Interview: Bonitätsbewertungen für Startups – so geht’s
Startups gelten als Innovationsmotor. Ihre Ideen und ihre Dynamik sind wichtig, um das Industrieland Deutschland erfolgreich zu transformieren. Wie die Rahmenbedingungen für sie aktuell aussehen und was Gründer tun können, um eine gute Bonitätsbewertung zu erhalten, diskutieren Investor Frank Thelen, Gründer Roman Hölzl und Creditreform COO Roland Wedding.
Frank Thelen: Ja, es hat sich etwas getan in Deutschland. Aber noch nicht genug. Allen Beteiligten ist klar, was Startups brauchen. Ob das nun eine Förderung von Wagniskapital und mehr Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung sind oder einfachere Rahmenbedingungen für Ausgründungen aus der Forschung. Die Forderungen sind alle bekannt. Sie stehen auch im Entwurf der Startup-Strategie, die Robert Habeck im Juni vorgestellt hat. Was mich zur Verzweiflung bringt, ist, dass wir nicht in die Umsetzung kommen, sondern vieles in den politischen Mühlen hängen bleibt. Ich wünsche mir, dass die Parteien das jetzt auch mutig und progressiv umsetzen.
Roland Wedding: Startups stehen vor vielen Herausforderungen. Nicht nur bei der Gründung und der Führung des Unternehmens, sondern auch wenn es darum geht, in der Finanzwirtschaft zu bestehen. Etwa bei der Kommunikation mit Banken oder Leasinggesellschaften. Denn es ist eine schwierige Situation, wenn ein junges Unternehmen zwar einen Businessplan hat, aber der Markt diesen Businessplan nicht versteht. Da unterstützt Creditreform junge Unternehmer dabei, ihren Plan zu verfolgen und ihre Finanzen gesund aufzubauen.
Zuletzt gab es Meldungen, dass einige schnell wachsende Startups in Deutschland in Schwierigkeiten stecken und Investoren wieder zurückhaltender werden. Woran liegt das?
Frank Thelen: Der Grund sind Makrothemen: die Inflation, angespannte Lieferketten, höhere Zinsen und geopolitische Spannungen. Das führt dazu, dass die gesamten Finanzmärkte weitere Risiken eher scheuen – und das greift dann auch auf Venture Capital über. Ich habe von einigen deutschen Investoren schon die klare Aussage gehört, dass sie sich momentan zurückhalten. Wir bei Freigeist Capital investieren aber noch ganz normal. Denn: So eine Phase bietet natürlich auch Chancen.
Freigeist Capital hat gut 20 Tech-Startups im Portfolio, darunter auch RobCo. Was genau machen Sie, Herr Hölzl, und in welcher Phase der Gründung befinden Sie sich gerade?
Roman Hölzl: Wir möchten den industriellen Mittelstand automatisieren. Dafür entwickeln und verkaufen wir flexibel kombinierbare Robotermodule, die einfache, manuelle Jobs übernehmen. Zum Beispiel Maschinen mit Material zu beschicken, Produkte zu packen, Schweißen oder Lackieren. Im Moment sind wir in der Phase zwischen „Seed“ und „Series A“, wie es in der Branche heißt. Sprich: Der Grundstein ist gelegt, unser Team besteht aus 30 Mitarbeitern und jetzt arbeiten wir intensiv daran, unser Geschäft zu skalieren.
Frank Thelen: Das Team konnte schon tolle Kunden gewinnen. Die Nachfrage ist größer, als wir sie decken können. Und das Thema ist aktueller denn je: nämlich mithilfe von bezahlbarer Robotik die Produktion nach Europa zurückzuholen und hier, trotz höherer Lohnkosten, wieder wettbewerbsfähig und in einer sehr guten Qualität Produkte herzustellen. Mit seinen kleinen und modularen Robotern rennt RobCo gerade im industriellen Mittelstand offene Türen ein.
Das klingt jetzt einfacher, als es tatsächlich war. Welche Schwierigkeiten gab es denn zu Beginn beim Verkauf oder der Vermietung der ersten Systeme?
Roman Hölzl: Was Frank sagt, ist absolut richtig. Wir sehen im Mittelstand eine große Bereitschaft, mit unseren Robotiksystemen zu arbeiten, um Makrotrends wie dem Fachkräftemangel und dem Druck auf Qualität und Produktivität zu begegnen. Die Nachfrage ist da – und um sie bestmöglich zu befriedigen, wollen wir unsere Systeme nicht nur verkaufen, sondern auch im Leasing anbieten. Bei den ersten Gesprächen dazu mit einem Kunden waren wir dann sehr überrascht, als gefordert wurde, dass wir unsere Bonität darstellen sollten. Das war für uns als Startup natürlich sehr schwierig. Wir haben noch keine jahrelange Geschäftshistorie. Wir investieren ins Wachstum und haben deshalb noch keinen positiven Cashflow. Und neben Freigeist haben wir auch noch amerikanische und asiatische Investoren. Kurz: Die üblichen Kriterien zur Bonitätsbewertung greifen bei uns noch zu kurz.
