Studie „Betriebsprüfung 2018“ die Prüfungsquote in diesem Bereich von 40 Prozent im Jahr 2015 auf mittlerweile 72 Prozent angestiegen ist.
Rückendeckung erhalten die Steuerprüfer in ihrem Kampf gegen grenzüberschreitende Umsatzsteuerbetrügereien beim E-Commerce jetzt auch von der EU-Kommission. Ab Januar 2022 sollen Transaktionsdaten wie Betrag, Datum, Name und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr ab einem bestimmten Schwellenwert periodisch übermittelt werden – und zwar sowohl vom Zahlungsdienstleister des Kunden als auch des Empfängers. Gespeichert werden die Daten anschließend zwei Jahre lang in einer supranationalen Datenbank namens CESOP (Central Electronic System of Payment), in der auch Abgleiche mit bereits vorhandenen Datenbeständen über innergemeinschaftliche Lieferungen (MIAS – Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem) oder elektronisch erbrachte Dienstleistungen (MOSS – Mini-One-Stop-Shop) erfolgen.
Bereits heute wird in den EU-Ländern allerdings ein weiteres Werkzeug zur Aufdeckung von Umsatzsteuerbetrug genutzt. Vor allem, um die nach wie vor grassierenden Karussellgeschäfte aufzudecken. Bei dieser Masche wirken mehrere Unternehmen in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zusammen: Einer der Händler der Lieferkette führt die von seinen Abnehmern bezahlte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt ab. Die Abnehmer hingegen machen die Vorsteuer geltend und erhalten diese vom Finanzamt ausgezahlt.
Muster wie diese sowie Abweichungen und Unstimmigkeiten in Umsatzsteueranmeldungen soll das von der EU-Kommission im Mai dieses Jahres vorgestellte Transaction-Network-Analysis-Tool (TNA) nun in Echtzeit erkennen können. Über den genauen Umfang und die Vorgehensweise bei der Auswertung von Informationen über grenzüberschreitende Umsätze halten sich Kommission und die Mitgliedstaaten verständlicherweise bedeckt. Allerdings bedarf es wohl keiner hellseherischen Fähigkeiten, um einen Abgleich mit der vorgeschriebenen monatlichen zusammenfassenden Meldung an das Bundeszentralamt für Steuern über innergemeinschaftliche Lieferungen und Dreiecksgeschäfte oder mit den auch für Umsatzsteuer-Sonderprüfer längst verfügbaren Zolldaten über Ein- und Ausfuhren zu vermuten.
Rechtsgrundlagen
BMF-Schreiben vom 26. Juni 2019, Bekanntmachung der finalen Staatenaustauschliste für den Automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen nach dem Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FKAustG)
Quelle: Magazin „Creditreform“
Text: Bernhard Lindgens