Frank Thelen: Das ist ein Problem, das alle Startups haben. Wegen einer fehlenden Bonitätsbewertung bekommen sie auch selbst kaum klassische Finanzierungen oder Kreditlinien. Sogar Autos oder Büroausstattung zu leasen, ist schwierig. Warum? Weil die Finanzdienstleister bei ihrer Bewertung oft nur eine Schablone haben. Ist ein Geschäftsmodell anders oder passt dort nicht durch, lehnen sie ab. Es ist klar, dass Startup-Finanzierung immer auch mit Risiken verbunden ist. Aber es gibt zu wenige, die versuchen, die Risiken zu verstehen.
Damit Ihr Deal nicht platzt, haben Sie sich an Creditreform München gewandt, Herr Hölzl. Wie hat man RobCo dort geholfen?
Roman Hölzl: Sehr gut. Wir haben gesprochen, unsere Zahlen, unsere Eigenkapitalstruktur und unser Geschäftsmodell erklärt und sind seitdem in einem regelmäßigen Austausch. Mit dem Hintergrundwissen konnte Creditreform uns tatsächlich eine Bonitätsbewertung ausstellen. Sie hilft uns jetzt sehr dabei, unsere Produkte per Leasing zu platzieren. Darüber hinaus profitieren wir vom Netzwerk und den Kontakten von Creditreform, gerade was den Zugang zu potenziellen neuen Kunden angeht.
Herr Wedding, wie oft kommen Startups mit vergleichbaren Anliegen auf Creditreform zu?
Roland Wedding: Wir hatten in den vergangenen Jahren sehr viele Kontakte zu Gründern und dabei kamen immer die gleichen Fragen auf. Nämlich, dass sie aufgrund einer fehlenden Bonitätsbewertung Schwierigkeiten haben, etwa Firmenfahrzeuge oder Büroausstattung zu leasen. Das haben wir zum Anlass genommen, noch mal retrospektiv auf unsere Daten zu schauen und zu hinterfragen: Sind Startups wirklich anders zu bewerten? Bringen sie andere Risiken mit als bestehende Unternehmen? Das Ergebnis war: Die Risikobewertung ist sehr ähnlich. In den ersten zwei bis drei Jahren nach der Gründung sehen wir, dass Startups häufig sehr solide unterwegs sind und nicht häufiger ausfallen als etablierte Unternehmen. Wenn es eine Schwächung gab, fand sie erst später statt. Und das hat uns dazu bewogen, Gründungen genauso zu bewerten wie bestehende Unternehmen.
Und was macht Creditreform anders?
Roland Wedding: Wir machen uns die Mühe, mit den Gründern zu sprechen, in ihren Businessplan zu schauen, ihre Branche und ihr Geschäftsmodell zu verstehen. Bei der eigentlichen Bewertung machen wir aber gar nichts anders – und das ist der große Vorteil. Es ist wichtig, dass wir für jedes Unternehmen, egal ob etabliert oder neu gegründet, die gleiche Methodik anwenden. Gerade dadurch erleichtern wir Startups den Zugang zu Bank- oder Leasingfinanzierungen. Denn auch die Institute und Finanzdienstleister müssen so keine eigene Bewertungslogik für Gründer entwickeln, um zu beurteilen, ob sie zahlungsfähig sind oder nicht. Das wäre viel zu kompliziert.
Herr Hölzl, Sie sagten, Sie und RobCo profitieren in der Zusammenarbeit mit Creditreform auch beim Zugang zu potenziellen Kunden. Inwiefern?
Roman Hölzl: Wir verfolgen ein hybrides Vertriebsmodell: Im Direktvertrieb adressieren wir Unternehmen in einem Radius von etwa 250 Kilometern rund um unseren Sitz in München. Darüber hinaus arbeiten wir für Deutschland und inzwischen auch international mit Vertriebspartnern, die unsere Systeme mit verkaufen. Für unseren Direktvertrieb haben wir ein Projekt mit Creditreform aufgesetzt, um mögliche Kunden in Bayern und Baden-Württemberg zu identifizieren. Dazu hat Creditreform sehr gute Daten, etwa zu Unternehmensgröße, Branche, Sitz und Alter, die uns helfen, potenzielle Kunden gezielt anzusprechen.
Roland Wedding: Oft ist die erste Bewertung von uns nur der Anfang. Wir alle wissen, dass Unternehmen – nicht nur Startups – sich entwickeln. Und deshalb ist es immer wichtig, dass sie mit Creditreform kommunizieren. Wie entwickelt sich das Unternehmen? Welche Herausforderungen gibt es gerade? Je früher man mit einem Ansprechpartner bei Creditreform darüber spricht, desto besser können wir eine Bewertung vornehmen. Aber wir können eben auch mit anderen Daten beim Aufbau und der Weiterentwicklung des Unternehmens unterstützen.